322
von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Catwoman
Hautenges Lederoutfit, katzengleiche Bewegungen und mehr Energie als eine Rugby-Mannschaft - welcher Mann kann da schon nein sagen? Bereits in Tim Burtons 1992er Comicadaption "Batmans Rückkehr" machte Michelle Pfeiffer die Männer (unter ihnen der legendäre Fledermaus-Rächer) als verschlagene Meisterdiebin Catwoman verrückt. 2004 war nun der französische Regisseur Pitof an der Reihe, "seine" Hauptdarstellerin Halle Berry zum Blickfang des männlichen Publikums zu machen. Und siehe da: Berry, die als Mutantin Storm im "X-Men"-Franchise bereits Erfahrungen im Comicfilm-Metier machen durfte und in "Stirb an einem anderen Tag" schon mit "Superheld" James Bond flirtete, macht im Katzendress eine ausgezeichnete Figur. Viel mehr positives bleibt über "Catwoman" aber leider nicht zu sagen, denn die Verfilmung aus dem Hause Detective Comics dürfte als Musterbeispiel in die Geschichte eingehen, dafür, wie man Fans und Normalzuschauer gleichermaßen hintergehen kann.
Gotham City oder gar Batman selbst spielen in Pitofs Film keine Rolle: "Catwoman" nutzt lediglich wenige Motive der beliebten Vorlagen und legt sein Augenmerk lieber auf die lasziv posierende Hauptdarstellerin. Leider bleibt eine nachvollziehbare Geschichte dafür auf der Strecke. Schon von Beginn an überlädt Pitof beinahe jede Szene, baut wilde Kamerafahrten über CGI-Straßenzüge ein und lässt Cutterin Sylvie Landra mitten in Dialogen aufgeregt hin und her schneiden, als stünde sie unter permanenter Anstrengung. So macht "Catwoman" von Anfang an einen furchtbar gehetzten Eindruck, als wäre die Inszenierung eine lästige Qual für alle Beteiligten gewesen. Derweil sieht der Zuschauer eine Halle Berry, die als Mauerblümchen Patience Phillips mindestens ebenso übereifrig und zappelnd ans Werk geht, nur um nach einem kleinen Säurebad à la Joker zum erotischen Männertraum zu werden. Akklimatisation - wozu denn? Patience hat für ihre körperlichen Veränderungen und ihre neuentdeckten Fähigkeiten nur ein müdes Lächeln übrig und ist nach fünf Sekunden der Verwunderung bereit, die alte Garderobe gegen Lack und Leder einzutauschen und sich den süßen Cop von Nebenan zu angeln... ach ja, und da sie irgendwer ja auch ermordet hatte, will sie den dann wohl auch noch finden. So genau wissen kann man das eigentlich nicht, die Motivation muss oft erraten werden. Besonders absurd gerät das, als Frances Conroy in der obligatorischen Mentoren-Rolle Patience von einem ominösen jahrhundertealten Katzenkult berichtet, was bei jedem denkenden Zuschauer sofort heftiges Kopfschütteln generiert... mit Ausnahme von Patience natürlich.
