Expression of momentary desires – Roman Polański & seine Filme
Verfasst: 23. Januar 2024 12:42
Filme müssen im Kontext ihrer Zeit gesehen werden. Im Falle der Filme von Roman Polański gilt allerdings insbesondere: Seine Filme müssen im Kontext seines Lebens gesehen werden. 1933 geboren als Raymond Thierry Liebling musste seine jüdische Familie aus Frankreich flüchten, als der Antisemitismus dort immer präsenter wurde. So wuchs er im Krakauer Ghetto während des Zweiten Weltkriegs auf und erlebte die Judenverfolgung aktiv mit. Während des Zweiten Weltkriegs wurde seine Familie in Konzentrationslager deportiert, seine Mutter und seine Schwester starben beide in Auschwitz. Polański selbst entkam aus dem Ghetto und lebte in verschiedenen Verstecken, konnte erst nach dem zensiert der Roten Armee in Krakau anfangen, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Heute bezeichnet er sich nicht mehr als Juden, sondern als Atheisten.
Erst machte er sich als Kinderdarsteller in Polen einen Namen, dann stieg er in der dortigen Filmlandschaft auf. 1962 inszenierte er seinen ersten Spielfilm "Das Messer im Wasser", gewann dafür den Kritikerpreis bei den Filmfestspielen in Venedig und wurde bei den Oscars in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" nominiert. Mit dem gesellschaftskritischen Beziehungsdrama hatte seine Karriere also mit großen Würdigungen begonnen, brachte ihm in seiner Heimat aber politische Probleme, als Parteichef Władysław Gomułka den Film scharf kritisierte. Sein erster sollte somit sein letzter polnischer Film bleiben: 1963 emigrierte er aus Polen und lebte fortan erst in Paris, dann in England. Dort drehte er seine nächsten drei Filme: "Ekel", "Wenn Katelbach kommt …" und "Tanz der Vampire", die ihm alle drei Anerkennung brachten und ihn als Kunstfilmer etablierten. Beim "Tanz der Vampire"-Dreh lernte er Schauspielerin Sharon Tate kennen, die er später heiratete.
Nach mehreren europäischen Filmhits hieß es für Polański: Ab nach Hollywood. 1968 drehte er dort seinen stilbildenden Horrorklassiker "Rosemaries Baby", der nicht nur durch seine strenge und präzise Regie zum Meisterwerk wurde, sondern auch durch seine Vorlagentreue besticht. Polański hatte den Roman des Bestsellerautoren Ira Levin so exakt wie möglich adaptiert. Der unbedingte Wille, literarische Vorlagen genau zu adaptieren, sollte sich durch sein Lebenswerk ziehen. Im August 1969 wurde die hochschwangere Sharon Tate zusammen mit vier weiteren Menschen (darunter einer von Polańskis engsten Freunden) in Kalifornien von Anhängern des Sektenanführers Charles Manson ermordet.
Trotz seiner tiefen Trauer drehte er nur zwei Jahre später wieder Filme, in denen er seine Depressionen und den Verlust verarbeitete. In seiner "Macbeth"-Verfilmung ähnelt so manch verdorbener Charakter unverkennbar Charles Manson, in "Was?" geht es um die körperliche Ausbeutung einer jungen Frau und für seinen Film-Noir "Chinatown" schrieb er den Schlussteil des Drehbuchs von Robert Towne um, um aus einem optimistischen Ende eines der depressivsten der US-Filmgeschichte zu machen. Mit "Chinatown" war er endgültig in die Champions League der Regie-Genies der 70er Jahre aufgestiegen. Der düstere Detektiv-Krimi mit Jack Nicholson und Faye Dunaway wurde für elf Oscars nominiert, allerdings gewann nur Towne für sein Drehbuch.
Nun lässt sich nicht über Polański sprechen, ohne zu erwähnen, was dann geschah: 1977 wurde er wegen "Vergewaltigung unter Verwendung betäubender Mittel" der 13-jährigen Samantha Gailey angeklagt. Um das junge Mädchen vor einer Aussage vor Gericht zu schützen, schlug ihr Anwalt vor, die Klage auf "außerehelichen Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen" zu vermindern. Als das geschah, gestand der Filmemacher seine Schuld ein. Er floh aus den USA nach Frankreich und vermied fortan Länder, die ihn in die Vereinigten Staaten ausgeliefert hätten. "Chinatown" blieb somit sein letzter US-amerikanischer Film.
