Nico hat geschrieben: 4. September 2025 21:59
Skyfall. Ein Film, der im Laufe der Zeit in meinem Ranking immer etwas weiter abgerutscht ist.
Ja, eine relativ natürliche Entwicklung, finde ich. Skyfall war ein totaler Zeitgeist-Hit, 2012 gab es eine große Bond-Euphorie. Die hat sich mittlerweile gelegt und der Film wird etwas nüchterner betrachtet. Damals war es für viele einer - wenn nicht gleich der - beste Bond aller Zeiten, mittlerweile gilt selbst nur innerhalb der Craig-Ära Casino Royale wieder für viele als der Spitzenplatz.
Nico hat geschrieben: 4. September 2025 21:59
Sam Mendes pflegt einen Inszenierungsstil, von dem ich immer weniger der Überzeugung bin, dass er zu Bond passt.
Vielleicht, aber es hat seinen Reiz, finde ich. Man merkt natürlich, wer hier das große Vorbild war. Skyfall ist "The Dark Knight" als Bond-Film. Als Beobachtung ist das mittlerweile ein Klischees, nur stimmt es eben immer noch. Es werden nicht nur ganze Plotideen und Dialogzeilen übernommen, sondern die Auflösung verschiedener Szenen. Als Bond den armen Patrice in Shanghai aus dem Fenster wirft, verschwindet er sogar im Schatten. Mehr Batman geht nicht!
Man hat es damit ein bisschen weit getrieben, aber das gilt ja für manches in der Craig-Ära. So wie Quantum of Solace kaum verbergen kann, wie viel er sich bei den Jason-Bourne-Filmen von Paul Greengrass abgeschaut hat, sind später bei No Time To Die die Einflüsse der Superheldenfilme "Logan" und "Avengers: Endgame" überdeutlich. Die Reihe steckt diesbezüglich seit zwei Jahrzehnten ein wenig in der Identitätskrise und scheint ohne diese Bezüge nicht mehr zu wissen, wohin mit sich.
Bezogen auf Skyfall finde ich es aber gar nicht so schlimm, weil Mendes wirklich gelungen ist, einen anderen Zugang zu Bond zu finden, ihn aus einem wirklich neuen Blickwinkel zu betrachten ...
Nico hat geschrieben: 4. September 2025 21:59
Der Film ist düster, wirkt irgendwie altbacken (kaum zu glauben, dass er jünger als QOS und CR ist)
... und da geht unsere Wahrnehmung dann auseinander. CR und QOS mögen als Frischzellenkur für die an ihren eigenen Klischees erstickende Reihe gewirkt haben, sind aber - so abwertend das jetzt auch klingen mag, es ist gar nicht so gemeint - nur eine entstaubte Modernisierung. SF versucht wirklich etwas Neues, gewissermaßen ist es der erste Bond-Film, der nicht von Bond, sondern von Bond-Filmen handelt. Der realweltliche Mythos um Bond färbt zum ersten Mal nicht nur ins filmweltliche ab, stattdessen ist er direkt Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Ich verstehe den Vorwurf, dies wirke altbacken, gleichzeitig ist es im Rahmen dieser Franchise allerdings auch sehr neu und anders als alles vorherige. Es gibt durchaus Probleme mit der Art und Weise, wie Skyfall das angeht, die ich auch empfinde, den grundsätzlichen beinahe museal-sakralen Ansatz an Bond als Kino-Mythos, der ist aber wirklich originell gewesen. Und so sehr ich dem Film eben noch seine "The Dark Knight"-Abhängigkeit vorwarf - für diesen Kniff gibt es kein direktes Blockbuster-Vorbild. Zumindest keines, das mir einfällt.
Nico hat geschrieben: 4. September 2025 21:59
Apropos Festplatte. Den ersten Teil des Films dreht es sich nur um diese Festplatte, natürlich. Agenten sind in Gefahr. Doch irgendwann, ohne dass dieser Teil der Handlung aufgelöst worden wäre, vergisst der Film einfach, worum es eigentlich geht und spult nur noch eine Psycho-Nummer ab, die kaum vorbereitet wurde.
Ist das optimal entwickelt? Ne.
