Die Filme von John Carpenter
- Martin007
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Ich getraue mich fast nicht es zu schreiben, aber "In the Mouth of Madness" -der hier ja gar nicht gut wegkam- ist eigentlich mein Lieblings-Carpenter. Ich finde die Atmosphäre des Films klasse, Neill und Prochnow überzeugen ebenfalls sehr.
- ToshTogo
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Gestern Abend ging es bei mir mit The Thing weiter, der mich nach Halloween tatsächlich nochmal ein Stück mehr begeistern konnte und diesen damit vom dritten Platz in meinem persönlichen Ranking stößt. Audiovisuell ist der Film eine echte Macht. 9/10 Punkten.
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Definitiv mein liebster Carpenter und einer meiner absoluten Lieblingsfilme überhaupt. Der ist auch heute noch unheimlich (gut) und verdammt widerlich und beeindruckend.
DAS wäre für mich Carpenters Meisterwerk, gefolgt von Halloween. Bisher kommt da einfach nichts dran. Habe aber auch einige Filme nicht gesehen.
DAS wäre für mich Carpenters Meisterwerk, gefolgt von Halloween. Bisher kommt da einfach nichts dran. Habe aber auch einige Filme nicht gesehen.

- Casino Hille
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Die Klapperschlange
Deutsche Filmtitel sind eine Wissenschaft für sich. Oft entscheiden Verleihe, die Originaltitel eines Films zu ignorieren, um auf eingängigere Formulierungen zu setzen. Anstatt die Komödie „Stripes“ einfach „Offiziersstreifen“ zu nennen, heißt sie hierzulande: „Ich glaub‘ mich knutscht ein Elch!“. Der Italowestern „The Good, The Bad and the Ugly“ hat im Original drei Titelfiguren: den Guten, den Bösen, den Hässlichen. Doch im Deutschen werden nur „Zwei glorreiche Halunken“ erwähnt. Und für den Filmklassiker „North by Northwest“ von Alfred Hitchcock war dem Verleih die Übersetzung „Von Nord- nach Nordwesten“ vermutlich zu unspektakulär, man wählte stattdessen „Der unsichtbare Dritte“.
Über Geschmack lässt sich in diesen Fällen streiten. Aber keine Aufzählung peinlicher deutscher Titelentgleisungen ist je komplett, wenn sie nicht den dystopischen Actionreißer enthält, der 1981 unter der Regie von John Carpenter zum Kult wurde: „Die Klapperschlange“. Warum der Titel so daneben ist? Es kommt überhaupt keine Klapperschlange im Film vor. Die Hauptfigur, der kernige Ex-Elitesoldat und Outlaw S.D. Plissken, besteht zwar darauf, „Snake“, also „Schlange“, genannt zu werden. Gemeint hat der Verleih aber wohl eher sein auffälliges, tierisches Tattoo am Oberkörper. Dummerweise braucht es allerdings keinen Tierforscher, um zu erkennen: Das ist keine Klapperschlange, sondern eine Kobra.
Vielleicht wäre es doch besser gewesen, den perfekten Originaltitel zu bemühen: „Escape from New York“, zu deutsch „Flucht aus New York“. Denn Carpenter, der zuvor bereits die Horrorfilm-Meisterwerke „Halloween“ und „The Fog“ drehte, schuf hier einen Film, dessen Name zugleich sein Programm ist: Im Jahr 1997 steht die Welt kurz vor einem Atomkrieg. Die USA haben vor den Aufständen ihrer Bevölkerung kapituliert, den ganzen New Yorker Stadtteil Manhattan eingezäunt und in ein riesiges Inselgefängnis verwandelt, aus dem es kein Entkommen gibt – außer durch den Tod.
Dieses Schicksal droht auch dem US-amerikanischen Präsidenten selbst, als antiimperialistische Terroristen sein Privatflugzeug kapern und es mutwillig über Manhattan abstürzen lassen. Zwar überlebt das Staatsoberhaupt, ist aber fortan Geisel der Kriminellen. Gefängniswärter Bob Hauk will Feuer mit Feuer bekämpfen – und so kommt Snake Plissken ins Spiel. Er ist gerade frisch verhaftet worden, man bietet ihm vollen Straferlass, wenn er den Präsidenten binnen 24 Stunden aus New York und damit aus seiner Misere befreit.
