Boobs & Booms – Die Filme des Michael Bay
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@Maibaum: ich finde deine Vergleiche zwischen Bay und Leone und Fuller eher weniger zutreffend, da die jeweiligen Karrieren doch sehr unterschiedlich verliefen. Weder Leone noch Fuller waren Mainstreamregisseure, beide waren auch nicht unbedingt kommerziell erfolgreiche Filmemacher. Auch wenn sie posthum sicherlich eine höhere Wertschätzung erfuhren als zu Lebzeiten, so wurden sie doch auch schon während ihren Karrieren als ambitionierte Filmemacher anerkannt (bei Leone spätestens ab OUATITW, bei Fuller zugegebenermaßen erst recht spät in seiner Karriere). Bei Bay ist es doch ganz anders: er ist ein Mainstreamregisseur, noch dazu ein außerordentlich erfolgreicher. Keine seiner Arbeiten gilt als wirklich ambitioniert (es ist bezeichnend, dass der immer noch stark mainstreamorientierte Die Insel als sein ambitioniertestes Werk gilt). Es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass Bays Werk mittel- bis langfristig eine völlig andere, weit positivere Wertschätzung erfahren wird, auch weil seine Filme immer so bemüht am Puls der Zeit sind, dass sie bereits kurze Zeit später schon wieder vergleichsweise "veraltet" oder um es positiver zu sagen stark zeitgenössisch erscheinen.
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Ja und nein. Wie gesagt ist es eher das übermäßig künstlich-sterile, das mir bei Bay nicht gefällt. Stark betonte Farben findet man auch im 80er Jahre Kino und TV, das von dir genannte Miami Vice ist ein schönes Beispiel, da habe ich aber keine Probleme damit, da sich hier die Farbgebung immer noch im mehr oder weniger natürlichen Bereich abspielt und trotz ebenfalls vorhandener Modeerscheinungen Farbgebungstrends nie solch eine durchgängige und langanhaltende Anwendung fanden wie bei teal&orange. Nimm dessen sehr extreme Ausprägung bei Bay, kombiniere es mit digitaler Fotographie und dem inflationären Gebrauch von CGI und du bekommst einen Film, der praktisch überhaupt keinen Bezug mehr zu irgendeiner Form von "Natürlichkeit" oder Realität hat.vodkamartini hat geschrieben:@anatol
Ich verstehe, dass dir diese Optik nicht gefällt. Gerade als Freund des 1970er Jahre Kinos, das häufig einen sehr realistischen und zurückhaltenden, eher farblosen visuellen Stil pflegt. Da ist das Grelle, Protztige, Bunte von Bay natürlich so ziemlich das genaue Gegenstück. Für mich als Fan von Michael Mann - der zwar weniger plakativ, aber auch sehr eigenwillig und forsch bebildert und übrigens sich für Miami Vice ähnliche Vorwürfe wie heute Bay anhören musste - ist das aber weit weniger "schrecklich".
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Doch, Die Insel ist schon ein ambitionierter Film und das eben nicht nur gemessen an Bays Gesamtwerk.AnatolGogol hat geschrieben:Keine seiner Arbeiten gilt als wirklich ambitioniert (es ist bezeichnend, dass der immer noch stark mainstreamorientierte Die Insel als sein ambitioniertestes Werk gilt).
