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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
James Bond 007 - Feuerball
He always runs while others walk - Nach dem er bereits in drei Filmen aus dem unvergleichlichen Gentleman-Agenten James Bond eine Ikone der Popkultur gemacht hatte, war es nur folgerichtig, auch den vierten Film der Reihe komplett auf ihn zuzuschneiden. Sean Connery war 1965 so sehr auf dem Höhepunkt, wie seine Rolle selbst, seit durch "Goldfinger" eine regelrechte Bond-Manie ausgebrochen war. Das Verlangen nach einem neuen Film war immens hoch und mit der Adaption von Ian Flemings "Feuerball" schickten die Produzenten Albert R. Broccoli und Harry Saltzman James Bond in ein weiteres Abenteuer, dass sich auch vor heutigen Actionfilmen nicht verstecken muss und für viele Fans (richtigerweise?) einer der Klassiker der Reihe geworden ist.
He acts while other men just talk - "Feuerball" ist ein Film der Superlative: Die schönsten Strände, fiesesten Schurken, erotischsten Frauen und der männlichste aller Filmhelden versammeln sich in einem Kampf, in dem es dieses Mal um nichts geringeres, als das Schicksal der ganzen Welt geht, welches von SPECTRE durch zwei gestohlene Atombomben bedroht ist. Eine Bedrohung, die auch heute noch Angst macht und nichts von ihrer Aktualität verloren hat. Nie schien 007 mehr gebraucht als hier. Und Regisseur Terence Young, der hier zum dritten und letzten Mal inszenierte, weiß genau, was er seinem Publikum bieten will. Nach einem glänzend unterhaltsamen Intro, das wie schon in "Goldfinger" als Bond-Film in kleinem Format funktioniert, hetzt er regelrecht durch seine Geschichte. Dabei stolpert sein Protagonist anfangs noch eher zufällig in das Komplott. Die Szenen im Hotel Shrublands sind amüsant und leiten die Handlung gekonnt ein, zumal sie bereits relativ früh Bond in Bedrängnis bringen und von Anfang an klar machen: Diesen Sieg wird er sich verdienen müssen. Erst dann geht es nach Nassau und wie Youngs Film dort beginnt, aufzuatmen und aus den Vollen zu schöpfen, ist eine Wohltat. Das Flair der Bahamas wird hervorragend eingefangen und das Timing stimmt auf den Punkt. Ein wenig Action hier, ein wenig Ermittlungen dort und das gegenseitige Abtasten zwischen Bond und dem von Adolfo Celi herrlich klischeehaft gespieltem Emilio Largo ist unfassbar charmant inszeniert und stets glaubhaft aus der Handlung heraus entwickelt.
He looks at this world and wants it all - Diese versteht sich ohnehin eher als Episodenfilm, denn Langezeit, praktisch die komplette mittlere Stunde über, hangelt sich Bond von einem Abenteuer ins nächste und das derart flüssig und vorantreibend, dass man nie das Gefühl bekommt, auf der Stelle zu stehen oder etwas verpasst zu haben. Extrem fördernd ist dabei auch der Soundtrack von Maestro John Barry. Mehr denn je verleihen seine auffälligen und exzentrischen Themen dem Geschehen auf der Leinwand Konturen und ziehen den Zuschauer tiefer in den Bann. Die Nebendarsteller waren ebenfalls selten so gut besetzt wie hier. Rik van Nutter ist zwar als Felix Leiter von der CIA wie schon sein Vorgänger Cec Linder völlig fehlbesetzt, neben Connery und Celi ist aber ansonsten mit Bernard Lee als "M", Lois Maxwell als Miss Moneypenny und Desmond Llewelyn von Abteilung "Q" alles im gewohnten Rahmen, Claudine Auger als Domino und Martine Beswick als MI6-Agentin Paula bringen dazu dann noch ordentlich Exotik und Erotik ins Spiel und verleihen der Handlung den nötigen Sexappeal. Übertroffen werden sie aber darin von der Italienerin Luciana Paluzzi als SPECTRE-Killerin Fiona Volpe. Nicht nur, dass ihre Optik alleine das männliche Publikum zufrieden stellen sollte, ihre Vorstellung selbst ist ebenfalls astrein und ihre Konfrontationen mit Bond ein Genuss. Da sie als sein böses Spiegelbild dargestellt sogar einige seiner Charakterzüge mit sich bringt, darf sie zudem in einem toll geschriebenen Monolog ausführlich über den Charakter und die Arroganz des 007 ablästern. Mehr Selbstironie seitens der Produzenten geht nicht, a propos gibt es ohnehin wohl kaum einen Bond-Film, in dem so viel gelacht werden kann und der mit so vielen zitierenswürdigen Onelinern punktet und das alles, ohne das je die Dramatik darunter leiden würde.
So he strikes like Thunderball - Auch die Inszenierung von Action hat Young nicht verlernt. Knallharte Faustkämpe, wie im Intro oder Dénouement bestimmen das Gesehen, dazu gesellen sich noch eine Verfolgungsjagd über den Karnevalszug "Junkanoo", ein Ausflug in ein unangenehm enges Haibecken und eine große Unterwasserschlacht im Showdown. Diese (und auch die anderen unter Wasser gefilmten Szenen) ist Youngs letzter großer Triumph. Neben den absolut lupenreinen Aufnahmen ist es auch hier wieder das ausgewogene Verhältnis, das einfach stimmig ist. Erst bestimmt durch Action und Gewalt auf dem Schlachtfeld, wendet sich die Sache mit dem Auftreten Bonds ins ironische und trotzdem spannende, wenn dieser wie schon bei den Szenen im Zigeunerlager in "Liebesgrüße aus Moskau" eher einen Rundgang durch die Szenarie macht, statt selbst aktiv am Kampf teilzunehmen. Es passt zur britischen Attitüde des Charakters und auch insgesamt zu einem Film, der sein Übermaß an Gewalt nie ernster nimmt, als es eigentlich gemeint ist.
Fazit: Mit zwei Atombomben die Welt erpressen zu wollen, ist ein ungeheures Vorhaben und bietet sicher genug Stoff für eine dramatisierende Auseinandersetzung mit der Angst vor einem nuklearen Anschlag. Doch Angst und Panik gibt es im normalen Leben zuhauf und so ist es schön, dass die Produzenten diese Thematik nur als Aufhänger dafür nutzen, uns in eine andere Welt zu entführen und gemeinsam mit einem starken Helden an all den kleinen Abenteuern seines Alltages teilhaben zu lassen. Nicht falsch verstehen, "Feuerball" ist natürlich trotzdem spannend und auch ernst genug, um nicht albern zu sein, aber in erster Linie geht es um Spaß und den hat man, sofern es einem gelingt, sich voll und ganz dem Treiben auf der Leinwand hinzugeben. "Feuerball" ist ein Film, der jeden begeistern wird, der bereits die Vorgänger mochte und jeden vor den Kopf stoßen dürfte, der dies nicht getan hat, aber er ist eben nicht nur technisch einwandfrei, durch seine optischen Vorzüge schick anzusehen und dramaturgisch durchaus clever angelegt. Er ist vor allem eben auch eines: Bond at it's best!
9/10
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Let the sheep out, kid.