Die Flucht aus den USA und die Vergewaltigung sorgten nicht für sein Karriereende. Er drehte später noch einige Filme, die sich heute als moderne Klassiker bezeichnen lassen oder zumindest aber von Kritikern in höchsten Tönen gelobt wurden: "Tess", "Bitter Moon", "Der Tod und das Mädchen" oder "Der Ghostwriter" zählen dazu. 2001/2002 drehte er erstmals wieder in seinem Heimatland Polen das Holocaust-Drama "Der Pianist", für das er eine Goldene Palme in Cannes erhielt sowie drei Oscars (darunter einen in der Kategorie "Beste Regie"). Selbst abholen konnte er sich seinen Goldjungen nicht, im Saal gab es aber stellvertretend stehende Ovationen aus dem Publikum.
Was Roman Polański in seinen Filmen erzählt, sind trotz seiner vielen Literaturverfilmungen immer verknappte Versionen seines eigenen Lebens. Dennoch lehnt Polański es seit jeher ab, in Interviews all zu viel über sich selbst zu erzählen. Verschiedene Autoren von Polański-Biographien gaben zu, dass er sich als Persönlichkeit kaum in die Karten schauen lässt. Schreibt oder spricht er selbst über sich, geschieht das zumeist in Anekdoten. Er mag eine Person der Öffentlichkeit sein, und seine Seele für seine Filme öffnen, ein offener Mensch ist er aber deshalb nie geworden. Polański kennenlernen zu wollen heißt in erster Linie, seine Filme zu schauen. Sie handeln von ihm: Von Flucht, von Trauer, von Schuld, von Sex und vor allem von selbstzerstörerischem Verhalten. Sie erzählen die Geschichte eines Mannes, der sowohl Opfer als auch Täter gewesen ist, der Leid erfahren hat und sich durch das Leid nie hat brechen lassen. Mit seinem umfangreichen Lebenswerk hat er der Filmwelt nicht nur einige Klassiker und Meisterwerke hinterlassen, sondern vor allem eben auch sich selbst.
1962: Das Messer im Wasser (Nóż w wodzie)
1965: Ekel (Repulsion)
1966: Wenn Katelbach kommt… (Cul-de-Sac)
1967: Tanz der Vampire (Dance of the Vampires/The Fearless Vampire Killers)
1968: Rosemaries Baby (Rosemary’s Baby)
1971: Macbeth
1973: Was? (Che?)
1974: Chinatown
1976: Der Mieter (Le locataire)
1979: Tess
1986: Piraten (Pirates)
1988: Frantic
1992: Bitter Moon (Lunes de fiel)
1994: Der Tod und das Mädchen (Death and the Maiden)
1999: Die neun Pforten (The Ninth Gate)
2002: Der Pianist (The Pianist)
2005: Oliver Twist
2010: Der Ghostwriter (The Ghost Writer)
2011: Der Gott des Gemetzels (Carnage)
2013: Venus im Pelz (La Vénus à la fourrure)
2017: Nach einer wahren Geschichte (D'après une histoire vraie)
2019: Intrige (J’accuse)
2023: The Palace
Erst machte er sich als Kinderdarsteller in Polen einen Namen, dann stieg er in der dortigen Filmlandschaft auf. 1962 inszenierte er seinen ersten Spielfilm "Das Messer im Wasser", gewann dafür den Kritikerpreis bei den Filmfestspielen in Venedig und wurde bei den Oscars in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" nominiert. Mit dem gesellschaftskritischen Beziehungsdrama hatte seine Karriere also mit großen Würdigungen begonnen, brachte ihm in seiner Heimat aber politische Probleme, als Parteichef Władysław Gomułka den Film scharf kritisierte. Sein erster sollte somit sein letzter polnischer Film bleiben: 1963 emigrierte er aus Polen und lebte fortan erst in Paris, dann in England. Dort drehte er seine nächsten drei Filme: "Ekel", "Wenn Katelbach kommt …" und "Tanz der Vampire", die ihm alle drei Anerkennung brachten und ihn als Kunstfilmer etablierten. Beim "Tanz der Vampire"-Dreh lernte er Schauspielerin Sharon Tate kennen, die er später heiratete.
Nach mehreren europäischen Filmhits hieß es für Polański: Ab nach Hollywood. 1968 drehte er dort seinen stilbildenden Horrorklassiker "Rosemaries Baby", der nicht nur durch seine strenge und präzise Regie zum Meisterwerk wurde, sondern auch durch seine Vorlagentreue besticht. Polański hatte den Roman des Bestsellerautoren Ira Levin so exakt wie möglich adaptiert. Der unbedingte Wille, literarische Vorlagen genau zu adaptieren, sollte sich durch sein Lebenswerk ziehen. Im August 1969 wurde die hochschwangere Sharon Tate zusammen mit vier weiteren Menschen (darunter einer von Polańskis engsten Freunden) in Kalifornien von Anhängern des Sektenanführers Charles Manson ermordet.
