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von AnatolGogol
Agent
Vor ein paar Tagen ist die neue The Abyss-UHD bei mir eingetrudelt und durfte dann gestern Abend erstmals meinen Beamer befeuern. Wie sich die neue VÖ geschlagen hat dazu dann gleich mehr, aber erst mal noch ein paar Worte zum Film bzw. zu den Filmen. Denn um meine kleine Cameron-Feierstunde gebührend abzurunden kam am Freitag Abend Aliens zum Zug. Den hatte ich auch fast 10 Jahre nicht mehr geschaut gehabt und was für ein Erlebnis!
Nicht, dass ich den Film nicht immer schon in sehr hohen Ehren gehalten habe, aber dieses Mal war ich regelrecht geflasht. Was für ein Brett, was für ein gnadenloses Action-Brett! Cameron lässt seinem Auditorium praktisch keine Minute zum Durchschnaufen – sieht man mal vom stimmungsvollen, aber auch etwas kompakten Eingangsteil des Films ab. Aber spätestens ab der Landung auf dem Alien-Planeten knallt und rummst es nahezu durchgängig. Die Action ist brachial, derb, schnell, hart, dreckig, rau. Und so ist auch der ganze Film. Besonders bemerkenswert auch die exzellente Besetzung, die Aliens zu einem regelrechten Ensemblestück macht, auch wenn sich Sigourney Weaver letztlich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. Denn auch das ist bemerkenswert: dass in einem derart testosteron-geschwängerten „Männer“-Actionfilm eine Frau wie selbstverständlich die zentrale Rolle einnimmt und gerade im finalen Akt aber sowas von (Alien-)Hinterteile tritt. In Summe macht das Aliens nicht nur zu einem der besten Sequels aller Zeiten, sondern auch zu einem Höhepunkt des diesbezüglich nicht gerade armen Actionkinos der 80er Jahre.
Ja und dann kam The Abyss und was soll ich sagen: alles was in Aliens so grossartig war ist hier nochmal etwas besser. Der Film mag nicht mehr ganz so rau und dreckig sein, die Action nicht mehr ganz so hart, aber dafür noch perfekter durchgetaktet und noch mitreissender in Szene gesetzt. Zumindest in der Kinofassung, aber das Thema hatten wir hier ja bereits mehrfach. Der in Aliens so vorzüglich umgesetzte Ensemblecharakter ist auch hier wieder ein elementarer Bestandteil des Erfolgsrezept und Cameron demonstriert hier eindrucksvoll, wie man mit wenig Szenen und Screentime Nebenfiguren dennoch ausreichend dem Zuschauer nahebringen kann. So wachsen Onenight, Catfish, Hippy und Jammer dem Zuschauer im Laufe des Films mehr und mehr ans Herz und das trägt mit dazu bei, dass man emotional richtig beteiligt ist.
Das gleiche gilt für die zentrale Beziehung zwischen Bud und Lindsay, die so wunderbar aufgebaut und entwickelt ist, dass sie letztlich das eigentliche dramaturgische Herz des Films darstellt: ein Ehepaar, das verlernt hat miteinander zu kommunizieren muss genau das tun, um am Leben zu bleiben. Sowohl rein praktisch als auch auf der Meta-Ebene. Das ist schon wirklich durchdacht und hier sitzt jede Szene, etwa wenn Bud nach einem heftigen Streit mit seiner Gerade-noch-Angetrauten seinen Ehering in die WC-Schüssel schmeisst, nur um ihn Sekunden später mit einem im wortwörtlichen Sinn Griff ins Klo wieder rausholt. Oder wenn ihm genau dieser Ring und damit das Festhalten an seiner Liebe zu Lindsay später das Leben rettet. Oder wenn er nachdem er Lindsay zurück ins Leben geholt hat ihr zärtlich übers Gesicht streichelt – mit der immer noch durch den Griff ins chemische WC blau gefärbten Hand. Hier stimmt einfach alles: Szenen einer Ehe im Rahmen eines gnadenlosen Actionthrillers, verkörpert von den formidablen Ed Harris und Mary-Elizabeth Mastrantonio mit herausragender Chemie.
Kaum weniger gelungen und dramaturgisch wichtig ist die zweite Schlüsselbeziehung zwischen Lindsay und Lt. Coffey. Ein Clash der Egos von der ersten Szene an (a propos: Lindsays Einführung über ihre bepumpsten Füße ist auch einer dieser vielen kleinen brillanten Momente des Films), welche kontinuierlich auf die finale Konfrontation hinarbeitet, wenn sich die beiden Streithähne mit zwei U-Booten gegenseitig bekriegen. Und auch hier ist es wieder bemerkenswert, wie selbstverständlich Cameron hier seine zentrale Frauenrolle sich in Mitten einer Männerdomäne durchsetzen lässt. Letztlich gibt es wirklich gar nichts, was ich an diesem Werk aussetzen könnte, für mich ist The Abyss nicht nur ein monumentales Action-Feuerwerk, er ist darüber hinaus auch einer der besten Filme aller Zeiten und der eindrucksvolle Beleg dafür, was für ein gnadenlos guter Regisseur James Cameron ist (oder zumindest war).
Abschliessend noch ein paar Worte zur medial derzeit sehr kontrovers diskutierten Neu-VÖ von The Abyss auf UHD: wie bereits geschrieben hat Cameron dem Film ein sehr deutliches digitales Facelifting verpasst. Die gute Nachricht ist, dass der Film auch in dieser Fassung problemlos zu begeistern weiss (wie meine vorangegangene Lobeshymne beweisen sollte). Der Film ist nun durch die Entfernung des Filmkorns sehr sauber, weisst aber im Gegensatz zu früheren stark gefilterten Filmen eine enorme Detailschärfe auf (vermutlich aufgrund der hier zum Einsatz gekommenen neuen AI-Technologie). Und letzteres ist – das muss man selbst als Purist neidlos anerkennen – schon sehr beeindruckend. Erstaunlicherweise war die komplette Entkörnung für mich als Grain-Fan nicht einmal so störend, lediglich ein paar sehr, sehr clean ausschauende Close-up-Einstellungen fielen diesbezüglich auf, aber auch hier nicht gross unangenehm. Nicht ganz so toll empfand ich das neue Colortiming des Films, das analog zu früheren von Cameron beaufsichtigten Neu-VÖ seiner Filme nun eine sehr starke Türkis-Betonung aufweist und auch insgesamt eher kälter und entsättigter daherkommt. Das ist schon auffällig, gerade auch weil es bei einem Film aus dem Jahr 1989 sehr anachronistisch wirkt. Dennoch: ein echter Dealbreaker ist auch das nicht und zur Not kann man den Teal-Stich auch mit ein paar angepassten Bildparametern am Wiedergabegerät einigermaßen kontern. Von daher: die VÖ mag nicht die Krönung des Formats sein und mit Camerons revisionistischen Entscheidungen dem eher kritischen Konsument ein paar schwere Nüsse zum Knacken geben, in Summe ist sie aber dennoch eine ordentliche und in Teilen sogar sehr beeindruckende Wiederveröffentlichung dieses grandiosen Films – endlich auch hochauflösend.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"