449
von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Bin mit meinen MCU-Reviews nun also beim fünften Film angekommen. Bühne frei für Captain America!
Marvels Captain America: The First Avenger
Bevor es zum ersten großen Crossover im Marvel Cinematic Universe kommt, muss noch ein letzter Held in Stellung gebracht werden. Nach dem Jon Favreau und Robert Downey Jr. mit "Iron Man" 2008 einen herrlich gelungenen Spaß hinlegten, folgten Louis Letteriers "Der unglaubliche Hulk" und später noch Kenneth Branaghs "Thor". Nur ein Charakter ist nun noch übrig, um die Heldentruppe der Avengers zu vollenden: der älteste von allen. Mit Captain America versucht sich Regisseur Joe Johnston an einer Comicfigur, die bereits 1941 erfunden wurde und deren hurra-patriotische Erscheinung heute bestenfalls anachronistisch erscheint. Ironischerweise präsentiert sich genau so auch sein Film: wie ein Relikt aus einer älteren Zeit. Und leider keine der berüchtigten "guten alten" Zeit.
Gemäß der Vorlage befinden wir uns mit dem Protagonisten Steve Rogers also im zweiten Weltkrieg, wenn man auch natürlich keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der damaligen Geschichte erwarten sollte. Der wahre Irrsinn ist aber, dass Johnston seinen Film vollständig zu entpolitisieren versucht. Obwohl die Nazis sich in der Vergangenheit schließlich schon oft als die perfekten Filmbösewichter erwiesen haben und wegen ihres puren Schwarz/Weiß-Denkens perfekt in seichte Popcorn-Filme passen, wollte Johnston den Spielplatz "World War II" wohl gänzlich ohne ernste Themen wie Nationalsozialismus nutzen. Kurzerhand entstammen die Gegner für den Captian hier also einer Forschungsabteilung der Nazis, deren Anführer Johann Schmidt so böse ist, dass sich selbst Adolf Hitler von ihm distanziert. Bereits hier fällt es dem Zuschauer schwer, das Geschehen auf der Leinwand überhaupt ernst zu nehmen, noch schlimmer wird es, wenn ein alberner Twist im Mittelteil den Antagonisten gänzlich lächerlich erscheinen lässt. Später zeigt Johnston zwar ein paar andere Seiten, die in Richtung einer satirischen Auseinandersetzung mit dem Thema US-Patriotismus gehen, besonders eine Musicaleinlage von Komponist Alan Silvestri wäre mit urkomisch noch untertrieben bezeichnet, doch alle anderen Versuche geraten entweder zu mühsam oder zu mutlos. Der sonstige Humor ist zwar tatsächlich recht witzig und in Fülle vorhanden, aber eben das typisch ironische Sprücheklopfen, dass man aus diesem Genre gewohnt ist. Immer wieder schimmert sonst kurz durch, dass in "Captain America" mal ein interessanter Film gesteckt haben muss, der in dieser Form jedoch ziemlich halbgar erscheint.
Im Kontrast zur entschärften Thematik hätte wenigstens die Geschichte oder die Action einen Anreiz bieten müssen. Doch auch hier sieht es nicht sonderlich aufregend aus. Die Origin-Handlung über den "First Avenger" ist vermutlich das langweiligste, was man in dieser Hinsicht schreiben konnte. Eigentlich hat Rogers schließlich gar keine Motivation und über seine Beweggründe erfährt man auch nur das nötigste: er ist einfach vom tiefsten Herzen Amerikaner. Schön für ihn. Aber nicht sonderlich geeignet dafür, den Zuschauer zu bewegen oder mitzureißen. Dass seine Charakterentwicklung später nur ein paar zusätzliche Muskeln betrifft, ist ein zusätzliches Problem. Da hilft auch die Entwicklung seiner Freundschaft zum von Sebastian Stan gespielten Bucky Barnes oder der weibliche Agent Peggy Carter als sein Love Interest recht wenig. Wirklich Emotionen oder Chemie sucht man zwischen diesen Paarungen vergeblich, sind sie doch allesamt bestenfalls öde und ausgelutschte Stereotypen, die schon vor zwanzig Jahren niemanden mehr vom Hocker gehauen hätten, die Beziehungen unter einander werden vom Script lediglich behauptet. Besser sieht es da mit der Optik, nicht aber unbedingt mit der Action aus. Denn wo Johnston optisch besonders durch den schicken Retro-Look ein angenehmes Abenteuergefühl verspüren lässt, sind die meisten der Actionsequenzen zu Effekt geladen und in vielen Belangen schrecklich künstlich, sodass man weder die Helden noch die (gesichtslosen) Feinde als organische Elemente innerhalb der Action erkennen kann. Am „besten“ aber ist eine Motorradverfolgungsjagd, die ohne erkennbaren Grund und ohne richtigen Anfang einfach plötzlich einleitet und ähnlich merkwürdig endet, ohne wirklichen Zusammenhang mit dem Rest des Filmes. Kurios!
Nun stellt sich die Frage, was man hätte besser machen können. Tatsächlich ist es aber im Fall von "Captain America" besonders das Gefühl, alles schon einmal gesehen zu haben, dass einen langweilt. Wo Jon Favreau bei "Iron Man" der bekannten Blockbuster-Formel etwas Frisches abgewinnen konnte, bedient Johnston jeden Stereotyp ohne Eigeninitiative. Damit tut er zwar niemandem wirklich weh, kann aber auch nie sonderlich begeistern. Die Besetzungsliste tut ihr übriges. "Matrix"-Bösewicht Hugo Weaving langweilt sich sichtbar durch seine müde Nazi-Rolle, Chris Evans bleibt als Protagonist austauschbar, unauffällig und fällt besonders in der ersten Hälfte dank CGI-Körper durch hölzerne Mimik auf. Stanley Tuccis und Tommy Lee Jones Gastauftritte sind zwar nett, aber eben nicht sonderlich wichtig im Gesamtkontext und Hayley Atwell kann in der langweiligsten filmischen Frauenrolle seit Jahren ebenfalls nicht wirklich glänzen. Wirklich Spaß macht nur Dominic Cooper, der als Iron Mans Vater Howard Stark eine charismatische Robert Downey Jr. Interpretation zum Besten gibt.
Fazit: Ganz so negativ wie es klingt ist "Marvels Captain America: The First Avenger" vermutlich nicht. Handwerklich unterscheidet er sich kaum von anderen Marvel-Filmen und mit seinem reichhaltigen Humor, dem netten 40er Look und Alan Silvestris Soundtrack (wird auch für das Crossover komponieren) sind für einen seichten Freitagabend-Blockbuster genug Zutaten enthalten. Aber eben zu wenige, um über diesen Abend hinauszureichen. Dass in diesem zweiten Weltkrieg nicht mal die Nazis die Bösen sein dürfen, man durch Laserwaffen keine Leichen (in deutschen Uniformen) hinterlässt und die Handlung älter als die Steinzeit ist, ist dabei weniger das Problem. Doch mit der konzeptlosen Action, den belanglosen und langweiligen 08/15-Charakteren und dem penetrant-nervigen CGI-Einsatz leistet sich Joe Johnstons Film hier das schlimmste Vergehen: großspurig auftretende Langeweile! Bleibt zu hoffen, dass der nach dem Abspann angeteaserte "The Avengers" wieder an die Qualität der deutlich besseren Vorgänger anknüpfen kann.
4/10
https://filmduelle.de/
https://letterboxd.com/casinohille/
Let the sheep out, kid.