Das erste Star Trek-Kinoabenteuer entwickelte sich zu einem echten Boxoffice-Phänomen. Denn obwohl Kritik und Publikum sich weitgehend einig darin waren, dass der Film die hohen in ihn gesetzten Erwartungen nicht wirklich erfüllte, sorgte das Einspielergebnis letztlich doch für freudige Gesichter bei Paramount. Grund genug also einen weiteren Teil vom Stapel laufen zu lassen, doch trotz des großen Kassenerfolges von Teil 1 war das Vertrauen des Studiomanagements bei weitem nicht mehr so grenzenlos wie noch beim Vorgänger. Die verhaltene Resonanz sowie das explodierende Budget des Erstlings hatten ihre Spuren hinterlassen und so wurde für Teil 2 von Anfang an ein erheblich kleinerer Rahmen vorgegeben, was sich am deutlichsten im mit 11 Millionen Dollar verhältnismäßig knapp bemessenen Budget wiederspiegelte.
Kreativität und Innovativität waren daher gefragt wollte man gegen den technisch so grandiosen Vorgänger nicht hoffnungslos untergehen. Und genau diese Zwangslage sollte sich als perfekter Nährboden für die Neudefinition und damit die eigentliche Geburtsstunde des Star Trek-Kinofranchises erweisen. Befeuert durch die beiden neuen Köpfe am Ruder, Produzent Harve Bennett und Regisseur Nicholas Meyer, entwickelte sich ST II zu einer Art Gegenentwurf zum überbordenden, aber letztlich seelenlosen ST I. So wurde der Effektoverkill auf ein zwar immer noch beachtliches, aber deutlich maßvolleres Volumen zurückgefahren und statt den spektakulären Schauwerten die Figuren und die Geschichte ins Zentrum des Films gerückt. Damit näherte man sich wieder deutlich mehr dem originären Geist der Serie an, der ebenfalls einen Großteil seiner Beliebtheit aus spannenden Figurenkonstellationen und fantasievollen Stories bezog, die nicht selten Parabeln auf zeitgenössische Sujets darstellten.
Es ist daher wenig verwunderlich, ass sich unter der dramaturgischen Oberfläche von ST II einer einfachen Rachegeschichte eine ganze Reihe an vielschichtigen und für ein „einfaches“ SciFi-Abenteuer erstaunlich tiefgründigen Themen finden lassen. Leben und Tod, Jugend und Alter(n), Freundschaft, Verantwortung und Missbrauch der Wissenschaft, fragwürdige Entscheidungen der Vergangenheit die einen einholen: all das behandelt der Film in bewundernswert zurückhaltender und unprätentiöser Art und Weise. Zu keinem Zeitpunkt bekommt der Film einen oberlehrerhaften Tonfall, sondern lässt stattdessen diese Subplots höchst elegant in der Haupthandlung und vor allem in der Charakterentwicklung aufgehen. So erlaubt sich das Drehbuch in der Genesis-Diskussion zwischen dem gewohnt aufbrausenden McCoy und dem genauso gewohnt überlegen-kühlen Spock sehr bewusst leere philosophische Anwandlungen, allerdings nicht wie im Vorgänger um ihrer selbst Willen, sondern um damit die Figuren-Konstellation zwischen Pille und Spock auf höchst amüsante Art weiter zu befeuern.
Einen weiteren schönen direkten Verweis zur Originalserie integriert das Drehbuch durch die Fortsetzung der seinerzeit in der Episode „Der schlafende Tiger“ (bzw. „Space Seed“) behandelten Geschichte um den genmanipulierten Übermenschen Khan. Dabei nimmt der Film den letzten Gedankengang der Serien-Episode auf, in der Kirk mit Spock darüber sinnieren in 100 Jahren die Kolonie der auf einem verlassenen Planeten ausgesetzten Khan-Besatzung noch einmal zu besuchen um zu schauen, wie sich diese Gesellschaft entwickelt hat. ST II zeigt genau das (wenn auch etwas früher als von Kirk ursprünglich angedacht) und macht dabei unmissverständlich klar, dass Zeit kein Heilmittel für Wahnsinn und Rache ist. Bemerkenswert ist dabei, wie problemlos Drehbuch und Inszenierung eine originäre Geschichte weiterspinnen, ohne sich groß mit der Vergangenheit aufzuhalten. Eine einzige Szene reicht aus, um sowohl die Hintergründe von Khans Rachegeschichte wie auch die Schurken-Figur an sich auf eindringlichste Art einzuführen. Das ist so effektiv, dass auch der nicht Serienkundige Zuschauer danach keinerlei Probleme mehr hat die Konstellation Khan-Kirk zu verstehen und der Film sich im Anschluß zu keinem Zeitpunkt mehr mit der Vergangenheit befassen muss und stattdessen die Figurenbeziehung weiterentwickeln kann bis hin zur unausweichlichen finalen Konfrontation.