„Amerikaner lieben Gesetzlose! Wir haben eine Schwäche für Bösewichte“, wird John Carpenter im Zusammenhang mit „Die Klapperschlange“ zitiert. Erklärt das die Faszination hinter Snake Plissken? Kurt Russell jedenfalls wurde durch diese Rolle über Nacht zum Actionstar. Verdientermaßen, denn er funktioniert hervorragend als mythisch überhöhte Einmannarmee: Längst gestorben soll er eigentlich sein, betont nahezu jeder Charakter, dem Snake im Verlauf des Films begegnet. Carpenter hatte das Drehbuch zur Klapperschlange schon 1973 geschrieben, seine düstere, pechschwarze Sicht auf die USA, die er hier als korrupten Polizeistaat inszeniert, war geprägt durch den Watergate-Skandal.
Einen desillusionierten Söldner auf eine patriotische Mission zu schicken, war dabei der Kerngedanke für den Plot. Carpenter sagt von sich selbst: „Ich habe ein ernsthaftes Problem mit Autoritäten. Immer wenn ich mich ihnen widersetzen kann, mache ich das mit Freude.“ So ist es nicht schwierig, Snake Plissken als Alter Ego seines Schöpfers zu sehen. Der muskulöse Waffenexperte mit der charakteristischen Augenklappe ist wortkarg, lässt jedoch keine Chance ungenutzt, seine tiefe Verachtung für Staat und System durch einen zynischen Spruch auszudrücken. Als Hauk ihn über die Lage aufklärt, schlägt er nur lakonisch vor: „Besorgen Sie sich einen neuen Präsidenten.“ In Carpenters Filmwelt, in der jeder Funke des Widerstands sofort mit harter Hand von Oben unterdrückt wird, ist Plissken der letzte Rebell.
Wer den Film im englischen Original sieht, wird bemerken, dass Kurt Russell den ganzen Film hindurch klingt, als sei er insgeheim als Imitator von Filmstar Clint Eastwood engagiert worden. Das ist kein Zufall: Plissken basierte auf dessen berühmtesten Rollen, auf dem pessimistischen Polizisten „Dirty Harry“ und auf dem Revolverhelden aus dem Western „Für eine Handvoll Dollar“. Carpenter träumte seit Anbeginn seiner Karriere davon, einen Western zu drehen, und Snake Plissken wurde sein Pistolero: Ein einsamer Wolf, ein Gesetzloser, der nur den eigenen Ehrenkodex verfolgt. Mehr als nur eine kleine Genre-Hommage ist daher die Besetzung des Gefängnisdirektors mit Lee Van Cleef, der zu den populärsten Italowestern-Stars der Geschichte zählt.
Carpenters intelligente Zukunftsvision begeistert schon im Intro. Die dort zu hörende, bedrohliche Synthesizer-Musik, die er und Alan Howarth komponierten, stimmt auf die apokalyptische Endzeit-Atmosphäre ein. Die Produktion drehte in Missouri in der Stadt St. Louis, in der 1976 ein Brand ganze Häuserblöcke entstellte, die nicht wieder aufgebaut wurden. Sie ermöglichen bedrückende, klaustrophobische Bilder einer heruntergekommenen Zivilisation. Überall liegt Müll, Autos stehen kopfüber, Tonnen brennen vielerorts, ständig huschen Schatten vorbei. Die Gefahr scheint allgegenwärtig. In langen, konzentrierten Aufnahmen schafft Carpenter eine phänomenale, nachdenkliche Daueranspannung. Gleichzeitig bleibt er in den eruptiven Actionszenen dicht bei den Figuren, zeigt heftige, barbarische, maßlose Gewalt.
Sensationell gelingt es so in nur 99 Minuten, das fragile Gebilde des gesitteten menschlichen Miteinanders vorzuführen. Inmitten der Anarchie bilden sich neue Kleinstgruppen. Eine davon, die „Crazys“, so erfahren wir, wildern so umher, dass ihnen am Monatsende meist das Essen ausgeht – ihnen bleibt dann nur der Kannibalismus. Sex-Soulprotz Isaac Hayes spielt den Ghettomonarch Duke, der das archaische Recht des Stärkeren durch absurde Gladiatorenkämpfe durchzusetzen versucht. Edelmime Ernest Borgnine wiederrum ist als Cabbie zu sehen, der weiter seiner Beteiligung als Taxifahrer nachgeht, ganz so, als hätte sich in New York nichts geändert. Naja, fast! Aufdringliche Passagiere wehrt er schon mal gutgelaunt mit einem Molotow-Cocktail ab.
