Cine-Ein-Mal-Eins: Filmformate

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Hier nun nicht direkt über Filme, sondern mehr behind the Scenes:

Filmformate. Es gibt dutzende und man hört oft Cinemascope, VistaVision, Panavision oder auch Techniscope. Was sich dahinter verbirgt kann man sehr anschaulich auf folgender Seite lesen, besonders interessant für diejenigen die wissen wollen ob das Bildformat der LieblingsDVD auch wirklich dem original-Film entspricht:

http://www.dvdlog.de/filmformate/filmformate.htm

Tatsächlich werden im Fernsehen schätzungsweise 80% der Filme beschnitten. Oftmals müsste das Bild breiter und dementsprechend schwarze Balken unten und oben im Film dementsprechend präsenter sein. Dementsprechend sieht man im Fernsehen häufig ein beschnittenes Bild (Links und Rechts fehlen Bildteile!).
Erfreulich ist der Trend mit dem Aufkommen von Flachbildschirmen, dass allen voran die öffentlich rechtlichen Filme unbeschnitten zeigen d.h. im Originalformat. Dies bedingt auch dadurch, dass die Flachbildschirme meist breiter als ihre Röhren-Vorgänger sind.
"In a Bond film you aren't involved in cinema verite or avant-garde. One is involved in colossal fun."

Terence Young

Re: Cine-Ein-Mal-Eins: Filmformate

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Ich würde diesen Thread gerne etwas aus der Versenkung holen, primär um selber etwas über Formate, Aufnahmeverfahren und Bildausschnitte zu lernen, ein Thema, welches mich schon länger reizt, in dem ich mich aber doch noch nie so vertieft habe wie ich es gern hätte.

Vielleicht als kleiner Auftakt (ich hoffe dass das thematisch überhaupt dazu passt): Ein Freund von mir der selber Regisseur ist hat mir jetzt gerade erzählt, dass Filme heute fast schon ausschliesslich digital gedreht werden. Stimmt das wirklich? Wenn ja, was sind die markantesten Unterschiede?
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Re: Cine-Ein-Mal-Eins: Filmformate

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GoldenProjectile hat geschrieben:Vielleicht als kleiner Auftakt (ich hoffe dass das thematisch überhaupt dazu passt): Ein Freund von mir der selber Regisseur ist hat mir jetzt gerade erzählt, dass Filme heute fast schon ausschliesslich digital gedreht werden. Stimmt das wirklich? Wenn ja, was sind die markantesten Unterschiede?
Das stimmt, mittlerweile werden die meisten Produktionen digital gedreht. Der Grund ist einfach: es ist idR preiswerter und einfacher handzuhaben. Beispielsweise lassen sich die Aufnahmen direkt nachdem sie abgedreht sind begutachten, ohne dass sie erst noch entwickelt werden müssen. Auch lassen sich in der Postproduction digitale Aufnahmen deutlich einfacher und umfangreicher bearbeiten, zB in der Farbgebung. Die heute obligatorischen CGI (ist keine Häme, sondern heutzutage benutzt wirklich praktisch jeder Film in irgendeiner Form CGI) lassen sich ebenfalls einfacher integrieren. Künstlerisch und Qualitativ scheiden sich die Geister, digitale Aufnahmen wirken für viele oft etwas "charakterlos" und steril, nichtzuletzt wegen des fehlenden Filmkorns (wesewegen dies häufig nachträglich digital hinzugefügt wird, sogenanntes "regraining"). Der Aufnahmestandard was bis vor kurzem 2K-Auflösung, was grob Bluray-Qualität entsprcht und in der Auflösung unter dem liegt, was mit 35mm oder gar mit hochauflösenden Formaten wie 70mm oder Vistavision möglich ist bzw. war. Mittlerweile wird auch in 4K und nochhöher gedreht (ich meine Exodus war 6k), was allerdings wieder dadurch relativiert wird, dass die Postproduction zumeist immernoch aus Kosten- und Aufwandsgründen in 2K durchgeführt wird, wodurch das hochauflösende Aufnahmematerial so oder so wieder runtergerechnet werden muss und damit letztlich hinter den Möglichkeiten zurückbleibt. Ist ein sehr weites Feld und ich habe jetzt mal nur ein paar grobe Sachen genannt, in kürze bleibt aber festzuhalten, dass der momentan größte Nachteil der digitalen Aufnahmetechnik der ist, dass sie gegenüber der analogen Technik noch in den Kinderschuhen steckt.
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Re: Cine-Ein-Mal-Eins: Filmformate

