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von GoldenProjectile
'Q Branch' - MODERATOR
The Boys (2019)
The Boys ist die brandneue Serienadaptation eines Indie-Comics von Garth Ennis und Darick Robertson. Die Geschichte spielt in einer Welt, in der Superhelden existieren, aber hinter ihren glänzenden Fassaden überwiegend korrupte, zynische Egoisten sind, die sich viel mehr für ihr Image und für ihre öffentlichkeitswirksame Vermarktung interessieren als für tatsächliche Heldentaten. Ein riesiger Marketingkonzern kümmert sich darum, diese Helden der Masse als Stars zu verkaufen und alles Drum und Dran zu pflegen. Aber eine kleine Gruppe Normalsterblicher sieht hinter die Maskerade und versucht, den zynischen Spuk zu Fall zu bringen.
Die acht Episoden bieten gutes bis sehr gutes Material und kombinieren wenn man so will das Helden- und Weltbild von Watchmen, ironische Parodie auf sehr vertraute Figuren und Archetypen (die dargestellten Superhelden sind grösstenteils sehr präzise DC's Justice League nachempfunden) und noch vertrautere Publikumsnachfragen (die aktuelle Marvel-Welle, mit dem Unterschied dass es in der Serie weniger (aber auch) um Filmsequels geht als um medienwirksam inszenierte "echte" Abenteuer) mit figurenorientierten Szenen und Spionage- und Heist-Momenten. Das macht alles Spass, wirkt durchdacht, ist teils erstaunlich stark inszeniert und gut gespielt von einem grummelig-knallharten Karl Urban, den üblichen TV-Gesichtern und einigen spannenden Besetzungen in den Nebenrollen (Simon Pegg, Giancarlo Esposito, Haley Joel Osment).
Aber ich habe ein grosses Problem, das weniger inhaltlicher als struktureller Natur ist und auch weniger mit der Serie an sich zu tun haben mag als mit dem Serienformat im Allgemeinen, mir beim gestrigen Abschluss der acht Episoden aber noch einmal deutlich aufgezeigt hat, warum ich TV-Serien normalerweise aus Prinzip meide und mich auf Kinofilme konzentriere. Es gibt keinen Abschluss, kein Ende. Die bei Amazon veröffentlichte Staffel endet mit einem müden Cliffhanger, kein einziges inhaltliches Element der acht Stunden wird in sich abgeschlossen, es muss und wird einfach in der nächsten Staffel nahtlos weitergehen und ich habe gerade so gar keine Lust, jetzt darauf zu warten, mir weitere acht Stunden anzuschauen nur damit es sehr wahrscheinlich immer noch nicht zu Ende ist. Und deswegen wollte und könnte ich mich nie vollends auf das Erzählformat der TV-Serien einlassen, wie ich es mit Kinofilmen kann. Als ich Fukunaga zuliebe True Detective geschaut habe, habe ich einen achtstündigen Film gesehen, was schon ein harter Brocken ist, letzte Woche habe ich die ersten acht Stunden eines Films gesehen, der weiss nicht wie lange dauern wird. Nach siebeneinhalb von acht Stunden The Boys habe ich mir noch gedacht, dass es bisher kaum verschwendete Erzählzeit gab (bis auf ein paar kleine Aquaman-Szenen), aber als sich die letzte Folge dem Ende zuneigte fing ich an, mir Sorgen zu machen. Und zurecht, weil diese ganze Staffel keinen Millimeter weit als in sich geschlossenes Seherlebnis funktioniert, sondern mittendrin endet und mich zwingen will, noch viel mehr Zeit zu investieren (ich überlege immer, wie viel unterschiedliche Kinofilme man anstelle so einer Serie schauen könnte).
Schimpftirade gegenüber TV-Serien over: Ich hatte viel Spass mit The Boys und hätte gern 8 Punkte vergeben, aber die erneute Desillusionierung gegenüber dem Format hat mir am Ende etwas von dem Spass genommen, daher 7 / 10.
We'll always have Marburg
Let the sheep out, kid.