Die handwerkliche Qualität dieses Genre-Meilensteins ist unbestritten. Ein Großteil des Films wurde in der Nacht gedreht, weshalb das Filmteam jeden Morgen eilig die Kulissen von den Straßen räumen musste. Für eine spektakuläre Sequenz, in der Snake mit einem Segelflugzeug auf dem World Trade Center landet, wurde das Dach des Nordturms aufwendig nachgebaut. Um das abgestürzte Flugzeug des Präsidenten zu zeigen, kaufte das Filmteam unter der Leitung von Ward Welton auf einem Schrottplatz eine Douglas DC-8, schnitt sie in drei Teile und legte sie brennend in St. Louis auf einer Kreuzung ab – ohne Genehmigung der Stadt. Angeblich behaupteten noch Wochen lang Anwohner, den nie stattgefundenen Absturz der Maschine mit eigenen Augen gesehen zu haben.
Trotz der verblüffenden Anzahl spektakulärer Spezialeffekte, für die Roy Arbogast zuständig war, der zuvor an „Der weiße Hai“ und „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ arbeitete, verloren Carpenter und sein Co-Autor Nick Castle nie die Geschichte aus den Augen. Produzentin Debra Hill verstand „Die Klapperschlange“ gar als politischen Film, als Mahnung, stets den Schutz der Bürgerrechte zu wahren. Durchaus geschickt jonglierten die Macher mit realen Zukunftsängsten: 1981 war die weltweite Panik vor einem Atomkrieg allgegenwärtig, kurz zuvor hatten thematisch ähnliche Filme wie „Mad Max“ und „Stalker“ bereits große Erfolge gefeiert.
Dementsprechend ging „Die Klapperschlange“ nahtlos in die Popkultur ein. Der japanische Spieleentwickler Hideo Kojima war so nachhaltig vom Film beeindruckt, dass der ihn 1998 zur Videospielreihe „Metal Gear Solid“ inspirierte. Der Protagonist darin hat nicht nur eine Augenklappe, sondern heißt auch direkt Snake. Andere Figuren des Films waren ebenfalls Vorlagen für Charaktere der Spielreihe, wie Donald Pleasance als weinerlicher Präsident, Harry Dean Stanton als verbrecherischer Intellektueller und Adrienne Barbeau als waffenstarke Antiheldin. Ursprünglich wollte der französische Bezahlfernsehsender Canal+ als Mitbesitzer der „Die Klapperschlange“-Rechte deswegen gegen Kojima klagen, doch Carpenter verhinderte dies aus Sympathie zu dem Entwickler.
Noch eine unübersehbare Spur hinterließ die bleihaltige Flucht aus New York: Früh zu Beginn des Films lässt Bob Hauk dem miesgelaunten Snake zwei Sprengladungen in die Halsschlagader setzen, die ihm den Kopf sprengen sollen, falls er desertiert. Dieses Element faszinierte den Comicautoren John Ostrander so sehr, dass er es zur zentralen Prämisse für seine Comicreihe „Suicide Squad“ erklärte, in der ebenfalls Kriminelle mit Sprengstoff im Nacken im Gegenzug für Straferlass Aufträge für die Regierung ausführen. 2016 schaffte es die Selbstmordtruppe erstmals selbst auf die große Leinwand.
Kurt Russell war so in Snake Plissken und „Die Klapperschlange“ vernarrt, dass er Carpenter immer wieder zu einer Fortsetzung überreden wollte. 1996 gab der schließlich nach und drehte „Escape from L.A.“, der sich mehr als Neuverfilmung denn als echte Weiterführung entpuppte, auf das Klapperschlangen-Budget von 6 Millionen US-Dollar nochmal 43 Millionen drauflegte, aber Fans und Kritiker enttäuschte. Nur Titel-Fetischisten wurden endlich befriedigt: Im Deutschen hieß die Fortsetzung weder „Die Kreuzotter“ noch „Die Ringelnatter“, sondern schlicht „Flucht aus L.A.“.
