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von HCN007
Agent
iHaveCNit: Free Solo (2019)
21.03.2019
Ich liebe das Kino als Erlebnisort, das einen auf eine mitreißende Reise nimmt. Gerade Dokumentarfilme können als Erlebnis ihren gewissen Reiz ausüben und da war es für mich klar, nicht nur weil dieser Film aktuell den Oscar als „Bester Dokumentarfilm“ erhalten hat, mir „Free Solo“ im Kino anzusehen. Denn „Free Solo“ ist aktuell der beste Film, den ich in diesem Jahr im Kino erleben durfte, weil er auf so vielen Ebenen so viel richtig macht.
Alex Honnold, Jahrgang 85, ist einer der besten Kletterer seiner Zunft und auf dem Zenit seiner Karriere, doch ein Ziel hat es ihm richtig angetan. Der „El Capitan“ im Yosemite Nationalpark mit seiner Steilwand und einer speziellen Route von 915 Metern, für die sich Alex akribisch vorbereitet, während eine Filmcrew um den Profikletterer Jimmy Chin ihn dabei begleitet. Das besondere an diesem Aufstieg ist, dass Alex einen sogenannten „Free Solo“-Aufstieg plant – ganz ohne Sicherung. Und genau dieses tödliche Risiko setzt sowohl ihn, die Crew und auch seine neue Freundin Sannie unter enormen Druck, denn nach einigen schmerzhaften und auch traurigen Rückschlägen kann es sowohl Alex größter Triumph seines Lebens werden – oder auch das Letzte, was er in seinem noch jungen Leben tun wird.
Das Kino als Erlebnisort. Das Leben bietet und schreibt die besten Erlebnisse und Dokumentationen können das auf perfekte Art und Weise filmisch aufbereiten. „Free Solo“ hätte eine relativ normale Kletterdokumentation werden können, ist es aber zum Glück nicht geworden. Denn der gute Alex Honnold, den wir hier begleiten ist ein introvertierter und sehr ehrgeiziger Typ, dem man im Klettern kaum etwas vormacht, aber in zwischenmenschlichen Angelegenheiten ein sonderbarer Typ ist. So fokussiert sich „Free Solo“ auch sehr in die Richtung einer sehr toll ausgearbeiteten Charakterstudie um das Innenleben von Alex und man geht natürlich noch auf die emotionale und sehr ambivalente Rolle seiner Beziehung zu Sannie – sowie auch auf die Verantwortung der Filmcrew ein. Darüber hinaus ist der Film nicht müde, uns auf schmerzliche und tragische Art und Weise zu vermitteln, welche tödlichen Gefahren dahinter stecken, was für den Zuschauer eine extrem emotionale Fallhöhe (im wahrsten Sinne des Wortes) liefert, so wie es normale Filme niemals schaffen würden. Immer wieder sehen wir kurze Vorbereitungen auf schwierige Abschnitte des Aufstiegs und mit welch akribischer Vorbereitung Alex diese Abschnitte einstudiert, bis es dann im letzten Drittel dann auch endlich zum finalen Showdown kommt, dessen Ausgang zwar bekannt ist, aber durch die bis dahin gut eingewobene Dramaturgie eine unfassbare Spannung entwickelt. Und man darf natürlich auch nicht die großartige Kameraarbeit unerwähnt lassen, die dem ganzen Akt noch atemberaubende Bilder liefert und auch ein richtiges Gespür für die Gefahr dahinter gibt. Da habe ich mich auch teilweise regelrecht gefragt, wie die das alles bei der einen Klettertour gefilmt – und dann auch geschnitten haben, denn da ist neben dem Gefühl für Weite auch eine sehr intime Nähe zu Alex vorhanden, die einen fast hautnah an die Felswand drückt. Dazu bekommen wir noch einen interessanten, treibend atmosphärischen Score von Marco Beltrami spendiert. Schade, dass der Film nach 97 Minuten bereits vorbei ist, denn ich hätte Alex stundenlang übers Klettern und sein Mindset philosophieren zuhören und beim Klettern zuschauen können.
Etwas was mich für den Film freut ist, dass er vor allem bei meiner Kinovorstellung eine so tolle Resonanz an Zuschauern bekommen hat und der Saal sehr gut gefüllt war. Eine andere Sache hat mich dann doch gestört und dafür kann der Film als solches weniger etwas. Normalerweise hätte ich erwartet, dass der Film in der Originalfassung mit ggf. Untertiteln läuft, leider hat man sich dafür entschieden, den Film auf deutsch zu synchronisieren und diese Synchronisation einfach auf die Originalfassung als Tonspur drüber zu legen, was natürlich etwas ungünstig ist, wenn man zwei unterschiedliche Stimmen wahrnimmt. Aber das ist für mich kein Grund, diesem Film einen Punkt abzuziehen. Mal sehen, ob ich dann im Heimkino in den Genuss der Originalfassung mit ggf. Untertiteln kommen kann.
„Free Solo“ - My First Look – 10/10 Punkte.
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