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Schon ironisch, dass 35mm bessere Auflösung hat als das gängige digitale Format. Aber die zunehmende Digitalisierung der gesamten Kunst- und Medienwelt (die mir teilweise echt wie ein forcierter Trend erscheint) "fordert" das halt, und das obwohl es früher analog mindestens genauso gut funktioniert hat.
AnatolGogol hat geschrieben:mit hochauflösenden Formaten wie 70mm oder Vistavision möglich ist
VistaVision ist das Hitchcock-Format, oder? Was macht das denn in Sachen Auflösung (und Bildbreite?) so speziell? Ist doch auch 35mm wie alle gängigen analogen Filmformate, wenn ich das richtig sehe.
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Re: Cine-Ein-Mal-Eins: Filmformate

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GoldenProjectile hat geschrieben:VistaVision ist das Hitchcock-Format, oder?
Ja, VV ist Paramounts Breitbild-Format und Hitch hat drei seiner bekanntesten Filme in diesem Format gedreht: Thief, Vertigo und Northwest.
GoldenProjectile hat geschrieben:Was macht das denn in Sachen Auflösung (und Bildbreite?) so speziell? Ist doch auch 35mm wie alle gängigen analogen Filmformate, wenn ich das richtig sehe.
Der Clou an VV ist, dass der 35mm-Film horizontal statt vertikal durch die Kamera läuft, wodurch die Breite zur Höhe und dadurch zusätzliche Auflösung gewonnen wird. Das maximal mögliche Format ist irgendwo bei 1.75:1, ein breiteres Format wäre nur mit reduzierter Höhe und damit auch verringerter Auflösung möglich, was den Sinn von VV aber mehr oder weniger zunichte machen würde (da man sich dann ja wieder der "normalen" 35mm Auflösung annähern würde). Dafür gab es ja dann ja die deutlich breiteren 70mm-Varianten.
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VistaVision-Filmformat

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Der Einsatz des VistaVision-Filmnegativs sollte sich bei der Erstellung der Spezialeffekte auf Filmträgermaterial bei den ersten drei »Krieg der Sterne«-Verfilmungen noch als besonderer Qualitäts-Trumpf erweisen.
Ich verweise mal auf den entsprechenden Text bei wikipedia:

... Wegen der Qualität der (im Gegensatz zu Cinemascope) unkomprimierten Bildfläche benutzte 1975 die Spezialeffekt-Firma ILM für den Science-Fiction-Film Star Wars eine vom Kameramann John Dykstra umgebaute VistaVision-Kamera, die er dann Dykstraflex nannte und für die er 1978 einen Oscar bekam. Für die folgenden 20 Jahre wurde die Technik noch des Öfteren für Spezialeffekte eingesetzt. Obwohl heutzutage die Verwendung von Computern das Spezialeffektegenre dominiert, wurde selbst für den 2008 gedrehten Film Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels noch für einige Effekte das VistaVision Verfahren benutzt.

... Bei diesem Verfahren wird 35-mm-Film benutzt, der jedoch nicht wie üblich vertikal, sondern horizontal durch die Filmkamera läuft. Dabei werden jeweils zwei 35-mm-Bildfelder (über eine Länge von 8 anstatt 4 Perforationslöcher) belichtet, was ein Seitenverhältnis von 1,96:1 ermöglicht. Gegenüber normalem 35-mm-Kinofilm ist die Bildfläche um bis zu 2,66-fach größer, was einen deutlichen Qualitätsgewinn bedeutet.

