Die 10er Skala wurde ursprünglich wohl eingeführt, um Filme zu bewerten. Wer auch immer sie eingeführt hat, kannte Sergio Leone allerdings nicht.

Unglaublich, der Kerl. "Once Upon A Time In The West" ist vermutlich der vollkommenste Film überhaupt, der filmischste und ästhetischste, teils auch der abstrakteste. Trotzdem geht der Film unter die Haut, weil er als Kunstwerk, als ästhetisches Werk, nur durch die Art, wie er existiert, wie er erzählt, ergreifend ist. Der Film ist eigentlich eine Aneinanderreihung verschiedener Sequenzen, die eher zufällig ein ganzes formen und miteinander in Kontakt stehen, aber das gar nicht müssten, weil sie ein geschlossenes Erlebnis bilden, dass sich mit den Trivialitäten einer zu erzählenden Geschichte nicht mehr beschäftigen muss oder eher müsste. Denn trotzdem erzählt der Film über seine Figuren hinaus eine Geschichte. Eine Geschichte über den Untergang einer alten Welt, die der neuen Welt weichen muss und all ihre Anhänger folglich mit in den Abgrund ziehen muss und wird, eine Geschichte, in der die alte Aufrichtigkeit, die alten antiquierten Werte und Vorstellungen von Ehre und Ehrbarkeit dem schöpfendem Bemühen des Kapitalismus erliegen. Und eine Geschichte darüber, wie die Menschen, die an diesem Kurswechsel zu Grunde gehen, letztlich alle als Individuen durch ihr Handeln im Leben ihr Schicksal (welches oft der Tod ist) selbstbestimmt haben. All das wird schlussendlich zusammengehalten von dem alttestamentarischem Begehren nach Rache und Vergeltung, dem Hoffen auf Absolution für die Vergangenheit, den niedersten Instinkten des Menschen, die alle Zeiten überdauern. OUATITW ist durch die einleitende Floskel des Titels sicherlich ein Märchen, in gewisser Hinsicht auch eine Fabel, doch den Titel blendet Leone erst in der allerletzten Szene ein, er schließt das Geschehen ab, statt es einzuleiten. Somit entpuppt sich das operettenhafte Epos über die Mythen des Westerns nicht als glorifizierte Verklärung der Zeit oder romantisierte Bertrachtung, sondern als Abgesang und Nachruf. Das große Schlussduell des Films findet in einem unspektakulärem Hinterhof statt, die gesamte Daseinsberechtigung des Protagonisten Mundharmonika hat für die eigentliche Geschichte Sweetwaters selbst nur sekundäre Bedeutung und die Länge des Filmes erklärt sich in dieser Hinsicht auch nur durch die Verletzung, die er am Anfang erleidet. Wunderschön, wie der Zuschauer in der ersten Szene durch die Kameraposition von einem Zug überrollt wird, der kurz darauf die Hauptfigur Jill in der alten Westernstadt (der alten Welt) ankommen lassen wird und in der abschließenden Szene mit seinem erneuten Auftritt das definitive Ende des Westens besiegelt und damit die Welt von Männern wie Cheyenne ebenso überollt. OUATITW erweist sich wieder einmal als einer der intellektuellsten und wunderschönsten (weil einfachsten) Filme, die ich je gesehen habe. Das sind 166 Minuten pures Kino, reine Gefühlsekstase, nicht endenwollend, einvernehmend, allumfassend.
Keine Ahnung, ob es der beste Film aller Zeiten ist oder sogar der sprichwörtliche perfekte Film, aber mit diesen Fragen sollte man sich dieses fantastische Seherlebnis ohnehin auf gar keinen Fall kaputt machen. Und Claudia Cardínale sah wieder umwerfend attraktiv aus, sicherlich eine der schönsten Frauen aller Zeiten. Da wäre man gerne Henry Fonda gewesen.