Aber auch da zeigt sich der Ansatz des Films, einen Bond-Film mal anders zu denken als sämtliche Vorgänger. Die ganze Nummer mit der Festplatte ist eigentlich von links angetäuscht und dann rechts über Bande gespielt. Es ist der Aufhänger, den wir bei einem Bond erwarten, und genau als das soll er zu identifizieren sein. Mendes erzählt von Dingen, die unter der Bondschen Oberfläche schlummern, und das viel offensiver, als bislang irgendein anderer Bond-Film. Dafür geht er dann auch solche etwas kuriosen Brüche ein. Das gefällt nicht jedem, kann ich verstehen, ist im Gesamtkontext dieser Herangehensweise für mich aber schlüssig. Genau so wie, dass es kein echtes Bond-Girl gibt, sondern das Eine sich als übliches Opfer-Lamm entpuppt und das andere als direkter Rückbezug zu einer alten Inventarfigur: Moneypenny.
Nico hat geschrieben: 4. September 2025 21:59
Hoyte van Hoytema leistet eine tolle Kameraarbeit
Kleine Korrektur: Hoyte van Hoytema ist der Kameramann von Spectre. Bei Skyfall war Roger Deakins am Werk.
Nico hat geschrieben: 4. September 2025 21:59
Das Selbstverständnis, mit dem Mendes inszeniert, lässt nicht darauf schließen. Da werden große pseudoepische Szenen konstruiert mit Gedichts-Rezitation, Fanservice des Todes geboten (ich will den DB5 nicht mehr sehen!)
Ja, alles sehr Bond-untypisch, aber alles sehr logisch für einen Film, der mindestens so sehr vom Vermächtnis seines eigenen Franchise erzählt wie eine Geschichte über seine Figur. Mir geht der DB5 auch mit seiner Dauerpräsenz auf die Nerven, aber wenn er in irgendeinem Craig-Film wirklich passt, dann in Skyfall. Seine "Origin"-Herkunft in Casino Royale empfinde ich als tausendmal schlimmer, weil es sich in einer versuchten Modernisierung so schrecklich rückschrittlich anfühlt, ein Auto aus den 60ern spazieren zu fahren. Aber Skyfall ist ein Film über die Vergangenheit Bonds, nicht nur die der Figur, auch die der Kino-Persona. Es ist wenn man so will ein großer meta-reflexiver Spaß um die verschiedenen Arten von "Vergangenheit" eines Charakters, der immer in einer ewigen unendlichen Gegenwart existiert hat.
Das Problem, weshalb diese Elemente in Skyfall mittlerweile störender wahrgenommen werden, liegt meiner Ansicht nach darin, dass die beiden Nachfolger Spectre und No Time To Die ohne Sinn und Verstand mit all dem weiter gemacht haben, ohne halbwegs dieselbe Eleganz an den Tag zu legen. Wenn Bond in No Time To Die irgendein Dalton-Auto aus der Garage holt, kann man sich nur fragen, wem die Macher mit diesem Callback eigentlich irgendwas beweisen wollten.
Nico hat geschrieben: 4. September 2025 21:59
Zwischendurch schlüpft er noch schnell zu einem Missbrauchsopfer unter die Dusche (eine ganz, ganz eklige Szene!)
Ja, grauenhaft. Absolut grauenhaft. Mir ist schleierhaft, weshalb das nicht schon 2012 für große Aufregung gesorgt hat. Das war schon immer ein scheußlicher Moment, der einfach nicht passieren darf.
Ich denke, ich weiß, weshalb sie aus Severine als Figur eine ehemalige Kinder-Sexsklavin gemacht haben und grundsätzlich verfolgt man auch bei ihr den Ansatz, etwas über Bond-Tropen zu erzählen, über die inhärente frauenfeindliche Misogynie, die von Anfang an nun mal immer ein Kern der Filme gewesen ist. Es gibt aber bei Severine keinen Bruch, der das ganze als Kommentierendes Element aufzeigen könnte, und so ist es leider einfach nur frauenfeindliche Misogynie. Vielleicht sogar der schlimmste Fall davon in allen Bond-Filmen zusammen.
Wie Bond sich an sie heranschleicht und die zittrige Frau unter der Dusche nimmt, wie unnötig grausam ihr Ableben ist und wie kaltschnäuzig Bond das mit einem dummen Witz quittiert ... Ich unterstelle den Herren Mendes und Logan, dass ihre Intention eine Noble war, aber in der Umsetzung sind sie lachend in eine Kreissäge gelaufen.