Am augenscheinlichsten wird der Unterschied zwischen den ersten beiden Star Trek-Filmen in den Figuren. Waren die zentralen Charaktere im Kinoerstling kaum mehr als leblose Schablonen, so bietet der zweite Teil durchgängig dreimensionale Figuren wie aus dem richtigen Leben. Es ist vor allem die Beziehung der drei Protagonisten Kirk, Spock und Pille, die von Drehbuch und Inszenierung lebensecht vermittelt wird. Durch die vielen kleinen sehr privaten Momente, die der Film seinen Hauptfiguren gönnt (z.B. Pilles Geburtstagsbesuch in Kirks Wohnung, der freundschaftliche Plausch zwischen Kirk und Spock nach der Kobayashi Maru-Simulation, Kirks Besuch in Spocks Quartier) ist die Freundschaft des Trios geradezu greifbar. ST II ist dadurch ein oftmals erstaunlich intimer und persönlicher Film und es sind gerade die stilleren, besinnlichen Momente, welche die Figuren am Nachhaltigsten prägen. Dies erweist sich als äusserst geschickter Schachzug, da das dramatische Finale seine eindringliche Wirkung erst dadurch bekommt, dass die Inszenierung die zentralen Figuren dem Zuschauer so eng ans Herz hat wachsen lassen. Dies gilt in etwas abgeschwächter Form auch für die Nebenrollen, auch wenn der Film für diese naturgemäß weit weniger Zeit hat als für die Hauptrollen. Dies macht letztlich aber auch umso deutlicher, wie gezielt das Drehbuch hier vorgeht, z.B. wenn Sulu beim Übersetzen auf die Enterprise die kurze, aber enorm sympathiererzeugende Liebeserklärung „ich freue mich über jede Gelegenheit an Bord der Enterprise gehen zu dürfen“ loslässt (womit das Drehbuch Sulu gleichzeitig auch noch jedem Trekkie aus der Seele sprechen lässt).
Vor allem durch einen Moment ging ST II in die Filmgeschichte ein
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, die Rede ist natürlich von Spocks Sterbeszene. Durch das Zusammenspiel von ergreifender Darstellung, emotionaler Inszenierung und bewegender, aber unaufdringlicher musikalischer Untermalung entwickelt diese Szene wie kaum eine andere Sequenz in der Kinogeschichte eine geballte und greifbare Emotionalität
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Kurz: die Fallhöhe wird sukzessive erhöht, so dass der finale Schlag den Zuschauer umso härter trifft.
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Aber auch darüber hinaus kommt der Film immer wieder auf das Thema Verlust zurück, so in Kirks Beziehung zu seinem Sohn oder Khans Verlust seiner Frau als Motivation seiner Rache. Bereits in der ersten Szene nimmt der Film Spocks Tod scheinbar vorweg und erlaubt sich anschliessend gleich noch einen Gag auf die vor Filmstart überkochende Gerüchteküche („sie sind ja gar nicht tot!“). Die Szene, welche Spocks finales Schicksal am deutlichsten vorab wiederspiegelt ist aber fraglos der Tod von Scottys Neffen, von der Inszenierung ebenfalls sehr geschickt vorbereitet (und auch hier wird wieder der Unterschied zum Vorgänger überdeutlich: Scotty ist nicht nur Staffage, sondern dient effektiv der Handlung und bekommt zudem seinen eigenen kleinen Subplot spendiert. Todesfall ist eben nicht gleich Todesfall wenn wir an den Transporter-Zwischenfall denken). Durch all diese Momente behandelt der Film das Thema Verlust nicht nur oberflächlich, sondern lässt sein Publikum tatsächlich emotional daran teilhaben – bis hin zum bitter-schönen Ende.
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trotz des emotionalen „Tiefschlages“
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zwar einen Freund verliert, gleichzeitig aber auch
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– nicht zuletzt durch das Opfer von Spock. Und eben auch durch die Versöhnung mit seinem Sohn.