Trotz seiner tiefen Trauer drehte er nur zwei Jahre später wieder Filme, in denen er seine Depressionen und den Verlust verarbeitete. In seiner "Macbeth"-Verfilmung ähnelt so manch verdorbener Charakter unverkennbar Charles Manson, in "Was?" geht es um die körperliche Ausbeutung einer jungen Frau und für seinen Film-Noir "Chinatown" schrieb er den Schlussteil des Drehbuchs von Robert Towne um, um aus einem optimistischen Ende eines der depressivsten der US-Filmgeschichte zu machen. Mit "Chinatown" war er endgültig in die Champions League der Regie-Genies der 70er Jahre aufgestiegen. Der düstere Detektiv-Krimi mit Jack Nicholson und Faye Dunaway wurde für elf Oscars nominiert, allerdings gewann nur Towne für sein Drehbuch.
Nun lässt sich nicht über Polański sprechen, ohne zu erwähnen, was dann geschah: 1977 wurde er wegen "Vergewaltigung unter Verwendung betäubender Mittel" der 13-jährigen Samantha Gailey angeklagt. Um das junge Mädchen vor einer Aussage vor Gericht zu schützen, schlug ihr Anwalt vor, die Klage auf "außerehelichen Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen" zu vermindern. Als das geschah, gestand der Filmemacher seine Schuld ein. Er floh aus den USA nach Frankreich und vermied fortan Länder, die ihn in die Vereinigten Staaten ausgeliefert hätten. "Chinatown" blieb somit sein letzter US-amerikanischer Film.
Die Flucht aus den USA und die Vergewaltigung sorgten nicht für sein Karriereende. Er drehte später noch einige Filme, die sich heute als moderne Klassiker bezeichnen lassen oder zumindest aber von Kritikern in höchsten Tönen gelobt wurden: "Tess", "Bitter Moon", "Der Tod und das Mädchen" oder "Der Ghostwriter" zählen dazu. 2001/2002 drehte er erstmals wieder in seinem Heimatland Polen das Holocaust-Drama "Der Pianist", für das er eine Goldene Palme in Cannes erhielt sowie drei Oscars (darunter einen in der Kategorie "Beste Regie"). Selbst abholen konnte er sich seinen Goldjungen nicht, im Saal gab es aber stellvertretend stehende Ovationen aus dem Publikum.
Was Roman Polański in seinen Filmen erzählt, sind trotz seiner vielen Literaturverfilmungen immer verknappte Versionen seines eigenen Lebens. Dennoch lehnt Polański es seit jeher ab, in Interviews all zu viel über sich selbst zu erzählen. Verschiedene Autoren von Polański-Biographien gaben zu, dass er sich als Persönlichkeit kaum in die Karten schauen lässt. Schreibt oder spricht er selbst über sich, geschieht das zumeist in Anekdoten. Er mag eine Person der Öffentlichkeit sein, und seine Seele für seine Filme öffnen, ein offener Mensch ist er aber deshalb nie geworden. Polański kennenlernen zu wollen heißt in erster Linie, seine Filme zu schauen. Sie handeln von ihm: Von Flucht, von Trauer, von Schuld, von Sex und vor allem von selbstzerstörerischem Verhalten. Sie erzählen die Geschichte eines Mannes, der sowohl Opfer als auch Täter gewesen ist, der Leid erfahren hat und sich durch das Leid nie hat brechen lassen. Mit seinem umfangreichen Lebenswerk hat er der Filmwelt nicht nur einige Klassiker und Meisterwerke hinterlassen, sondern vor allem eben auch sich selbst.
1962: Das Messer im Wasser (Nóż w wodzie)
1965: Ekel (Repulsion)
1966: Wenn Katelbach kommt… (Cul-de-Sac)
1967: Tanz der Vampire (Dance of the Vampires/The Fearless Vampire Killers)
1968: Rosemaries Baby (Rosemary’s Baby)
1971: Macbeth
1973: Was? (Che?)
1974: Chinatown
1976: Der Mieter (Le locataire)
1979: Tess
1986: Piraten (Pirates)
1988: Frantic
1992: Bitter Moon (Lunes de fiel)
1994: Der Tod und das Mädchen (Death and the Maiden)
1999: Die neun Pforten (The Ninth Gate)
2002: Der Pianist (The Pianist)
2005: Oliver Twist
2010: Der Ghostwriter (The Ghost Writer)
2011: Der Gott des Gemetzels (Carnage)
2013: Venus im Pelz (La Vénus à la fourrure)
2017: Nach einer wahren Geschichte (D'après une histoire vraie)
2019: Intrige (J’accuse)
2023: The Palace