Deutsche Filmtitel sind eine Wissenschaft für sich. Oft entscheiden Verleihe, die Originaltitel eines Films zu ignorieren, um auf eingängigere Formulierungen zu setzen. Anstatt die Komödie „Stripes“ einfach „Offiziersstreifen“ zu nennen, heißt sie hierzulande: „Ich glaub‘ mich knutscht ein Elch!“. Der Italowestern „The Good, The Bad and the Ugly“ hat im Original drei Titelfiguren: den Guten, den Bösen, den Hässlichen. Doch im Deutschen werden nur „Zwei glorreiche Halunken“ erwähnt. Und für den Filmklassiker „North by Northwest“ von Alfred Hitchcock war dem Verleih die Übersetzung „Von Nord- nach Nordwesten“ vermutlich zu unspektakulär, man wählte stattdessen „Der unsichtbare Dritte“.
Über Geschmack lässt sich in diesen Fällen streiten. Aber keine Aufzählung peinlicher deutscher Titelentgleisungen ist je komplett, wenn sie nicht den dystopischen Actionreißer enthält, der 1981 unter der Regie von John Carpenter zum Kult wurde: „Die Klapperschlange“. Warum der Titel so daneben ist? Es kommt überhaupt keine Klapperschlange im Film vor. Die Hauptfigur, der kernige Ex-Elitesoldat und Outlaw S.D. Plissken, besteht zwar darauf, „Snake“, also „Schlange“, genannt zu werden. Gemeint hat der Verleih aber wohl eher sein auffälliges, tierisches Tattoo am Oberkörper. Dummerweise braucht es allerdings keinen Tierforscher, um zu erkennen: Das ist keine Klapperschlange, sondern eine Kobra.
Vielleicht wäre es doch besser gewesen, den perfekten Originaltitel zu bemühen: „Escape from New York“, zu deutsch „Flucht aus New York“. Denn Carpenter, der zuvor bereits die Horrorfilm-Meisterwerke „Halloween“ und „The Fog“ drehte, schuf hier einen Film, dessen Name zugleich sein Programm ist: Im Jahr 1997 steht die Welt kurz vor einem Atomkrieg. Die USA haben vor den Aufständen ihrer Bevölkerung kapituliert, den ganzen New Yorker Stadtteil Manhattan eingezäunt und in ein riesiges Inselgefängnis verwandelt, aus dem es kein Entkommen gibt – außer durch den Tod.
Dieses Schicksal droht auch dem US-amerikanischen Präsidenten selbst, als antiimperialistische Terroristen sein Privatflugzeug kapern und es mutwillig über Manhattan abstürzen lassen. Zwar überlebt das Staatsoberhaupt, ist aber fortan Geisel der Kriminellen. Gefängniswärter Bob Hauk will Feuer mit Feuer bekämpfen – und so kommt Snake Plissken ins Spiel. Er ist gerade frisch verhaftet worden, man bietet ihm vollen Straferlass, wenn er den Präsidenten binnen 24 Stunden aus New York und damit aus seiner Misere befreit.
„Amerikaner lieben Gesetzlose! Wir haben eine Schwäche für Bösewichte“, wird John Carpenter im Zusammenhang mit „Die Klapperschlange“ zitiert. Erklärt das die Faszination hinter Snake Plissken? Kurt Russell jedenfalls wurde durch diese Rolle über Nacht zum Actionstar. Verdientermaßen, denn er funktioniert hervorragend als mythisch überhöhte Einmannarmee: Längst gestorben soll er eigentlich sein, betont nahezu jeder Charakter, dem Snake im Verlauf des Films begegnet. Carpenter hatte das Drehbuch zur Klapperschlange schon 1973 geschrieben, seine düstere, pechschwarze Sicht auf die USA, die er hier als korrupten Polizeistaat inszeniert, war geprägt durch den Watergate-Skandal.