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in Kombination mit den bewusst und clever eingebauten Möglichkeiten für eine Rückkehr Spocks („ich denke gern an die Chance einer Möglichkeit“)
Durch das dieses mal stark begrenzte Budget mussten die Verantwortlichen in ST II deutlich einfallsreicher vorgehen, als im nahezu unbegrenzten Vorgänger. Teile von Ausstattung und Kostümen von ST I sowie einige Effektshots wurden entsprechend wiederverwertet, jedoch so geschickt in das neue Abenteuer eingebunden, dass es nie offensichtlich wird. Auch wenn alles eine Nummer kleiner wirkt, so verdienen sich vor allem das Setdesign und die Kostüme Bestnoten. So unterstreichen Sets wie die modifizierte Enterprise-Brücke, Kirks Wohnung, die stürmischen Wüstenlandschaften auf Ceti Alpha 5 oder die klaustrophobischen Gänge des Raumlabors höchst gelungen die Atmopshäre des Films. Die neuen, formelleren Uniformen geben dem Film zudem genau wie auch James Horners Soundtrack einen deutlich militärischeren Touch. Denn ST II ist in Teilen auch ein Schlachtengemälde und zitiert nicht selten klassische Seefahrer-Abenteuer a la Des Königs Admiral. A propos Horner: diesem gelang das Kunststück sich mit einer vollkommen eigenständigen Arbeit aus dem Schatten des umwerfenden Goldsmith-Vorgängers herauszubewegen. Horners erstklassiger Soundtrack fällt dabei kaum weniger hymisch aus, ist aber oftmals ein gutes Stück dunkler und trägt dennoch im Schlussakt enorm dazu bei, den Film auf der bereits erwähnten positiven Note zu Ende zu bringen. ST II ist fraglos eine von Horners besten Arbeiten.
Auch wenn die Effekte in ST II nicht ganz die Brillanz des Vorgängers erreichen, so spielen sie dennoch praktisch jederzeit in der höchsten Liga. Einzige diesbezügliche Ausnahme ist die doch arg künstlich wirkende Einstellung der Genesis-Höhle. Darüberhinaus überzeugen die dieses Mal aus der Schmiede von George Lucas ILM stammenden Effekte durchgängig. Vor allem die Raumschlachten zwischen Enterprise und Reliant, die Aufnahmen im Mutara-Nebel sowie die Genesis-Simulation wissen dabei zu begeistern. Nicht zu verssen auch die herrlich ekelhaften „Ceti-Eels“, deren realistische Darstellung dem Film einen ordentlich Schuss Horror verabreichen.
Darstellerisch gibt es im zweiten ST-Kinoabenteuer überhaupt nichts zu bemängeln, im Gegenteil weiss praktisch jedes Ensemblemitglied zu glänzen. Das ist umso bemerkenswerter, da ein Großteil des Ensembles ja identisch zum Vorgänger ist, in dem praktisch niemand wirklich gut aussah. Großartig darstellerisch zugelegt hat sicherlich keiner, aber die Inszenierung bindet sie ungleich besser ein und das Drehbuch gibt ihnen bedeutend besseres Material zum Arbeiten. Vor allem Nimoy und Shatner wissen dies dann auch eindrucksvoll zu nutzen und legen regelrechte Galavorstellungen hin. Selten wurde eine Freundschaft zu greifbar und lebensecht dargestellt, selten mit solch emotionaler Wirkung. Ganz groß. Ebenfalls sehr stark spielt Ricardo Montalban seinen Khan als eine höchst beunruhigende Mischung aus ruhiger Überlegenheit und unbeherrschtem Zorn. Das mag zuweilen sehr dick aufgetragen sein, passt im Gesamtkontext der „Space-Opera“, die ST II zweifellos ist und sein möchte, aber bestens. Sehr gut fügen sich auch die übrigen Neuzugänge ins Geschehehn ein, allen voran die herrlich spröde agierende Kirstie Alley als scheinbar so nüchterener Lt. Saavik.
Star Trek II triumphiert auf allen Gebieten, seien es die erstaunlich tiefgreifende Story und die vielschichtigen Figuren, die fabelhaft aufgelegten Darsteller, die auch heute noch absolut überzeugenden Trickeffekten, der trotz geringem Budget wunderbarer Ausstattung und Set Design oder James Horners herausragendem Soundtrack. Zusammengehalten und aufs beste geführt wird all dies von Meyers vorzüglicher Inszenierung, die den Film in perfektem Tempo und Dynamik zielsicher bis zum finalen Höhepunkt navigiert. Einem Höhepunkt, der fraglos zu den emotionalsten Momenten der Kinogeschichte gehört. Ein wunderbarer Film, der viel mehr zu bieten hat als man auf den ersten Blick vermuten könnte und der sowohl als lupenreine Weltraumoper (mit dem wohl höchsten Action-Anteil aller Filme der ersten Generation) als auch als anspruchsvolles, handlungsorientiertes Charakter-Drama funktioniert. Für mich nicht nur der beste Star Trek-Film, sondern der beste Science Fiction-Film überhaupt.
Wertung: 10 / 10