AnatolGogol hat geschrieben:Ich selbst tat und tue mich z.B. auch recht schwer mit der „Kunstfilmschiene“ des deutschen Films a la Fassbinder, Wenders, Herzog etc. Das ist mir zumeist zu verkopft und sperrig, wogegen ich hier den Unterhaltungswert (nicht unbedingt im Sinne von „easy watching“ sondern eher im Sinne von filmisch zufriedenstellend bedient zu werden) oftmals nicht so recht erkennen kann. Bin aber hier auch kein richtiger Experte, da wie gesagt einfach nicht wirklich mein Bier. Herzog ist für mich eigentlich eh nur wegen seinen Kollaborationen mit Kinski interessant und wäre Klaus bei ihm nicht regelmäßig zu gigantischer Form aufgelaufen, hätte sein Werk wohl keinerlei Reiz für mich, da er mir gerade handwerklich einfach viel zu eigenwillig ist (und das ist jetzt sehr neutral formuliert).
Herzog und Fassbinder kenne ich nur in Ausschnitten oder schon länger her, deren Adaptionen à la Woyzeck oder Effi Briest wurden glaube ich alle irgendwann und irgendwie im Literatur-Lehrkurs angespielt. Das war mir auch zu theaterhaft und staubig, vielleicht auch durch den literarischen Hintergrund. Wenders ist da schon anders, finde ich. Ideales Beispiel war ein Fehler letztes Jahr im lokalen Programmkino, als fälschlicherweise ein Fassbinder-Film gestartet wurde und dann erst einmal für gut zehn Minuten lief (irgendetwas auf einem Obstmarkt). Der richtige Film, der dann glücklicherweise doch noch aufgelegt wurde, war ein Wenders und der gefiel mir dann auch ungleich besser als was ich zuvor von der Fassbinderschen Marktfeilscherei gesehen habe.
Wobei ich von Herzog sicher zumindest mal Aguirre und Fitzcarraldo sehen möchte, von denen ich glaube dass sie durch ihre exotischen Settings auch mehr in Richtung "grosses" Kino gehen statt in Richtung biederes Woyzeck-Theater.
AnatolGogol hat geschrieben:Aber um zumindest am Ende dann noch halbwegs was Greifbares abzuliefern würde ich mal folgende drei Anschautipps in die Runde werfen:
ALT: M – Ein Stadt sucht einen Mörder / Fritz Lang (1931)
MITTELALT: Die Katze / Dominik Graf (1988)
JUNG: Toni Erdmann / Maren Ade (2016)
Drei sehr unterschiedliche Filme und allesamt höchst sehenswert wie ich finde.
Man dankt, wobei das Filme sind die ich sowieso schon "kenne", also tatsächlich noch nicht gesehen aber dafür schon auf dem Radar habe. Wobei mich Toni Erdmann aus irgendwelchen Gründen nicht so richtig reizt, ich habe mich auch noch nie so wirklich schlau gemacht darüber, sonst hätte ich ihn ja auch im Kino sehen können. Aber vielleicht/wahrscheinlich tue ich ihm damit unrecht.
AnatolGogol hat geschrieben:Der deutsche Film ist ja genau so vielschichtig wie der internationale und bietet daher die vielfältigsten Genres an, vom vielfältigen Angebot der einzelnen Jahrzehnte beginnend mit der Stummfilmära ganz zu schweigen.
Ist das so? In Bezug auf unterschiedliche Genres klar, ein Otto Waalkes-Film ist ja wohl ganz anders als einer von Fassbinder, und es sind beides deutsche Filme. Aber auch in Hinsicht auf die Menge, was denke ich für eine Vielfalt genauso essentiell ist? Mir fallen halt auf Anhieb sieben Filmemacher ein, die und deren Werk "profiliert" sind: Lang, Murnau, Fassbinder, Herzog, Wenders, Dietl und Graf - eher sechs, weil ich über Graf ausserhalb des Forums noch kaum was gehört habe. Ich habe schon ein paar mal versucht, deutsche Filme zu recherchieren und habe den Eindruck man stolpert noch viel mehr als bei internationalen Filmen immer über dieselbe Handvoll Verdächtige. Oder liege ich komplett falsch wenn ich annehme dass z.B. der französische Film (noch) vielfältiger ist? Im Sinne von mehr Filme, mehr Strömungen, mehr Regisseure, mehr Stars, mehr Genres etc.
Casino Hille hat geschrieben:Dem Beispiel unseres Forengenerals schließe ich mich ganz schnell an und liefere gemäß Vorlage 2 Tipps pro Kategorie:
Ebenfalls danke. Lola und Oh Boy habe ich auch schon im Sinn, das könnten zwei "Geheimtipps" sein die vielleicht das Potential haben, mir zu gefallen. Habe ich definitiv im Hinterkopf. Western fällt in dieselbe Kategorie wie Erdmann: Hätte ich sehen können, habe davon auch etwas mitgekriegt in Gestalt von Trailers und Vorstellungsterminen, habe mich aber irgendwie nicht so dafür interessiert und möglicherweise damit eine Dummheit begangen.
PS: Mich wundert, wie ihr die Grenzen zwischen jung/alt/sehr alt gezogen habt und ob da selbstreflektierende Absichten dahinterstecken?
Maibaum hat geschrieben:Hattest du nicht zumindest was von Wenders gesehen?
Ja, und die waren auch alle interessant bis klasse. Zwei Filme habe ich im Kino gesehen und wollte dann die anderen möglichst auch noch besuchen (die liefen in einer kompletten Retrospektive und einige zuvor noch in anderen Programmreihen), habe dann aber leider das allermeiste verpasst.
Dass ich gar keine deutschen Filme kenne war natürlich auch bewusst übertrieben. Von David Lean habe ich aber wirklich nichts gesehen...