Dem stimme ich hingegen zu. Da kann ich mir auch kaum vorstellen, dass Bay in 30-50 Jahren dieselbe Wertschätzung wie Leone und Co. genießen wird.AnatolGogol hat geschrieben:ich finde deine Vergleiche zwischen Bay und Leone und Fuller eher weniger zutreffend, da die jeweiligen Karrieren doch sehr unterschiedlich verliefen
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Das ist schwer zu sagen.AnatolGogol hat geschrieben:@Maibaum: ich finde deine Vergleiche zwischen Bay und Leone und Fuller eher weniger zutreffend, da die jeweiligen Karrieren doch sehr unterschiedlich verliefen. Weder Leone noch Fuller waren Mainstreamregisseure, beide waren auch nicht unbedingt kommerziell erfolgreiche Filmemacher. Auch wenn sie posthum sicherlich eine höhere Wertschätzung erfuhren als zu Lebzeiten, so wurden sie doch auch schon während ihren Karrieren als ambitionierte Filmemacher anerkannt (bei Leone spätestens ab OUATITW, bei Fuller zugegebenermaßen erst recht spät in seiner Karriere). Bei Bay ist es doch ganz anders: er ist ein Mainstreamregisseur, noch dazu ein außerordentlich erfolgreicher. Keine seiner Arbeiten gilt als wirklich ambitioniert (es ist bezeichnend, dass der immer noch stark mainstreamorientierte Die Insel als sein ambitioniertestes Werk gilt). Es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass Bays Werk mittel- bis langfristig eine völlig andere, weit positivere Wertschätzung erfahren wird, auch weil seine Filme immer so bemüht am Puls der Zeit sind, dass sie bereits kurze Zeit später schon wieder vergleichsweise "veraltet" oder um es positiver zu sagen stark zeitgenössisch erscheinen.
Man könnte auch, und noch passender Howard Hawks nennen, der auch sehr lange Zeit nur wenig Beachtung fand, dann aber gottgleich verehrt wurde.
Fuller und Leone und Hawks galten als absolute Mainstreamregisseure. Fuller ist über die Nouvelle Vague Kritiker bekannt geworden zu einem Zeitpunkt als er kaum noch Arbeit im Kino fand. Leones Filme wurden geradezu verachtet.
Sicher hat sich das alles unterschiedlich entwickelt, und ich erwarte auch nicht wirklich daß Bay zum Kultregiseur aufsteigt, aber ich denke ganz ehrlich man kann so was nicht ausschließen. Die Wege der Filmkritik sind manchmal unergründlich.
Jedenfalls wäre es möglich daß Bay irgendwann eine Wertschätzung erfährt die er heute nicht mal ansatzweise hat, es muß nicht gleich die Dimensionen von Hawks oder Leone annehmen, aber vielleicht wie Argento oder wie Anthony Mann oder wie Nicholas Ray.
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Das sehe ich wie Maibaum. Alles möglich, wenn auch aus aktueller Warte nicht unbedingt sehr wahrscheinlich.
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- AnatolGogol
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Bay ist der Inbegriff des kommerziellen, massenkompatiblen Großkinos - etwas von dem Leone und Fuller kaum weiter entfernt sein könnten. Fuller hat doch praktisch keinen A-Film gedreht, er war ein B-Film-Regisseur, der nie wirklich großen kommerziellen Erfolg hatte und dessen Filme nicht zuletzt auch deshalb als anspruchslos abgetan wurden, was sie aber oftmals eben nicht waren. Leone war auch kein A-Regisseur, allerdings wurde er bereits in den 60ern als Pionier und ambitionierter Filmemacher anerkannt. Bei dir klingt es so, als ob man erst posthum auf ihn als Filmemacher aufmerksam geworden wäre, was definitiv nicht der Fall war.Maibaum hat geschrieben:Fuller und Leone und Hawks galten als absolute Mainstreamregisseure. Fuller ist über die Nouvelle Vague Kritiker bekannt geworden zu einem Zeitpunkt als er kaum noch Arbeit im Kino fand. Leones Filme wurden geradezu verachtet.
Eine zukünftige kritische Rehabilitierung Bays ist angesichts von Schrott wie Pearl Harbor, Bad Boys 2 oder den Tranformers-Filmchen tatsächlich kaum zu erwarten. Selbst das Gros seiner besseren Streifen ist vordergündig kommerziell orientiert und inhaltlich oberflächlich. Ich sehe wirklich nicht, dass Filme wie Armageddon, Pain&Gain oder Transformers 2 mittelfristig dasselbe Ansehen wie The Steel Helmet, OUATITW oder Red River haben werden.
