Da ich ihn gestern gesehen habe, bin ich gerade erstaunt, hier so wenig Lob für "All the President's Men" (toller Titel) aka "Die Unbestechlichen" (doofer Titel) zu finden. Nein, der hat seinen Klassiker-Status zurecht, ein ganz großes Stück Recherche-Kino, exzellent aufbereitet und gespielt (Robert Redford und Dustin Hoffman sind grandios, aber der Star des Films ist sicherlich Jason Robards) und vor allem sehr konzentriert erzählt. Der weitgehende Verzicht auf Musik und dramaturgische Zuspitzungen lässt Pakulas Film beinahe semi-dokumentarisch wirken (zumal der 'Antagonst' Nixon nur in historischen Aufnahmen zu sehen ist), und das Drehbuch von William Goldman hält einem nicht überflüssig die Hand und leitet einen erklärend durch die Geschichte, sondern man sollte ganz genau aufpassen, wenn man wirklich jeden Schritt von Bernstein und Woodward nachvollziehen will. Wichtiger als das ist aber, wie Pakula detailliert aufzeigt, was für eine harte Arbeit es war, diese "Story" entstehen zu lassen und sie dann erzählen zu können. Der Film endet dann ja auch ironischerweise mit der größten Niederlage, die Bernstein und Woodward während ihrer Watergate-Ermittlungen erlitten haben, und blendet dann nur noch in Textform die Erfolge ein, die 73, 74 und 75 folgten (endend mit dem Rücktritt Nixons, denn – das spürt man im Film – genau der ist letztlich das Ziel, auf den lief es für die beiden hinaus, seit sie auf das Thema gestoßen waren und erstmals Blut leckten).
Es mag für mich persönlich nicht der beste Journalismus-Film sein (das ist "Spotlight", einer meiner Lieblingsfilme) und es mag nicht der beste Watergate-Film sein (das ist "Frost/Nixon"), aber ein inspirierend-kluges Stück Politkino ist "All the President's Men" bis heute.
Rise Against the Machine – Die Filme des Alan J. Pakula
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Ich kann mit All the President's Men nur wenig anfangen. Ich hab ihm erst vor 1-2 Jahren nochmal ne Chance gegeben und dann enttäuscht nach ner Stunde abgebrochen. Mir fehlt es da an Fokus und die Handlung spielt sich fast ausschliesslich über die Dialoge ab. Ich muss aber auch 2 Dinge dazu sagen: zum einen konnte mich Pakula eigentlich nur einmal wirklich überzeugen, nämlich mit Aus Mangel an Beweisen. Der Rest war irgendwo zwischen leicht über dem Durchschnitt bis hin zu richtig ärgerlich. Komisch, dass der (erste) Ford-Film für mich da so rausfällt. Der zweite Punkt ist, dass ich generell mit dem Paranoia-Kino der 70er wenig anfangen kann. ZB habe ich Pakulas Zeuge einer Verschwörung als noch mühsamer in Erinnerung, aber auch Filme wie Der Dialog oder 3 Days of Condor geben mir wenig bis nix. Dazu passt dann irgendwie auch, dass ich Spotlight ebenfalls nicht so toll fand. Ein bisschen spielt da sicherlich auch meine Erwartungshaltung rein, dass politische Filme ihr Anliegen subtil dem Publikum vermitteln sollten. Mir ist das oft dann zu stark wertend und moralisierend. Ein richtig guter politischer Film sollte das aber in meinen Augen nicht nötig haben und seinen Punkt auch subtil machen können, zB Nixon wäre hier das Paradebeispiel.
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Sicher richtig, das muss man nicht unbedingt mögen. Obwohl ich "All the President's Men" schon sehr fokussiert erzählt finde, es stehen ja ganz konsequent immer die beiden Journalisten und ihr Kampf gegen Windmühlen im Vordergrund (nachdem Watergate-Einbruch in den ersten drei Minuten gibt es keine Szene ohne Redford und oder Hoffman). Den Vorwurf verstehe ich eher bei "Spotlight", weil da ein größeres Team ermittelt und man auch mehr aus deren Privatleben zu sehen bekommt (was ich nicht negativ finde), bei "All the President's Men" dient jede Szene der faktenbasierten Nacherzählung der wahren Begebenheiten.AnatolGogol hat geschrieben: ↑9. Mai 2023 10:55 Mir fehlt es da an Fokus und die Handlung spielt sich fast ausschliesslich über die Dialoge ab.
Joa … nö.AnatolGogol hat geschrieben: ↑9. Mai 2023 10:55 Dazu passt dann irgendwie auch, dass ich Spotlight ebenfalls nicht so toll fand. Ein bisschen spielt da sicherlich auch meine Erwartungshaltung rein, dass politische Filme ihr Anliegen subtil dem Publikum vermitteln sollten. Mir ist das oft dann zu stark wertend und moralisierend. Ein richtig guter politischer Film sollte das aber in meinen Augen nicht nötig haben und seinen Punkt auch subtil machen können

Bei "Spotlight" bin ich da vielleicht minimal eher bei dir (der hat dann zumindest ein paar der menschelnden Szenen, die "All the President's Men" erstaunlicherweise komplett vermeidet), aber eigentlichbin ich auch so gar nicht bei dir, denn auch in dem gibt es ja nicht wirklich Szenen, in denen mir jemand eine Moralpredigt hält – wie sähe die denn auch aus, außer "Kindesmissbrauch ist schlecht"?

