GoldenProjectile hat geschrieben: 25. Juli 2018 12:55Produzent Broccoli, nach dem Ausstieg seines Partners Harry Saltzman aufgrund finanzieller Schwierigkeiten alleine an der 007-Front, wollte den Fans etwas ganz besonderes bieten
Ganz ganz ganz wichtige Info! Ich weiß nicht, wie viele hier die Spaghetti-Geschichte kennen, aber ich sehe in Cubby einen der wichtigsten Motoren für das Gelingen der Mission TSWLM - was passenderweise auch in der Sekundärliteratur oder im Making Of der Ultimate Edition so hervorgehoben wird. Der Ausstieg von Saltzman sorgte definitiv für eine umso größere Motivation Broccolis, den bestmöglichen Bondfilm auf die Beine zu stellen. Dementsprechend gewaltig und opulent sieht TSWLM auch aus und vermutlich holte man auch gerade deswegen Lewis Gilbert zurück, dessen YOLT bis dato die wohl höchste Größenordnung der Reihe darstellte (man denke nur an das fantastische Vulkan-Set, welches Ken Adam hier mit dem Tanker noch einmal überragt). Auch wenn das ein wenig die Frage nach Henne oder Ei ist, meine ich schon in der Ausrichtung der beiden 70er Gilbert Bonds den unbedingten Willen zum Supererfolg Broccolis erkennen zu können, so wie auch ab FYEO sein Rückfall zum Sparfuchs eine Auswirkung auf die Filme der Glen-Ära hatte.
GoldenProjectile hat geschrieben: 25. Juli 2018 12:55
Die Handlung von TSWLM liesse sich sicher leicht zerpflücken, viele Szenen bauen nicht wirklich logisch aufeinander auf und sind vielmehr an ihrer eigenen Aussagekraft und den Schauwerten interessiert als an so etwas trivialem wie Kausalität
Ist das so? TSWLM baut schon logisch aufeinander auf. Die Szenen sind ja alle einem klaren Handlungsmuster unterstellt und treiben den Plot voran. Es mag sein, dass vieles bei genauerer Betrachtung nicht so wirklich Sinn ergibt (Warum muss Bond erst Fekkesh treffen, um Max Kalba treffen zu können?), aber dennoch hat TSWLM eine interne Filmlogik, auf die die Sequenzen auch selbstredend aufbauen. Ich würde auch nicht sagen, dass in Bondfilmen Logik per se keine Rolle spielt, es ist nur nicht vergleichbar mit den Abläufen der Realität und alles mit etwas vielen Unwahrscheinlichkeiten versehen. Grundsätzlich stimmt aber natürlich, dass es unter Gilberts Regie nicht so recht auf den Plot an sich ankommt, sondern um den Spaß der Erzählung.
GoldenProjectile hat geschrieben: 25. Juli 2018 12:55
Die Locations auf Sardinien, in Ägypten und den Alpen sind bildgewaltig und pittoresk eingefangen
Wirklich spannend ist, was für ungewöhnliche Kameraperspektiven Gilbert teilweise wählt (und dabei denke ich auch deutlich von Kameramann Claude Renoir profitierte, der u.a. gemeinsam mit Ken Adam sich die Inspiration für die schwierige Beleuchtung des Tankersets übrigens bei Stanley Kubrick holte). Ich denke da etwa an den Gang durch die Ruine zum MI6-Hauptquartier oder an die Pyramiden-Szene oder auch ganz besonders an den Kampf gegen Sandor auf dem Dach von Fekkeshs Anwesen. Hier gibt es einen Schnitt auf eine weit in der Luft an einem anderen Gebäude befestigte Kamera, die einen auf interessante Art vom Kampf wegführt. Sehr ungewöhnlich und rein stilistisch ist TSWLM in meinen Augen sicherlich der schönste Bondfilm, und gleichzeitig auch der eleganteste. A propos: Äußerst passend zu dieser durchgehend charmant-eleganten Inszenierung ist auch der Einsatz der Lawrence of Arabia Musik in der Wüstenszene, ein herrlich britischer Gag, den man in kaum einem anderen Bond so machen könnte (tatsächlich ist MR, also der TSWLM am ähnlichste Bond, der einzige Film, der etwas vergleichbares macht, als das Theme der Magnificent Seven ertönt).
GoldenProjectile hat geschrieben: 25. Juli 2018 12:55
"Nobody does it better, makes me feel sad for the rest. Nobody does it half as good as you, Baby, you're the best."
Es ist schon ein großer Schmunzler (und zeugt wieder von dem auch von Cubby intendierten Hang zum Superevent), dass ausgerechnet der wohl größte Spektakelbond in seinem Song das größte aller Loblieder auf die Bondfigur spendiert bekommt, welche jene Lobesarie in Thunderball noch einmal übertrifft. Ich mag das Lied sehr gerne, gerade weil es nach den recht fetzigen LALD und TMWTGG Songs und den pompösen Bassey-Balladen deutlich reduzierter und harmonischer arrangiert ist. Toll ist auch, wie Hamlisch die Melodie in seinen Score verwebt, die Szene auf dem Nil mit Bond und Anya ist hier ein atmosphärischer Höhepunkt für mich und eine meiner liebsten Bond/Bondgirl-Szenen.
