dernamenlose hat geschrieben:Ich finde du interpretierst zu viel hinein.
Hehe, sehr schön, dass du das sagst, da ich hingegen unzufrieden war, noch lange nicht alle inhaltlichen Facetten der Handlung in meinem Review so umreißen zu können, wie ich es wollte und ich bin mir auch sehr sicher, noch nicht alles komplett durchdrungen und verstanden zu haben, weil da noch eine Menge verborgen liegt, sehr vieles eröffnet sich eigentlich erst mit dem Ende oder sogar in der Nachbetrachtung, aber das wichtigste (also das, was ich versprachlicht habe) hat sich direkt während der Sichtung aufgetan und sind (ob bewusst oder nicht) sehr schöne Allegorien und eingeflochtene Metaphern, die beispiellos gut die eigentliche Handlungsebene bereichern, ohne jemals ihr nur dienend zu begegnen oder gegenteilig zu sehr in den Vordergrund zu treten. "The Hateful Eight" ist schon sehr komplex, aber das eigentliche Kernthema, der "Hass" (eine der wohl komplexsten Emotionen), wird wundervoll aufgedröselt und so elegant mit den narrativen und ästhetisch unangreifbaren Methoden Tarantinos verzahnt, dass es eine wahre Freude gewesen ist und wie Hateful Eight gleichermaßen Sympathieträger aufbauen lässt und sie in die Tiefe stürzt wie Antagonisten zu entwickeln und diese umzukehren, sodass man schlussendlich nur das zertrümmerte Individuum sieht, ist große (nicht ausschließlich) intellektuelle Kunst und pures Erzählkino. Schade, dass noch so viel anderes auf dem Zettel steht, sonst wäre ein zweiter Kinobesuch längst geplant.
GoldenProjectile hat geschrieben:Russells und vor allem Jacksons Performances, so toll ich sie auch fand, überschatten einfach alles und jeden
Dieser Kritikpunkt ist wohl völlig nachvollziehbar und in jeder Hinsicht berechtigt (so wie allgemein deine geäußerte Kritik an The H8ful 8 Hand und Fuß hat und ich ihr (ähnlich wie du mir) kurioserweise nur zustimmen kann). Allerdings ist nun die Frage, ob man die angedeuten Charaktere der vier weiteren Hütteninsassen wirklich ausgebaut hätte haben wollen oder ob man sie in ihrer verknappten (leicht geheimnisvollen, was inhaltlich sogar besonders schlüssig wäre) Art nicht als eigentlich ideal zur Stimmung und Atmosphäre des Filmes passend empfindet. Hier stellt sich dann auch die Frage, ob Kammerstücke ganz allgemein (12 Angry Men, Das indische Tuch, Murder On The Orient Express) besonders davon profitieren, alle Charaktere stark auszubauen oder ob hier in der Kürze und Spritzigkeit nicht die Würze verborgen liegt (und damit 1 Euro fürs Phrasenschwein, aber wenn es doch so gut passt). Besonders Dern trifft für mich eigentlich den Nagel auf den Kopf und verrät mir sehr früh alles, was ich über ihn wissen muss (um selbst dies im Schlussteil umzukehren), auch Tim Roth (der überdeutlich von Dr. King Schultz aus Django Unchained inspiriert ist) ist dermaßen aneignend, dass sein Charakter ohne genauen Background völlig offen vor mir liegt (jedenfalls scheinbar). Ja, Bichir und Parks bleiben hinter ihren Bärten schauspielerisch limitiert zurück, sind damit aber notwendige figurliche Konterparts zu den dominanten Dialogträgern, während Michael Madsens Rolle die spannendste des Films zu sein scheint, um dann famoserweise als etwas ganz anderes zu enden.
GoldenProjectile hat geschrieben:Was mich aber verwundert und ehrlich gesagt auch etwas enttäuscht (im Sinne von: "schade") ist dass dir Tarantinos Werk vor den beiden letzten Filmen bzw. der supergeniale Inglourious Basterds nicht zusagt
Aber dazu muss man sagen, dass ich schon IB deutlich besser fand als nahezu alle Tarantino Filme davor (obwohl ich Reservoir Dogs glaube ich auch mochte) und mich da gut unterhalten fühlte, 7-8 Punkte wäre der mir schon noch wert. Ich mag aber glauben, dass ich den im Kino nicht richtig verstanden habe oder doch gar zu vorbelastet im Kinosaal Platz nahm... möglich ist das und The Hateful Eight ist ein idealer Anheizer, mir einige von Tarantinos Prä-Django Arbeiten vorzunehmen und diese neu kennen zu lernen. Vielleicht ändert das für IB ja noch mal etwas, aber das er mit den hasserfüllten Acht (eigentlich Neun) mithalten kann, halte ich für unwahrscheinlich.
An alle, die Hateful Eight bereits gesehen haben: Wie interpretiert ihr das "Geheimnis" des Jackson-Charakters, welches er im späterem Verlauf mit Bruce Dern und den anderen Handlungsträgern teilt? Ist das eine tatsächliche Nacherzählung einer wahren Begebenheit oder dann doch eine dreiste provokante Unwahrheit?