Die Geschichte ist tatsächlich noch einfallsloser, als man es sich vorstellen mag. Kaum hat Patience ihre Fähigkeiten entdeckt, lässt Pitof sie in mehreren überstilisierten Actionszenen ihre Katzen-Ähnlichkeit unter Beweis stellen. Ärgerlicherweise können die Computeranimationen dem hohen Budget von 100 Millionen Dollar nie gerecht werden. Allzu deutlich springen hier modellierte Pixel mit langen Ohren und Peitsche durch die Lüfte, sodass man kaum gewillt ist, Halle Berry für ihr Alter Ego den Credit zu verleihen. Eine Bedrohung scheint das Drehbuch von immerhin drei Autoren auch nicht für nötig zu halten: Der aus "Matrix Reloaded" bekannte Lambert Wilson und die völlig deplatzierte Sharon Stone spielen ein High Socitey Ehepaar, welches mit giftigen Kosmektikartikeln reich werden will und dafür über Leichen geht. Was hier zumindest in Ansätzen eine reizvolle Variation klassischer Schurkenpläne auf aktuelle Beispiele gemünzt hätte werden können, verliert spätestens dann an Glaubwürdigkeit, wenn das Botox-Wundermittel nicht nur abhängig macht und bei Absetzung schlimme Gesichtsnarben hinterlässt, sondern sogar übermenschliche Kräfte verleiht. Während das Script im Minutentakt an Infantilismus zunimmt, quält sich ein sichtlich unterforderter Benjamin Brett als männlicher Love Interest durch schräge Dialoge. Kaum erwähnenswert, dass der einzig gelungene Moment der blassen Liebesgeschichte ein im MTV-Musikvideo-Stil inszeniertes Basketball-Duell zwischen ihm und Patience darstellt. Bleibt noch Alex Borstein, die als humoristischer Einschub nicht nur nicht zünden will, sondern um die auch noch ein Subplot aufgemacht wird, den Pitof am Ende glatt zu vergessen scheint. Damit bleibt Borsteins Charakter eine herausstechende Kuriosität in den auch sonst kuriosen 104 Minuten Spielzeit.
Besonders ärgerlich gerät "Catwoman" dann, wenn er versucht, emanzipatorischen Charakter zu beweisen. Doch Patience scheint an der Entfaltung ihres inneren Ichs gar nicht interessiert zu sein. Die Dualität zwischen ihr und Catwoman akzeptiert sie nicht nur unglaublich schnell, sondern nimmt ihren neuen Bewusstseinszustand müde hin, weil sie ansonsten nichts anderes zu tun hat. So geraten manche heldenhaften Momente (kleines Highlight: Ein außer Kontrolle geratenes Riesenrad) ihrerseins zwar leicht charmant, retten aber nicht den Eindruck, dass der Janusköpfigkeit der Protagonistin vom Film und von ihr selbst mit konstantem Desinteresse begegnet wird. Dass jeder Eindruck einer starken unabhängigen Frau spätestens bei Berrys x-ter erotischer PG-13-Selbstinszenierung von Dannen ist, erklärt sich von selbst, und dem Entdecken der Weiblichkeit weicht zusehends die Angst um den rechtschaffenen Mann an ihrer Seite. Wenn sich Stone und Berry im Showdown zu merkwürdig mechanischen Klängen von Klaus Badelt in auf Hochglanz polierter Videoclip-Optik durch ein Modeatelier meterweit durch die Luft werfen, ist die unfreiwillige Komik das einzige Maß an Unterhaltung, welches "Catwoman" immerhin davor rettet, als das schlimmste Machwerk seiner Art in die Geschichte einzugehen.
Fazit: Predigen Frauenzeitschiften nicht schon seit Urzeiten die Gefahren des Schönheitswahns und prangern die bösen Pharmakonzerne an? Mit "Catwoman" hat Hollywood endlich eine Heldin gefunden, die sich dieser Ungerechtigkeit nicht nur mutig entgegenstellt, sondern dabei 12-jährigen Pubertierenden auch noch Fantasien ins Oberstübchen hämmert, von denen diese früher nicht mal geträumt hätten. Ja, Berry sieht fantastisch aus und gibt sich freizügiger denn je. Doch was nützt das, wenn Handlung und Ambitionen sogar noch dünner bekleidet sind als die Hauptdarstellerin? "Catwoman" wird Fans vor den Kopf stoßen, Feministinnen verärgern und hat dabei auch noch ne ganze Stange Geld gekostet. Wer das wie Patience rigoros verschmerzen kann, kann sich zumindest an mancher Albernheit erfreuen. Prädikat: Katzenjammer.
3/10
https://filmduelle.de/
https://letterboxd.com/casinohille/
Let the sheep out, kid.