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Es ist jetzt nicht der Punkt ab wann die Wertschätzung einsetzte, sondern daß es eine Weile oder auch sehr lange möglich war, daß heute sehr hoch geschätzte Filme und Regisseure vollkommen ignoriert wurden, bzw als Durchschnittsware betrachtet wurden, oder auch sehr abfällig beurteilt wurden. Ich denke auch daß Leone seit OUTW anders betrachtet wurde, aber zunächst nur von eher wenigen, denn auch wenn das heute nur noch schwer vorstellbar ist, hat OUTW anfangs auch noch so manche verheerende Kritik eingefahren. Aber wären Sachen wie "Stumpfer, armseliger Manierismus der Bilder ... breiigen Handlungseinerlei ... Der Film von Leone ist sich selbst völlig gleichgültig. Er führt dem unbeteiligten Zuschauer nur noch den Luxus vor, der ihn hat entstehen lassen" nicht auch bei jedem Bay Film denkbar? Oder bei jedem anderen als Kommerzware betrachteten Film?
Wim Wenders hat seinen kunstvollen und wunderschön geschriebenen Verriß damals mit "Vom Traum zum Trauma: Der fürchterliche Western SmdLvT" betitelt
Aber Hawks ist eventuell das passendere Beispiel. Andrew Sarris schreibt 1968 in seinem berühmten Buch The American Cinema: "Howard Hawks was until recently the least known and least appreciated Holywood director of any stature." Und gibt dann einige Beispiele von damals geschätzten Standard Werken über die Filmgeschichte in denen Hawks gar nicht oder nur am Rande erwähnt wird.
Wim Wenders hat seinen kunstvollen und wunderschön geschriebenen Verriß damals mit "Vom Traum zum Trauma: Der fürchterliche Western SmdLvT" betitelt
Aber Hawks ist eventuell das passendere Beispiel. Andrew Sarris schreibt 1968 in seinem berühmten Buch The American Cinema: "Howard Hawks was until recently the least known and least appreciated Holywood director of any stature." Und gibt dann einige Beispiele von damals geschätzten Standard Werken über die Filmgeschichte in denen Hawks gar nicht oder nur am Rande erwähnt wird.
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Maibaum, ich bestreite ja auch gar nicht dass es solche Fälle in der Vergangenheit häufiger gegeben hat und auch nicht, dass so etwas heute bzw. in Zukunft auch noch denkbar ist. Mein Einwand richtet sich gegen das konkrete Beispiel Bay und gegen die von dir als Parallelen genannten Filmemacher Leone und Fuller. Bei Hawks sehe ich viel mehr Ähnlichkeiten, auch weil der Western früher so etwas wie das damalige Äquivalent zum Actionfilm war. Dennoch bleibe ich bei meinem Gegenargument, nämlich dass Bays Oevre nahezu ganzheitlich oberflächlich, massenanbiedernd und wenig gehaltvoll ist. Auch stilistisch sehe ich nichts besonderes, zumindest nichts was ihn aus der Masse an kommerziellen FIlmregisseuren heutiger Zeit wirklich herausheben würde. Als besonders stilprägend empfinde ich ihn auch nicht. Von daher fällt es mir schwer hier Ansatzpunkte für eine künftige andere kritische Wahrnehmung zu sehen.
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Solche Charakterkonstellationen und -Motivationen wie zB bei Red River findest du bei Bay halt weit und breit nicht. Darin dann mehr als nur einen unterhaltsamen Western zu sehen ist so schwer eigentlich nicht - wenn man es denn will. Und genau darum geht es dann ja letztlich: was bewusst oder unbewusst übersehen oder ignoriert und später dann entdeckt wird. Leone, Fuller, Hawks, Ray, Argento, Mann: all die genannten Filmemacher wurden ja hauptsächlich deswegen "rehabilitiert", weil ihr Werk "unter der Oberfläche" deutlich mehr zu bieten hatte, als es auf den ersten Blick den Anschein erweckt hat. Aber was soll das bei Bay sein? Es muss ja auch etwas da sein, damit man es überhaupt entdecken kann. 

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Weiß ich nicht, das müssen andere herausfinden.