... Zur Wiedergabe in den Kinos wird der Film optisch auf vertikalen 35-mm-Normalfilm verkleinert. Dadurch kann er mit gewöhnlichen Kinoprojektoren wiedergegeben werden. Spezielles teures Wiedergabeequipment wird nicht benötigt, was diese Technik von vielen anderen Breitbildverfahren der 1950er-Jahre unterscheidet, die sich dadurch auch nur wenig verbreiteten. Lediglich zur Aufnahme werden spezielle, oftmals umgebaute, Kameras benutzt. Die Filme können durch passende Einstellung des Projektors sowohl im Seitenverhältnis 1,66:1 als auch in 1,85:1 und 2:1 gezeigt werden, was gegenüber einigen anderen Technologien der damaligen Zeit ein Vorteil war.



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Re: Cine-Ein-Mal-Eins: Filmformate

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Danke für deine Ausführungen, photographer.

Die VistaVision-Filme können also auf herkömmlichen Projektoren mittels Konvertierung in das gewohnte vertikale 35mm-Format abgespielt werden, aber soweit ich weiss gab es sogar Equipment um VistaVision horizontal und dann natürlich doppelt so schnell zu zeigen. Ist die Option, zwischen 1.66 und 1.85 zu wechseln (2:1 schaut doch keiner, hab ich nie von gehört) denn auf jedem Projektor vorhanden?
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Re: Cine-Ein-Mal-Eins: Filmformate

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Noch eine Ergänzung zur Verwendung von VV (wie auch von 70mm) zur Erstellung von Spezialeffekten: der Hintergrund hierfür ist, dass für die Erstellung der Effekte das Negativ mehrfach durch die Kamera musste und damit auch immer wieder neu entwickelt werden musste (wegen der verschiedenen Layer/Ebenen, aus denen die Effektaufnahmen sich zusammensetzten). Bei jedem Kopiervorgang geht Auflösung verloren, weswegen man bei den Effekten im Gegensatz zu den herkömmlichen Szenen der betroffenen Filme mit hochauflösendem Material arbeitete. Hätte man dies nicht getan, wäre die Qualität der Effektszenen drastisch schlechter gewesen als der Rest des Films.
GoldenProjectile hat geschrieben: Ist die Option, zwischen 1.66 und 1.85 zu wechseln (2:1 schaut doch keiner, hab ich nie von gehört) denn auf jedem Projektor vorhanden?
Ob es mit wirklich jedem Projektor geht kann ich dir nicht zweifelsfrei sagen, bei den meisten Kinoprojektoren ist das Einstellen verschiedener "Maskierungen" aber problemlos möglich. Dies ermöglicht es den Kinos zB auch TV-Produktionen auf 16:9 zu kaschen, abwohl dadurch natürlich Bildinformationen oben und untern verloren gehen.
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Re: Cine-Ein-Mal-Eins: Filmformate

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AnatolGogol hat geschrieben:Dies ermöglicht es den Kinos zB auch TV-Produktionen auf 16:9 zu kaschen, abwohl dadurch natürlich Bildinformationen oben und untern verloren gehen.
Wobei ich finde dass Bildbeschneidungen am oberen und unteren Rand um künstlich einen auf Breitwand zu machen genauso unverzeihlich ist wie das Umgekehrte, also breitere Filme im TV zu strecken.
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Re: Cine-Ein-Mal-Eins: Filmformate

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GoldenProjectile hat geschrieben:Wobei ich finde dass Bildbeschneidungen am oberen und unteren Rand um künstlich einen auf Breitwand zu machen genauso unverzeihlich ist wie das Umgekehrte, also breitere Filme im TV zu strecken.
Da bin ich ganz bei dir, wobei es aber auch viele Produktionen gibt, die "open matte", also in einem 4:3-Format, gedreht wurden, bei denen die Bildinszenierung aber so gestaltet wurde, dass sie sowohl in 4:3 als auch in breiteren Formaten funktionieren. Kubricks Filme sind idR für 1.66:1 konzipiert, funktionieren aber auch als offenes 4:3. Er selbst bestand bei TV- und Videoveröffentlichungen darauf, dass sie in 4:3 veröffentlicht wurden, weil er die schwarze Balken auf dem TV-Schirm nicht mochte.
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Re: Cine-Ein-Mal-Eins: Filmformate

