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von Thunderball1965
Agent
Eine besondere Herausforderung stellt es nun also dar, dem 4. James-Bond-Film, meinem Liebling TB, ein entsprechendes Review zu schreiben. Gleichzeitig schwirrt mir der Kopf ein wenig vom Lesen einer Ballnah-Ausgabe, für die ich damals keine Zeit hatte. Das kommt dabei raus:
FEUERBALL
Dominanter Connery-Bond
Was ich während der knapp 130 Minuten sehe: Einen Film, dem es gelingt, seine Handlung und seine Motive auszubalancieren. Sean Connery braucht nach GFnichts mehr in seiner Bonddarstellung auszuprobieren. Das Skript voller schlagfertiger Dialoge und zynischer Sprüche ist genau auf ihn zugeschnitten.
Das dient auch einer Idee des Films: 007 wird in dem Film als allen anderen überlegen dargestellt. So wurde das Verhalten der Rolle festgelegt, so wurde ihr Wissen aufgeteilt (Bond weiß meistens mehr). Dabei exemplarisch ist hier die Szene im Hotelzimmer, wo er Largos Spion erledigt. Er weiß Dinge, die der Zuschauer nicht weiß, provoziert überraschend, ist offensiv und weiß um das Risiko, das er für sich gering halten kann. 007 lässt Felix Largos Spion, den er erwartet hat, die Waffe zurückgeben, und gießt sich dabei ein Getränk ein.
Entsprechend wurden auch alle anderen Figuren kreiert, womit die Besetzung und die Rolle nach Drehbuch gemeint sind. 007 dominiert sie, so etwa auch den Antagonisten Emilio Largo (A. Celi). Dieser ist einerseits von Anfang an präsent (wie Goldfinger im Vorgängerfilm), arbeitet gleichzeitig für Phantom (wie Bonds Gegner in FRWL). Celi hat eine gute Leinwandpräsenz, in den Szenen mit Bond/Connery dominiert dieser nicht nur durch seine Wortgewandtheit und sein Verhalten, sondern auch durch sein Charisma. Man könnte ihn hier als omnipräsenten Dominator bezeichnen, wo er in GF noch passiv-abwartend bleiben musste, um sich schließlich gezielt aus Goldfingers Dominanz zu befreien. Aktiv konnte er damals nicht mithalten.
Ähnlich verhält es sich bei der Rolle in Bezug auf Domino: Sie fühlt sich zu Largo erotisch hingezogen, doch erliegt Bonds Charme. Am Ende hat Largo einen kurzen Augenblick des Triumphs über 007, als sie ihre Kräfte endgültig gegeneinander richten. Dadurch, dass Bond Largo als Liebhaber, ach als Mann überlegen ist, hat Largo hier aber schon verloren. Largos Tod trägt viel Symbolkraft.
Dramaturgie & Rhythmus
Feuerball beginnt mit einem kurzen Prolog, in dem 007 einen Phantom-Agenten in einem (sehr filmischen) Kampf ausschaltet. Filmische Choreographien haben die Besonderheit, dass die Umgebung immer wieder einbezogen wird. In der Literatur langweilen (mich) Beschreibungen von Handlungsorten. Unnütze Informationen, die die Seiten zumüllen. Wenn ein Ort präzise als Bild vorm geistigen Auge des Lesers erscheinen werden soll, ist so etwas notwendig, aber ein anderes Medium wäre geeigneter – ein Film oder Foto. Auf die Umgebung zurückgreifen ist also etwas Filmisches, und es passiert in TB an vielen Stellen. Der Effekt kann dabei in Kampfszenen sowohl Härte als auch Humor sein, oder gar eine Mischform. Jackie Chan ist ein filmischer Künstler, wenn er in Actionkomödien zu humoristischen Zwecken Gegenstände nutzt – und zweckentfremdet. Auch in Tanzszenen populärer Musicals wird immer wieder das Szenendekor genutzt. Nicht nur im Prolog, sondern auch in vielen anderen Momenten in TB greift 007 (oder jemand anderes), zu welchem Zweck auch immer, auf das Szenendekor zurück.