GoldenProjectile hat geschrieben: 25. Juli 2018 12:55
Hamlischs Arbeit rundet das stimmige Gesamtbild des Films zusätzlich ab
Zweifellos. Bond 77 ist wie du erwähnst eine der besten Interpretationen des Originalthemas, wenn nicht sogar die beste (und auf jeden Fall der 2006er-CR-Adaption von Arnold weit überlegen), das Atlantis-Thema ist klasse, aber richtig richtig richtig groß ist seine musikalische Unterstützung der stilistisch sehr schwierig zu vertonenden Pyramiden-Szene. Besonders Bonds Abgang am Ende ist der vielleicht coolste und zugleich selbstironischste Moment der Serie und zweifellos ein Highlight der Reihe. Auf dem Soundtrack dürfte das Stück "Conclusion" heißen. Hamlisch wird allgemein etwas unterschätzt in Fankreisen, ich finde er bringt etwas unverwechselbar eigenständiges in TSWLM, sodass ich mir einen Barry-Score zu diesem Film gar nicht vorstellen könnte. Gleichzeitig steht er aber sehr in den Traditionen der bisherigen Reihe, anders als beispielsweise ein Michael Kamen oder Eric Serra, die bei ihren späteren Arbeiten einen deutlich anderen Kurs einschlugen (ob gelungen oder nicht, ist dann eine andere Frage, aber zweifellos verlangte der Best-of-Bond TSWLM auch einen Bond-typischen Sound).
GoldenProjectile hat geschrieben: 25. Juli 2018 12:55
Roger Moore ist mit seinem dritten Abenteuer endgültig in der Bondrolle angekommen und liefert eine Interpretation, die sich vor Sean Connerys allerbesten Auftritten nicht zu verstecken braucht. Fieses Macho-Gehabe wie in den beiden Vorgängern gibt es keines mehr, stattdessen legt Moore noch mehr Wert auf Humor, Charisma und Heldentum und überzeugt damit auf ganzer Linie, völlig gleich ob in amourösen, witzigen oder ernsteren Momenten
Vielen Dank! Sehr sehr schön geschrieben. Der Moore von TSWLM - OP ist für mich der definitive Bond. Es stimmt, dass Moore in seinen beiden Vorgängern noch eine Spur mehr Macho-Gehabe à la Connery in seine Interpretation legt (auch wenn er dabei nie wirklich bösartig rüberkommt, das war einfach nicht sein Wesen), dennoch hast du völlig recht, dass eine gewisse Härte in seinem Auftreten auch danach nicht verloren geht (wie es anders oft in Fachbüchern suggeriert wird). Der recht zynische Kommentar zum kaltblütigen Mord an Sandor wäre hier nur ein Beispiel, aber es gibt auch andere tolle ernste Momente mit Moore. Ganz richtig erwähnst du hier die wunderschöne Szene, in der Anya herausfindet, wer ihren Freund auf dem Gewissen hat. Der Dialog zwischen den beiden ist auch ganz toll geschrieben - und in meinen Augen einerseits nachdenklich, aber nicht so aufdringlich wie in den späteren Brosnan und Craig Filmen bei ähnlichen Themen. "
In our business, Anya, people get killed. We both know that. So did he. It was either him or me." Und Moore spielt das ganz wunderbar, wen kümmert's, ob Dalton oder Connery ihr Schauspiel-Handwerk besser beherrschten? Nobody does it better.
Vollste Zustimmung auch zu Barbara Bach, Curd Jürgens und Richard Kiel. Gerade Jürgens gelingt das Kunststück, eine eigentlich langweilige, weil sehr wenig aktiv agierende Rolle mit sehr viel Gravitas auszugestalten, wobei er als Stromberg am ehesten einer mit Gesicht ausgestatteten Blofeld-Rolle nach dem Vorbild von FRWL und TB entspricht. Ein wenig erinnert er da an Joseph Wiseman in Dr. No, aber seine Figur ist sogar noch besser geschrieben, äußerst effektiv in ihrem Weltbild charakterisiert (die Szene, in der der dem Undercover-Bond seine Unterwasserwelt darstellt) und sein Abgang ist großes Kino. Eine starke Szene, die so völlig anders ist, als das Publikum hätte erwarten dürfen und extrem kaltschnäuzig präsentiert wird (zumal Roger gar nicht mehr aufhört, dem ablebenden Stromberg Kugeln in den Körper zu jagen). Zu Kiel braucht man nix sagen, der ist zurecht eine Ikone geworden, und Bach ist viel besser als ihr Ruf. Sie sieht fantastisch aus, spielt ihre wichtigsten Szenen sehr gut und hat mit Moore eine reizvolle Chemie. Gutes Casting, in allen Belangen, auch kleinere Nebenrollen in TSWLM (Fekkesh oder die Assistentin, die Stromberg am Anfang des Films über die Klinge springen lässt) haben das gewisse Etwas und machen sie äußerst erinnerungswürdig.