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von AnatolGogol
Agent
Wie ich schon sagte finde ich das „wie“ in dieser Debatte wesentlich entscheidender als das „was“. Wir leben in einem freien Land und da sollte Meinungsfreiheit eigentlich respektiert werden. Wenn Herr Özil also das Bedürfnis hat Herrn Erdogan zu treffen, dann sollte man ihm dies auch zugestehen. Problematisch ist dabei nur, wenn jemand wie Özil auf der einen Seite bei der Nationalmannschaft die Werbetrommel für Integration und Toleranz, auf der anderen Seite dann aber bewusst oder unbewusst die Wahlkampfwerbetrommel für Herrn Erdogan rührt. Ebenso problematisch ist der Umgang des DFB: entweder ich stehe zu den von mir propagierten Werten, dann ist das Verhalten von Herrn Özil nicht tragbar für einen Vertreter der Nationalmannschaft. Oder es ist mir vollkommen schnuppe und ich gehen nur opportunistisch danach, was mich möglicherweise sportlich besser dastehen lässt: dann kann ich aber eben auch nicht marktschreierisch als Vertreter der nationalen demokratischen Werte auftreten. Wie gesagt: grundsätzlich sollte eine Demokratie tragfähig genug sein beides zu ertragen. Unerträglich ist jedoch die gerade in dieser Debatte offensichtliche Geisteshaltung „ich kann allen Seiten irgendwie gerecht werden“, was nur zur Folge hat, dass man keiner Seite gerecht wird.
Letztlich ist es eine Frage der Definition und da hat man sich beim DFB seit Jahren eindeutig positioniert: die Nationalmannschaft ist nicht nur der sportliche Vertreter Deutschlands auf dem internationalen Fussball-Parkett sondern darüber hinaus auch der Botschafter der demokratischen Werte unseres Landes. Und hier liegt der Hase im Pfeffer: bei solch einem selbsterhobenen Anspruch muss ich bzw. mein Personal (also sowohl Funktionäre, sportliche Führung als eben auch die Spieler) dem gerecht werden, da reicht dann eben nicht nur der deutsch Pass als "Legitimation". Hier ist dann auch ein eingebürgerter Spieler wie z.B. Cacau, der sich vollständig mit den deutschen Werten identifiziert und diese auch vorlebt deutlich glaubwürdiger, als ein in Deutschland geborener Spieler mit Migrationshintergrund, der sich nur aus sportlichen bzw. karrieretechnischen Überlegungen für die deutsche Elf entschieden hat, dem gleichzeitig das ganze Wertegedöns aber eigentlich vollkommen egal ist, es aber trotzdem als Repräsentant und (wichtig!) Werbefigur mitträgt. Nur Rechte, aber keine Pflichten funktioniert halt so gut wie nie und daher ist es eigentlich auch nur recht und billig, dass sowohl dem DFB als auch Herrn Özil dieses ganze unsägliche Thema derart um die Ohren fliegt, weil keiner die Notwendigkeit verspürt hat sich eindeutig zu positionieren und klar Stellung zu beziehen bzw. die Verantwortung für seine Ansichten zu übernehmen.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"