Einen desillusionierten Söldner auf eine patriotische Mission zu schicken, war dabei der Kerngedanke für den Plot. Carpenter sagt von sich selbst: „Ich habe ein ernsthaftes Problem mit Autoritäten. Immer wenn ich mich ihnen widersetzen kann, mache ich das mit Freude.“ So ist es nicht schwierig, Snake Plissken als Alter Ego seines Schöpfers zu sehen. Der muskulöse Waffenexperte mit der charakteristischen Augenklappe ist wortkarg, lässt jedoch keine Chance ungenutzt, seine tiefe Verachtung für Staat und System durch einen zynischen Spruch auszudrücken. Als Hauk ihn über die Lage aufklärt, schlägt er nur lakonisch vor: „Besorgen Sie sich einen neuen Präsidenten.“ In Carpenters Filmwelt, in der jeder Funke des Widerstands sofort mit harter Hand von Oben unterdrückt wird, ist Plissken der letzte Rebell.
Wer den Film im englischen Original sieht, wird bemerken, dass Kurt Russell den ganzen Film hindurch klingt, als sei er insgeheim als Imitator von Filmstar Clint Eastwood engagiert worden. Das ist kein Zufall: Plissken basierte auf dessen berühmtesten Rollen, auf dem pessimistischen Polizisten „Dirty Harry“ und auf dem Revolverhelden aus dem Western „Für eine Handvoll Dollar“. Carpenter träumte seit Anbeginn seiner Karriere davon, einen Western zu drehen, und Snake Plissken wurde sein Pistolero: Ein einsamer Wolf, ein Gesetzloser, der nur den eigenen Ehrenkodex verfolgt. Mehr als nur eine kleine Genre-Hommage ist daher die Besetzung des Gefängnisdirektors mit Lee Van Cleef, der zu den populärsten Italowestern-Stars der Geschichte zählt.
Carpenters intelligente Zukunftsvision begeistert schon im Intro. Die dort zu hörende, bedrohliche Synthesizer-Musik, die er und Alan Howarth komponierten, stimmt auf die apokalyptische Endzeit-Atmosphäre ein. Die Produktion drehte in Missouri in der Stadt St. Louis, in der 1976 ein Brand ganze Häuserblöcke entstellte, die nicht wieder aufgebaut wurden. Sie ermöglichen bedrückende, klaustrophobische Bilder einer heruntergekommenen Zivilisation. Überall liegt Müll, Autos stehen kopfüber, Tonnen brennen vielerorts, ständig huschen Schatten vorbei. Die Gefahr scheint allgegenwärtig. In langen, konzentrierten Aufnahmen schafft Carpenter eine phänomenale, nachdenkliche Daueranspannung. Gleichzeitig bleibt er in den eruptiven Actionszenen dicht bei den Figuren, zeigt heftige, barbarische, maßlose Gewalt.
Sensationell gelingt es so in nur 99 Minuten, das fragile Gebilde des gesitteten menschlichen Miteinanders vorzuführen. Inmitten der Anarchie bilden sich neue Kleinstgruppen. Eine davon, die „Crazys“, so erfahren wir, wildern so umher, dass ihnen am Monatsende meist das Essen ausgeht – ihnen bleibt dann nur der Kannibalismus. Sex-Soulprotz Isaac Hayes spielt den Ghettomonarch Duke, der das archaische Recht des Stärkeren durch absurde Gladiatorenkämpfe durchzusetzen versucht. Edelmime Ernest Borgnine wiederrum ist als Cabbie zu sehen, der weiter seiner Beteiligung als Taxifahrer nachgeht, ganz so, als hätte sich in New York nichts geändert. Naja, fast! Aufdringliche Passagiere wehrt er schon mal gutgelaunt mit einem Molotow-Cocktail ab.
Die handwerkliche Qualität dieses Genre-Meilensteins ist unbestritten. Ein Großteil des Films wurde in der Nacht gedreht, weshalb das Filmteam jeden Morgen eilig die Kulissen von den Straßen räumen musste. Für eine spektakuläre Sequenz, in der Snake mit einem Segelflugzeug auf dem World Trade Center landet, wurde das Dach des Nordturms aufwendig nachgebaut. Um das abgestürzte Flugzeug des Präsidenten zu zeigen, kaufte das Filmteam unter der Leitung von Ward Welton auf einem Schrottplatz eine Douglas DC-8, schnitt sie in drei Teile und legte sie brennend in St. Louis auf einer Kreuzung ab – ohne Genehmigung der Stadt. Angeblich behaupteten noch Wochen lang Anwohner, den nie stattgefundenen Absturz der Maschine mit eigenen Augen gesehen zu haben.