Du blickst jetzt auf die Filme zurück, mit dem Wissen von jetzt, aber damals hat man das teilweise auch nicht gesehen. Ich habe so einige Kritiken gelesen die nicht der Meinung waren daß Leone etwas zu bieten hatte, außer reißerischer und menschenverachtender Gewalt.
Ist ja jetzt auch nicht so wahrscheinlich daß es Bay sein wird der irgendwann mal neu entdeckt wird, aber ich kann es auch nicht ausschließen. Vielleicht sind da ja wiederkehrende Motive, nur hat bislang noch keiner wirklich Lust gehabt unter die Oberfläche zu schauen, weil der Blick noch zu sehr verstellt ist von der Ablehnung des Kommerzregisseurrufs.
Du blickst jetzt auf die Filme zurück, mit dem Wissen von jetzt, aber damals hat man das teilweise auch nicht gesehen. Ich habe so einige Kritiken gelesen die nicht der Meinung waren daß Leone etwas zu bieten hatte, außer reißerischer und menschenverachtender Gewalt.
Ist ja jetzt auch nicht so wahrscheinlich daß es Bay sein wird der irgendwann mal neu entdeckt wird, aber ich kann es auch nicht ausschließen. Vielleicht sind da ja wiederkehrende Motive, nur hat bislang noch keiner wirklich Lust gehabt unter die Oberfläche zu schauen, weil der Blick noch zu sehr verstellt ist von der Ablehnung des Kommerzregisseurrufs.
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Das ist mir dann doch zu theoretisch gedacht. Wenn man es derart abstrakt betrachtet hast du natürlich recht, prinzipiell ist alles denkbar und möglich - das gilt dann aber eben auch für eine vollständige kritische Rehabilitierung von Uwe Boll (warum auch nicht, Jess Franco gilt heutzutage - zumindest in manchen Kreisen - ja auch als Genie). Wenn wir allerdings von einem konkreten Beispiel wie in unserer Diskussion sprechen, dann sind Rückschlüsse aus dem bisherigen Schaffen wie auch Vergleiche mit ähnlichen (oder eben auch nicht ähnlichen) Fällen aus der Vergangenheit durchaus verlässliche Wegweiser, wie sich die Zukunft vermutlich entwickeln wird. Die heute gepriesenen Stärken von Filmemachern/Filmen, die zum Veröffentlichungszeitpunkt ignoriert wurden, waren ja auch damals bereits fraglos erkennbar. Es ist ja nicht so, dass im Laufe der Jahrzehnte sich der Maßstab entscheidend geändert hätte, es ist lediglich die Wahrnehmung, die nun warum auch immer etwas unvoreingenommener ist. Nimm mein beliebtes Beispiel Heavens Gate, bei dem gab es auch schon gleich nach VÖ sehr positive Kritiken, die genau das rausarbeiteten, für was er heute gepriesen wird. Die künstlerische Nichtwahrnehmung hat doch zumeist mit Schubladendenken oder wie auch immer gearteten Ressentiments zu tun. Nun könnte man genau das auch mir in Bezug auf Bay vorwerfen (und berechtigterweise, denn tiefer in der "seichten Schublade" kann man bei mir kaum "abgelegt" sein), aber dann stünde immer noch die Antwort aus, was ihn denn konkret aus der oberflächlichen Actionschublade herausbefördern soll. 

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Ein Film reicht aber nicht für eine komplette Neubewertung. Dafür müsste schon ein Großteil seines Oevres eine besondere, bisher nicht gewürdigte Qualität besitzen. Und Die Insel ist jetzt nicht unbedingt repräsentativ für sein Werk.
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Das waren Scarface und The Big Sleep auch nicht für das von Hawks. Außerdem muß man nicht unbedingt etwas finden was jetzt keiner sieht, sondern das was jeder sieht neu bewerten. Der Filmgeschmakc kann sich in 20 Jahren wieder irgendwohin verändert haben wo jetzt noch kein Mensch dran denkt.
Die massive Neubewertung von Hawks, Ford oder Hitchcock hat ja auch die Kunstrezeption stark verändert.
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