Sooooo, besser etwas später als nie, nicht wahr? Ich habe Tenet im Wiener Gartenbaukino auf 70mm Filmrolle und in OV gesehen...
Und bin absolut überwältigt!
Zwar hatte auch ich große Schwierigkeiten, den Dialogen aufgrund des sehr merkwürdigen Masters zu folgen, aber hey, sch**ß drauf, ich kam plottechnisch trotzdem mit und wurde selten Zeuge eines derart spektakulären, originellen, manchmal bizzarren oder irritierenden visuellen und akustischen Rausches! Dafür gehe ich ins KINO.
Nolan zieht gekonnt alle Register seines Fachs und hat sich auch dieses Mal mit den fähigsten Filmschaffenden umgeben, um die Messlatte dessen, was technisch machbar ist, nach oben zu verschieben. Allen voran der Einsatz praktischer Effekte und realer Stunts kam mir dieses Mal sehr viel präsenter und offensichtlicher vor, eine sehr angenehme Überraschung.
Besonders gut gefallen hat mir Göranssons retrofuturistischer industrial Soundtrack/Klangteppich, der mich stellenweise sehr an Gesaffelstein erinnert hat, für alldiejenigen, die das Werk des französischen Technoproduzenten kennen. Selten hat mich Filmmusik derart an die Kante meines Kinositzes getrieben, selten haben sich in meinem Kopf Bild und Ton derart synästhetisch verhalten.
Das außergewöhnliche und kulturell vielfältige SchauspielerInnen-Ensemble ergänzt sich hervorragend, allen voran Kenneth Branagh ist mir im Wechselspiel zwischen bedrohlicher Ruhe und völlig ungebändigter Impulsivität in Erinnerung geblieben. Natürlich werden sich einige bei Washington an die zahlreichen Debatten um einen dunkelhäutigen Bond erinnert haben, er leistet als Protagonist fantastische Arbeit, wie ich finde. Auch Pattinson und Debicki haben mich voll und ganz überzeugt, um mich jetzt auf den Maincast zu begrenzen.
Sehr angenehm fand ich dieses Mal das starke Reduzieren üblicher Nolan'scher Sentimentalitäten und Melodramen, da hat er in seinem Schaffen meiner Ansicht nach einen sehr großen Schritt nach vorne gemacht.
Es ist natürlich eine Frage des persönlichen Geschmacks, aber ich für meinen Teil brauche keine durchpsychologisierten Charaktere um einer Filmhandlung folgen zu können und zu immersieren. Ich halte das für eine Nebenwirkung des seriellen Formats, das zwar völlig ungebremst Küchentisch-Psychoanalyse betreibt, dabei jedoch oft vergisst einen Handlungsbogen effizient zu spannen.
Ich sehe in Tenet, Nolans ersten Konzeptfilm, der die formalen Aspekte des Konzeptes in den Vordergrund stellt - dort liegt meines Erachtens auch Nolans Talent, anstatt sich zu sehr auf die inneren Konflikte seiner Figuren zu fokussieren, denn dort liegt meiner Ansicht nach wiederum seine größte Schwäche.
Das ist, was mir zu Tenet aus dem Stehgreif so einfällt. Ich muss ihn nochmal in Ruhe und mit Untertiteln oder auf Deutsch sehen. Vielleicht schreibe ich dann, wenn mir danach ist, eine detailliertere Kritik.
Für mich einer seiner besten bis jetzt, auf rein visueller und akustischer Ebene auf jeden Fall.
Re: Die Filme des Christopher Nolan
1486"Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert."
"Doch wer sich bückt nach dem schmalen Taler, verpasst das große Bündel."
"Doch wer sich bückt nach dem schmalen Taler, verpasst das große Bündel."