Henrik hat geschrieben: 10. Oktober 2019 14:26
Ich würde eher sagen, das ist anders herum entstanden. Die persönlichen Bezüge sollen nichts vertuschen, sondern man hatte von Anfang an vor, den Film persönlicher zu machen und weil man das für so wichtig hielt, hat man den Fokus eher hierauf gelegt und nicht auf das Bedrohungsszenario
Das spielt keine Rolle. Wenn ich einen persönlichen Film machen will, muss er auch persönlich sein. Und wenn Mendes und Co. mit SP einen persönlichen Film machen wollten, haben sie auf ganzer Ebene versagt, denn der Film wird nie persönlich. Bond reagiert bis auf einen kurzen Moment in seiner Wohnung kein bisschen emotional auf die Geschehnisse um ihn herum. Weder erfahren wir etwas über seine Beziehung zu Franz Oberhausers Vater, noch wie James als Kind zu seinem "Adoptivbruder" stand. Alles, was den Konflikt (der gar keiner ist) zwischen Bond und Blofeld persönlich macht, sind ein paar Eckdaten aus ihrer Vergangenheit, die Oberhauser in seinem Monolog in der Folterszene aufzählt. Von dieser Szene abgesehen, und auch hier sind es nur ein paar Dialogzeilen, die das alles behaupten, gibt es keinerlei persönliches Involvement und keine persönlichen Konflikte für Bond im gesamten Film. Scheinbar hatte man die Idee, Bond eine persönliche Nebengeschichte zu geben, aber SP ist am Ende zu keiner Spur eine persönliche Geschichte. Der Einzige, den dieser Hintergrund zwischen Bond und Oberhauser noch weniger interessiert als Bond selbst, ist der Zuschauer. Warum? Weil der mit dem Monolog von Waltz nichts anfangen kann. Der denkt sich: Okay, gut zu wissen. Fertig. Es bereichert den Plot nicht, es bereichert die Charaktere nicht und es erklärt auch nichts, was vorher offen war. Es führt nur dazu, dass Bond im dritten Akt nichts mehr mit der Geschichte des Films zu tun hat, sondern vom eifersüchtigen Schurken entführt wird und einmal gezwungen ist, teilnahmslos durch die Ruine seines alten Büros zu laufen.
Ich kann mich an diesem Punkt nur wiederholen, aber jedes Drehbuchseminar widerspricht dem Aufbau von SP fundamental und das aus guten Gründen. Der Leitsatz guten Storytellings ist: Show, don't tell. Und SP erzählt zwei Geschichten gleichzeitig und verpasst in beiden diesen Spruch vollkommen. Er erzählt einerseits die Geschichte von Terroranschlägen (ohne einen Terroranschlag zu zeigen) und die Geschichte eines ominösen Überwachungsprogramms (ohne je deutlich zu machen, was genau dieses Programm für Auswirkungen hätte) und andererseits will er einen persönlichen Konflikt zwischen Bond und Schurke aufbauen, tut das aber erst nach zwei Stunden und dann ohne je mehr als ein paar Dialogzeilen in diese Beziehung zu investieren. Stattdessen perlt das alles am Helden einfach ab. Wenn Bond sowieso nur mit den Achseln auf so etwas zuckt, hat es im Film nichts zu suchen. Denn wenn es der Hauptfigur egal ist, dann hat es auch keine Auswirkungen auf sie und damit gibt es keinen Konflikt. Es ist also nicht mehr und nicht weniger als eine überflüssige Randnotiz.
Casino Hille hat geschrieben: 10. Oktober 2019 16:10
Warum Bond in Mexiko ist, erfahren wir zwanzig Minuten, nachdem er aus Mexiko schon wieder zurück ist. Als er in Ms Büro steht, wird er minutenlang angeschnauzt und kommt genauso schlau aus dem Raum, wie er reingegangen ist (de facto: eine überflüssige Szene, nur dazu drin, um C einzuführen, was man eleganter machen kann und sollte). Als wir erfahren, worum es ihm in Mexiko ging, wissen wir immer noch nicht, was jetzt los ist. Er folgt einer wagen Info seiner Ex-Chefin (wobei wir nie erklärt kriegen, woher sie ihre Info hat), und fährt nach Rom, ohne überhaupt zu wissen wonach er sucht.
Und das kann man sogar noch fortführen: Als er dann gefunden hat, wonach er suchte (die Existenz einer Geheimorganisation), folgt aus dieser Entdeckung nichts. Es steht irgendwie im Raum, dass diese Organisation, SPECTRE, irgendwas mit den Terroranschlägen zutun hat. Nur leider hat Bond im Film überhaupt keinen Bezug zu diesen Terroranschlägen. Weder hat er vorher versagt/triumphiert einen zu vereiteln, noch wurde er auf die Zerschlagung dieser Terrorzelle angesetzt. Er ermittelt planlos weiter, in der wagen Hoffnung, schon irgendwie was zu erreichen. Und von da an geht es immer so weiter, ohne ein echtes Ziel, aber immer mit Zwischenzielen (Mr. White, Madeleine, L'Americain, die Wüste). Als er dann im Krater ankommt, weiß er aus heiterem Himmel vom Zusammenhang zwischen Nine Eyes und Spectre (ja, das ist arg vorhersehbar, aber für die Charaktere sollte sowas nicht sonnenklar sein, und wenn doch, dann müssen wir verstehen warum). Nach der Folter von Brudi Blowy flüchtet er, informiert M (um Jahrhunderte zu spät), wird entführt und spielt mit seinem großen Bruder verstecken, anstatt sich noch ein Stück für Nine Eyes oder irgendwas anderes zu interessieren. Es ist nicht mal so, dass er aktiv Blofeld ablenkt, damit das MI6-Team das Einschalten des Programms verhindert. Bond ist im dritten Akt kein bisschen mehr aktiv (außer wenn er den Heli abschießt), er reagiert nur noch auf das, was Schurke Blofeld macht. Und das ist für einen Actionfilm fatal, denn gerade im letzten Drittel muss der Held aktiv werden, zurückkämpfen, sich dem Bösewicht stellen und ihn aus eigener Kraft besiegen (bzw. die Gefahr abwenden). Nichts davon passiert in Spectre und das ist ein unverzeihlicher Fehler im Genrekino.