Trotz der verblüffenden Anzahl spektakulärer Spezialeffekte, für die Roy Arbogast zuständig war, der zuvor an „Der weiße Hai“ und „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ arbeitete, verloren Carpenter und sein Co-Autor Nick Castle nie die Geschichte aus den Augen. Produzentin Debra Hill verstand „Die Klapperschlange“ gar als politischen Film, als Mahnung, stets den Schutz der Bürgerrechte zu wahren. Durchaus geschickt jonglierten die Macher mit realen Zukunftsängsten: 1981 war die weltweite Panik vor einem Atomkrieg allgegenwärtig, kurz zuvor hatten thematisch ähnliche Filme wie „Mad Max“ und „Stalker“ bereits große Erfolge gefeiert.
Dementsprechend ging „Die Klapperschlange“ nahtlos in die Popkultur ein. Der japanische Spieleentwickler Hideo Kojima war so nachhaltig vom Film beeindruckt, dass der ihn 1998 zur Videospielreihe „Metal Gear Solid“ inspirierte. Der Protagonist darin hat nicht nur eine Augenklappe, sondern heißt auch direkt Snake. Andere Figuren des Films waren ebenfalls Vorlagen für Charaktere der Spielreihe, wie Donald Pleasance als weinerlicher Präsident, Harry Dean Stanton als verbrecherischer Intellektueller und Adrienne Barbeau als waffenstarke Antiheldin. Ursprünglich wollte der französische Bezahlfernsehsender Canal+ als Mitbesitzer der „Die Klapperschlange“-Rechte deswegen gegen Kojima klagen, doch Carpenter verhinderte dies aus Sympathie zu dem Entwickler.
Noch eine unübersehbare Spur hinterließ die bleihaltige Flucht aus New York: Früh zu Beginn des Films lässt Bob Hauk dem miesgelaunten Snake zwei Sprengladungen in die Halsschlagader setzen, die ihm den Kopf sprengen sollen, falls er desertiert. Dieses Element faszinierte den Comicautoren John Ostrander so sehr, dass er es zur zentralen Prämisse für seine Comicreihe „Suicide Squad“ erklärte, in der ebenfalls Kriminelle mit Sprengstoff im Nacken im Gegenzug für Straferlass Aufträge für die Regierung ausführen. 2016 schaffte es die Selbstmordtruppe erstmals selbst auf die große Leinwand.
Kurt Russell war so in Snake Plissken und „Die Klapperschlange“ vernarrt, dass er Carpenter immer wieder zu einer Fortsetzung überreden wollte. 1996 gab der schließlich nach und drehte „Escape from L.A.“, der sich mehr als Neuverfilmung denn als echte Weiterführung entpuppte, auf das Klapperschlangen-Budget von 6 Millionen US-Dollar nochmal 43 Millionen drauflegte, aber Fans und Kritiker enttäuschte. Nur Titel-Fetischisten wurden endlich befriedigt: Im Deutschen hieß die Fortsetzung weder „Die Kreuzotter“ noch „Die Ringelnatter“, sondern schlicht „Flucht aus L.A.“.
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- vodkamartini
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Schönes Review zu einem meiner Lieblingsfilme. Schön auch, dass du den Bogen über den Film hinaus spannst und den reinen Actionruf relativierst. Beim Titel muss ich allerdings widersprechen
, ja, der passt nicht, aber der ist nicht zuletzt deshalb ebenfalls Kult. Wenn ich nur an die alten Poster mit diesem Schriftzug denke ... 
Die nächsten Tage mehr zum Film, ist gerade etwas hektisch. Aber Diskussionen immer gerne.


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https://www.ofdb.de/autor/reviews/45039/
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Ja, ich mag den auch. Habe anfänglich gar nicht so besonders viel mit dem Film anfangen können, hat sich im Laufe der Zeit aber geändert. Vor allem atmosphärisch ein klasse Film und die Besetzung ist auch super. Und ja, der deutsche Titel ist natürlich grossartig - egal welche Natter da nun auf Snakes Arm rumkriecht.


Der einzig wahre deutsche Titel von Teil 2 müsste "Die Blindschleiche" lauten.Casino Hille hat geschrieben: ↑22. Dezember 2021 00:59 Nur Titel-Fetischisten wurden endlich befriedigt: Im Deutschen hieß die Fortsetzung weder „Die Kreuzotter“ noch „Die Ringelnatter“, sondern schlicht „Flucht aus L.A.“.

