The Godfather Coda: The Death of Michael Corleone
Casino Hille hat geschrieben: 17. Dezember 2020 15:53
irgendwann hat man den richtigen Zeitpunkt für einen weiteren Spaß einfach versäumt und dann gibt es auch keine weitere Chance mehr
Bitte entschuldige, lieber Hille, dass ich dein Zitat so dermaßen aus dem Zusammenhang reisse, aber es bildet für meinen kurzen Eindruck über die neue Fassung des 3. Paten einfach die perfekte Präambel.

Coppola hat also den allgemein eher ungeliebten Teil seiner Mafia-Saga einem späten Facelift unterzogen und man muss egal wie man zu den Änderung steht anerkennen, dass die neue Fassung sich deutlich von der bisherigen unterscheidet. Die auffälligsten Änderungen sind sicherlich die unübersehbaren Überarbeitungen zu Beginn und am Ende des Films. Der Film beginnt nun wie man es bereits aus dem Bonusmaterial der BD kannte mit dem Treffen zwischen Michael, BJ und dem Erzbischoff und der Anbahnung des Immobiliare-Deals. Ob diese deutlich vorgezogene Sequenz nun inhaltlich wirklich Sinn ergibt, darüber lässt sich trefflich diskutieren. Inhaltliche Auswirkungen hat sie zumindest insofern, dass der Immobiliare-Deal den ganzen anschliessenden Film hindurch in der neuen Fassung nun deutlich weniger als Synonym für die Reue und den Absolutionswunsch Michaels wirkt, sondern vielmehr wie ein weiteres Mafiageschäft im legalen Deckmäntelchen (ich weiss, das stimmt nicht so ganz, da es immer noch genügend Momente gibt, in denen Michael den Wunsch nach künftiger Legalität seiner Geschäfte betont, aber das ist nun eben durchmischt und nicht mehr so eindeutig wie zuvor).
A propos Reue/Absolutionswunsch: die deutlich gravierendere Auswirkung des neuen Anfangs ist das Weglassen des Rückblicks auf Teil 2 (Fredos Tod), was in meinen Augen ebenfalls essentiell für die Motivation Michaels ist. Warum Michael nun überhaupt legale Geschäfte anstrebt und warum er später beichtet ergibt nun nicht mehr so recht Sinn. Ein weiteres Problem des neuen Anfangs ist, dass durch den sehr uneleganten Übergang von der Immobiliare-Szene zur Feier (die Ehrung Michaels in der Kirche ist auch weggefallen, wodurch sein im Off vorgetragener Brief an seine Kinder und sein Wunsch, sie mögen der Feier beiwohnen nun sehr unrund wirkt) diese lange Sequenz nun einen sehr holprigen Start bekommt. Statt wie bisher langsam vorbereitet geht nun alles hopplahopp und bevor man erfährt, was die Italo-Familie da eigentlich feiert vergehen rund 5 Minuten. Dieser "hopplahopp"-Eindruck hält sich dann auch den ganzen Film hindurch, da Coppola in diversen Szenen Kürzungen vorgenommen oder sie gleich ganz entfernt hat. Das hat zur Folge, dass die Figuren deutlich weniger entwickelt werden wie bisher. Das mag weniger für die Hauptfiguren gelten, aber gerade Don Altobellos Screentime wurde merklich runter gekürzt und aus dem sinistren Strippenzieher ist nun eher ein Handlanger geworden.
Coppola hat auch in diversen Szenen Hand an den Soundtrack gelegt, indem er neue Musik und Geräusche hinzugefügt hat. Auch das wirkt merkwürdig deplaziert - etwa wenn Promise me you'll remember in der Instrumentalfassung angespielt wird wenn Michael seiner Tochter sagt, er würde für sie durch die Hölle gehen oder wenn während des großen Mafiatreffens in Atalantic City immer wenn die Türen zum Saal aufgehen laut Spielautomatenlärm zu hören ist (eine besonders merkwürdige und aufdringliche Ergänzung). Am schlimmsten hat es diesbezüglich das Finale getroffen, in welchem die wunderbare Cavalleria Rusticana zusammengschnitten wurde, damit Coppola auch hier schneller zum Punkt kommen darf. War gerade diese finale Szene im Anschluß an die Tragödie vor der Oper ein geradezu poetischer Abschluß der gesamte Trilogie (und damit der Geschichte Michaels) wird dieser wunderbare Ryhthmus nun radikal gebrochen. Auf den titelgebenden Tod des alten Paten muss man dann auch gleich noch verzichten, bekommt als Ersatz aber eine sizilianische Binsenweisheit in Schriftform serviert.
Au weia, da hätte der gute FFC mal lieber seine Finger von dem bislang so ungeliebten Film gelassen. Erstaunlich (oder eigentlich auch nicht) ist ja, dass viele Kritiker die neue Fassung explizit dafür loben, dass nun vieles "schneller zum Punkt kommt". Und das stimmt auch fraglos, allerdings halte ich es für fragwürdig, ob dies nun für ein betont episch angelegtes Werk (wie es ein Paten-Film nun einmal ist bzw. sein sollte) tatsächlich erstrebenswert ist. Als Fan des Films (in seiner bisherigen Fassung) muss ich jedenfalls konstatieren, dass vieles von dem was mir an dem Film bisher so gut gefallen hat (langsamer, aber schlüssiger Aufbau, tiefgehende Figurencharakterisierung auf breiter Ebene, bewusster und schlüssig motvierter Charakterbruch der Hauptfigur, wunderbare Atmosphäre) nun in nicht unerheblichen Maße unter den Veränderungen leidet. Da kann der ganz alte und ganz schmale und ganz graue Francis Ford in der Einführung vor dem Film noch so sehr seine Beweggründe für die neue Fassung schildern: es fühlt sich an wie der aussichtslose Versuch eines alternden Mannes ein eher ungeliebtes Werk im Nachhinein noch irgendwie zu retten.