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AnatolGogol hat geschrieben:Noch eine Ergänzung zur Verwendung von VV (wie auch von 70mm) zur Erstellung von Spezialeffekten: der Hintergrund hierfür ist, dass für die Erstellung der Effekte das Negativ mehrfach durch die Kamera musste und damit auch immer wieder neu entwickelt werden musste (wegen der verschiedenen Layer/Ebenen, aus denen die Effektaufnahmen sich zusammensetzten). Bei jedem Kopiervorgang geht Auflösung verloren, weswegen man bei den Effekten im Gegensatz zu den herkömmlichen Szenen der betroffenen Filme mit hochauflösendem Material arbeitete. Hätte man dies nicht getan, wäre die Qualität der Effektszenen drastisch schlechter gewesen als der Rest des Films.
Perfekt beschrieben, Anatol.

Wer sich etwas eingehender für diese Phase interessiert, für den könnte das Buch »Industrial Light & Magic: The Art of Special Effects« von Thomas G. Smith, welches sich mit den ersten zehn Jahre der Effektschmiede auseinandersetzt und eine ganze Reihe an Effekten in verschiedenen Filmen aufzeigt, die jener der Zeit von der Spezialeffekte-Firma erstellt und bearbeitet worden sind, ganz interessant sein.
https://www.amazon.com/Industrial-Light ... ight+magic


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Re: Cine-Ein-Mal-Eins: Filmformate

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Der 70-mm-Film hat ein Bildseitenverhältnis von 2,20:1, wobei eigentlich ein 65 mm-Negativ zum Einsatz kommt, von dem ein 70-mm-Positiv erstellt wird.

Wenn der 35-mm-Film dagegen mit einer anamorphen Kamera aufgenommen wird, entsteht ein Bildseitenverhältnis von 2:35:1, da dass ursprüngliche Bild im Endeffekt verzehrt und um die Hälfte gekroppt wird. Im Kino kommt dann eine Gegenlinse zum Einsatz, so dass das eigentliche 1:33 Bild sich verdoppelt – zum ursprünglichen 1: 2.66 Bildverhältnis, wie dies anfänglich bei Filmen wie »Jenseits von Eden« und »Denn sie wissen nicht was sie tun« dann auch umgesetzt wurde.

Erst später wurde dieses Format bei Panavision und Cinemascope auf das Seitenverhältnis 1: 2.35 "verkürzt".


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Re: Cine-Ein-Mal-Eins: Filmformate

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GoldenProjectile hat geschrieben:
AnatolGogol hat geschrieben:Kubricks Filme sind idR für 1.66:1
2001 auch? Ich dachte 70mm sei breiter. 2.35 oder etwas in der Art.
Nein, der nicht. Bei einem Format > 1.85:1 ist eine gleichzeitige Wahrung von TV (1:33:1) und Kinoformat praktisch auch kaum noch möglich, da die Formate hier dann zu stark voneinander abweichen.
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Re: Cine-Ein-Mal-Eins: Filmformate

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35 mm-Filme können bei einem nicht anamorphischen Breitbild im Normalformat (1,33:1 oder 1,37:1) aufgenommen und bei der Projektion mittels Maske und Kaschierung im 1,66- oder 1,85:1-Format vorgeführt werden.
Seit etwa 1970 wird die Mehrzahl der Filme für die Breitwandvorführung konzipiert. Auf vielen, aber nicht allen Filmkopien sind die Bildpartien am oberen und unteren Bildrand, die nicht gezeigt werden sollen, schwarz abgedeckt. Nicht selten erkennt man für die Breitwandprojektion konzipierte, aber irrtümlicherweise entweder im Normalformat oder statt 1,85:1 in 1,66:1 vorgeführte Filme an auffallend häufig sichtbaren Mikrofonen oder Scheinwerfern am oberen und unteren Bildrand (»Out of Africa« ist in dieser Hinsicht ein echter Paradefilm). Auf vielen Kartons von Filmkopien findet man heute noch die Aufschrift „Flat“ – diese bezeichnet einen Film, der für die nicht-anamorphotische Vorführung vorgesehen ist.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Breitbildformat

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