"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"
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Ich glaube, dass ich mir den Film unbedingt mal wieder anschauen muss. Uff. Die letzte Sichtung ist viele Jahre her und war aus der Erinnerung heraus echt dröge und zäh und schnarchig.. Der Sache wollte ich wohl eine neue Chance geben. Mal sehen.
Lust hätte ich ja schon drauf.
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Brüllant, Anatol, der ist so gut, ich würde ihn dir am liebsten klauen und noch in den Text editieren. Habe gestern verzweifelt überlegt, was für Schlangennamen mir einfallen, aber auf Blindschleiche bin ich nicht gekommen. Hut ab!AnatolGogol hat geschrieben: ↑22. Dezember 2021 07:54 Der einzig wahre deutsche Titel von Teil 2 müsste "Die Blindschleiche" lauten.

Na klar ist er das.vodkamartini hat geschrieben: ↑22. Dezember 2021 07:45 Schönes Review zu einem meiner Lieblingsfilme. Schön auch, dass du den Bogen über den Film hinaus spannst und den reinen Actionruf relativierst. Beim Titel muss ich allerdings widersprechen, ja, der passt nicht, aber der ist nicht zuletzt deshalb ebenfalls Kult.


Mach es. Ist vielleicht auch an deiner Erwartungshaltung gescheitert? Ich habe den Film jetzt vor wenigen Abenden auch zum ersten Mal gesehen, und hatte mir vorher einen sehr anderen Film vorgestellt. Viel mehr Action, weniger düster und grüblerisch. Der Ruf eilte dem Film da gewissermaßen voraus, aber es ist schon eher eine atmosphärische Dystopie mit ordentlicher Härte, als ein brachiales Actiondauerfeuerwerk.
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Let the sheep out, kid.
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Ich hatte ohne davor ja schon gesehen, aber vielleicht als Kind anders in Erinnerung behalten. Ist halt auch alles viele Jahre her, deswegen abwarten und mal schauen. Eine neue Sichtung wird es auf jeden Fall geben.
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Sondervorstellung
iHaveCNit: Die Klapperschlange (1981) – John Carpenter – Studiocanal
Deutscher Kinostart/Wiederaufführung: 01.11.2022
gesehen am 01.11.2022 in SAMSUNG ONYX LED
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 6 – Reihe 13, Platz 22 – 20:00 Uhr
Im Rahmen der „Best of Cinema“- Reihe stand im November John Carpenters Klassiker des Science-Fiction-Actionfilms „Escape From New York“ bzw. „Die Klapperschlange mit Kurt Russell auf dem Plan, den ich mir trotz bereits Sichtungen im Heimkino dann auch diese Gelegenheit nicht habe entgehen lassen, ihn noch einmal auf der großen Leinwand zu sehen. Auch wenn der Film sicherlich in seiner visuellen Umsetzung und auch seiner zeitlichen Verortung heute vielleicht ein wenig antiquiert zu sein scheint, so schafft er es immer mich zu begeistern.
„Die Klapperschlange“ – Multiple Look – 9/10 Punkte.
iHaveCNit: Die Klapperschlange (1981) – John Carpenter – Studiocanal
Deutscher Kinostart/Wiederaufführung: 01.11.2022
gesehen am 01.11.2022 in SAMSUNG ONYX LED
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 6 – Reihe 13, Platz 22 – 20:00 Uhr
Im Rahmen der „Best of Cinema“- Reihe stand im November John Carpenters Klassiker des Science-Fiction-Actionfilms „Escape From New York“ bzw. „Die Klapperschlange mit Kurt Russell auf dem Plan, den ich mir trotz bereits Sichtungen im Heimkino dann auch diese Gelegenheit nicht habe entgehen lassen, ihn noch einmal auf der großen Leinwand zu sehen. Auch wenn der Film sicherlich in seiner visuellen Umsetzung und auch seiner zeitlichen Verortung heute vielleicht ein wenig antiquiert zu sein scheint, so schafft er es immer mich zu begeistern.
„Die Klapperschlange“ – Multiple Look – 9/10 Punkte.
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