Der Übergang zwischen Exposition und Hauptteil verläuft schwammig. 007 und feindliche Spione geraten bereits aneinander, bevor er seine Mission bekommt. Danach soll es noch eine Weile dauern, bis Q auftritt und ihn mit Gadgets versorgt. Auch sonst verhält sich TB ungewöhnlich: Statt den zeitlichen Druck, unter dem 007 steht, auszuschlachten, bleibt er fast majestätisch ruhig und passt sich rhythmisch an die Unterwasserszenen an, indem er eine ruhige Erzählgeschwindigkeit wählt, die daher passt, weil hier die Handlung jeweils an festen Orten stattfindet: erst in einem Rehabilitationszentrum, dann in den Bahamas.
Der Höhepunkt des Films ist das Duell zwischen 007 und Fiona. Sie hatte Bond schon vorher im Auftrag Phantoms das Leben gerettet, als ein Gegner für sein Versagen mit dem Tod bestraft werden sollte. Fiona verhält sich auch geschickter als Largo, als sie diesem erklärt, dass er 007 noch nicht töten lassen kann – es wäre die Bestätigung, dass er die gestohlenen Atombomben entdeckt hat. Gleichzeitig ist sie die einzige Person, die 007 in diesem Film lange nicht unterlegen ist – einzig durch die an ihr Geschlecht geknüpften Konventionen kann er sie besiegen.
Um die Größe und Bedeutung des Konflikts greifbar zu machen, kommt es im letzten Drittel zum Aufeinandertreffen Largos und Bonds, beide mit ihren Verbündeten. Die Szene ist rhythmisch und zeitlich an die Laufzeit des Films angepasst sowie an die Handlungsverteilung: Sie spielt, wie ein Viertel des Films, unter Wasser. Die Ereignisfrequenz soll hierbei nicht auf Grund gehen, so improvisiert Bond einen Rundgang, ohne speziell gegen einzelne Gegner anzutreten. Er sticht so mit einer Freirolle aus den „Unterwassersoldaten“ hervor, was mit seiner dominanten Rolle einhergeht.
Der Film endet mit einem Knall. Am Ende fehlt vielleicht ein kurzer Spruch Bonds als Abschied an den Zuschauer. Dass er fehlt, mindert die Qualität der knapp 130 Minuten vorher marginal.
Am Ende sei noch auf ein weiteres filmisches Mittel verwiesen: In TB gibt es nicht nur regelmäßig Zugriff auf das Szenedekor, sondern auch eine Art filmischer Euphemismen. Statt ein Ereignis zu zeigen, bewegt sich die Kamera oder es wird zu einer Aufnahme geschnitten, die auf das nicht gezeigte Ereignis verweist bzw. es in poetischer Weise umschreibt. Top Secfret! etwa parodiert dieses filmische Stilmittel, indem der „Schwenk von 2 Liebenden weg zu einem brennenden Kaminfeuer“ durch den Kakao gezogen wird. In TB passiert das aber nicht auf eine platte Weise, sondern so effektiv, dass für die Ultimate Edition ein solcher umschreibender Shot verfälscht wird (und damit seinen Sinn verliert).
Fazit
TB funktioniert nicht nur als Bondfilm, sondern auch als einer, der seine filmimmanenten Möglichkeiten zu nutzen weiß. Das Ergebnis ist eine abwechslungsreiche Narration und Balance in der Umsetzung seiner Themen. Die Figurenkonstellation und das Machtverhältnis werden variiert, ohne die Bondformel aus den Augen zu verlieren. TB wirkt gleichzeitig kreativ wie routiniert, mag auf den ersten Blick viele bondtypische Elemente beinhalten, unterscheidet sich aber in der Erzählweise, Rhythmus sowie Figurenbalance von vielen und bringt einige oft wiederholte Elemente hervor, die aber nie so flüssig und notwendig wie hier wirken werden.-
Zuletzt geändert von
Thunderball1965 am 12. November 2016 15:38, insgesamt 1-mal geändert.
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