Ich kann aber verstehen, wenn einem die Filme zu dröge sind, denn das ist die meiste Zeit sicherlich "Walking & Talking", und beide Filme vermeiden bewusst Zuspitzungen und dramaturgische Vereinfachungen, bleiben dafür sehr dicht an den tatsächlichen Abläufen (in jedem Fall sehr viel dichter als die allermeisten biografischen Spielfilme). Da findet nicht jeder einen Zugang, vollkommen klar.
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Ich glaub ich hab Spotlight verwechselt mit dem Film um die TV-Damen mit John Lithgow. Hab gerade meinen 2016er-Jahresrückblick gecheckt, fand den "echten" Spotlight anscheinend auch nicht gut (viel hängen geblieben ist ja allem Anschein nach nicht
).
Das mit meiner Erwartungshaltung an politische Film war auch eher allgemein gemünzt, als jetzt speziell auf ATPM. Wobei man da wie ich finde schon den politisch sehr liberalen Hintergrund seiner Macher wahrnehmen kann. Ganz so tendenziös wie zB Vice ist er dann aber nicht annähernd.

Das mit meiner Erwartungshaltung an politische Film war auch eher allgemein gemünzt, als jetzt speziell auf ATPM. Wobei man da wie ich finde schon den politisch sehr liberalen Hintergrund seiner Macher wahrnehmen kann. Ganz so tendenziös wie zB Vice ist er dann aber nicht annähernd.
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"Vice" ist aber nun auch eine Satire, der ist ja ein bekennend subjektiver Film. Fällt für mich da auch nochmal in eine andere Kategorie, muss ich gestehen. Bei "Vice" wird sofort offensichtlich, dass das ein Film ist, der die Ansichten seiner Macher transportiert. Da finde ich Filme viel schlimmer, die das durch die Hintertür liefern, statt es sich groß auf die Fahnen zu schreiben.AnatolGogol hat geschrieben: ↑9. Mai 2023 11:29 Ganz so tendenziös wie zB Vice ist er dann aber nicht annähernd.
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Nein, ich meinte Bombshell (hab aber auch erst den Titel googeln müssen).Casino Hille hat geschrieben: ↑9. Mai 2023 13:38 Oh Gott, meinst du "Die Erfindung der Wahrheit" aka "Miss Sloane"? Der ist grausam und tatsächlich ein Moral-Lehrfilm für alle, die nur ins Kino gehen, um sich dort ihre Weltanschauung diktieren zu lassen. Da bin ich sofort bei dir, der geht gar nicht. Aber das sind Welten, Galaxien, Dimensionen zwischen dem Quatsch und sowas wie "All the President's Men" und "Spotlight", denen ich diesen Vorwurf zu keiner Sekunde machen könnte. Habe seit du es geschrieben hast nochmal drüber nachgedacht, aber meine diesbezüglich eigentlich empfinden Antennen reagieren da auf nix in den besagten Filmen.![]()


Das sehe ich dann doch anders. Der Film mag eine Satire sein, nimmt sich dafür aber viel zu ernst, als das ich ihm da irgendein Augenzwinkern abkaufen würde. Für mich trieft der Film geradezu vor Sendungsbewusstsein und das ist etwas, was ich Filmen oder generell Kunst besonders krumm nehme. Und dabei ist es mir egal, welche politische Couleur da propagiert wird - mir geht die Art und Weise auf den Senkel, wie hier dem Zuschauer die eigenen Wahrheiten mundgerecht verabreicht werden. Ein anderes Beispiel dieser in den letzten Jahre wieder recht populär gewordenen Agendafilme sind die politischen Thriller von Damiano Damiani aus den 70ern. Finde ich ganz schlimm, wie da die eigene Weltsicht im Gewand eines "Unterhaltungsfilms" propagiert wird (und langweilig sind sie noch dazu).Casino Hille hat geschrieben: ↑9. Mai 2023 13:38 "Vice" ist aber nun auch eine Satire, der ist ja ein bekennend subjektiver Film. Fällt für mich da auch nochmal in eine andere Kategorie, muss ich gestehen. Bei "Vice" wird sofort offensichtlich, dass das ein Film ist, der die Ansichten seiner Macher transportiert. Da finde ich Filme viel schlimmer, die das durch die Hintertür liefern, statt es sich groß auf die Fahnen zu schreiben.
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Aha! Ja, um die Verwechslung komplett zu machen: Genau den meine ich.

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