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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
The Amazing Spider-Man: Rise of Electro
So richtig warm wurde man anno 2012 mit der Neuverfilmung der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft irgendwie nicht. Hatte Regisseur Marc Webb da noch den Nachteil, sich auf der einen Seite mit den drei Raimi-Vorgängern auseinandersetzen zu müssen, ohne gleichzeitig die Comic-Backgrounds zu verraten, merkt man dem Sequel relativ schnell an, dass man deutlich befreiter loslegen kann. Anstatt sich erneut durch die immer gleichen Origin-Storys zuquälen, steigt man direkt mit dem Spinnenmann in den Häuserschluchten von New York ein und darf ein paar schöne, größtenteils sogar handgemachte, Actionszenen bewundern, in denen es ordentlich kracht.
Danach kehrt erstmal wieder Alltag ein und man nimmt sich vorbildlicherweise Zeit, den titelgebenden Superschurken Electro zu etablieren und vor allem auch Jamie Foxx in dieser Rolle aufzugehen. Dabei kümmert man sich anfangs einmal darum, einen Bogen zum Vorgänger zu schlagen, was die heldenhaften Charaktere angeht und andersherum auch um glaubhafte Motivationen des neuen Feindes. Das alles gipfelt in einem sehr packenden Duell mitten auf dem Times Square, dass von Maestro Hans Zimmer mit einem wahnsinnig druckvollen Sound vortrefflich begleitet wird. Danach herrscht jedoch von einer Sekunde auf die andere wieder eine erschreckende inhaltliche Ebbe im Script. Lange Zeit verlässt man sich auf die kaum vorhandene Chemie zwischen Garfield und Stone und verliert dabei völlig das Ziel aus den Augen, eine stringente und spannende Geschichte zu erzählen. Während wir einmal zu der etwas sehr eigenwilligen Beziehungsdynamik von Parker und Stacy den Kopf schütteln dürfen, wundern wir uns gleichzeitig, wie planlos die Handlung zwischen der Oscorp-Verschwörung, Peters Suche nach der Wahrheit über seine Eltern und den beiden großen Gegenspielern hin und her verläuft, ohne, dass am Ende alles irgendwie so recht zusammenpassen will. Zwar freut man sich besonders zum Abschluss hin wieder über die großen Actioneinlagen und das launige Spiel von Jungstar Dane DeHaan, doch ist man vielleicht etwas zu euphorisiert auf dessen Seite.
Denn ausgerechnet Spider-Man, der freundliche und immer gut gelaunte Pfadfinder verkommt hier zu einer tierischen Nervensäge. Was ihm teilweise an Onelinern und dämlichen Kommentaren in den Mund gelegt wird, ist ein wahrer Alptraum und jenseits von gut und böse. Und wenn eines nicht passieren darf, dann, dass man mit den Schurken mehr mitfiebert, als mit den eigentlichen Sympathieträgern. Maguires Spider-Man erschien damals noch menschlicher, herzlicher und fehlerhafter... es war einfacher, ihn als Helden zu akzeptieren, weshalb Szenen, die vor Pathos nur so triefen, einfacher durchgingen. In der neuen Reihe hat Webb aber nun erhebliche Probleme, solche Sachen in den Griff zu bekommen, denn auch in "Rise of Electro" gibt es diese Momente. Nur wollen sie überhaupt nicht zum eigentlich schnellen Ton des Filmes passen und wirken wie noch größere Fremdkörper, als sie es eigentlich sowieso schon tun würden. Auch folgt der Film leider nur selten so etwas, wie einer inneren Logik. Waren die Konflikte zwischen Maguire und Dunst zwar unendlich nervig, dafür aber zumindest nachvollziehbar in ihrer Banalität, bekommt man hier eher den Eindruck, unser Protagonist sei einfach nur ein cooler Junge, der nie genau weiß, was er in seinem Leben will und trotzdem irgendwie die Mädels rumkriegt. Schade, dass man sich so eine Identifikation beinahe vollständig verbaut. Natürlich will man auch hier eigentlich das jüngere Publikum ansprechen und diese durch erstaunliche Bilder und Actionszenen für sich gewinnen, was sogar in Ordnung ist, immerhin verlangt ja auch diese Zielgruppe Produkte. Doch bei aller Kurzweiligkeit versagt "The Amazing Spider-Man 2" leider auf charakterlicher Ebene völlig.
Fazit: Die Darsteller leisten einen passablen Job und auch Webbs Regie funktioniert in den schnellen Kampfszenen. Dafür hapert es inhaltlich ganz enorm. Ob das nur der Zielgruppe geschuldet ist oder Spider-Man einfach tatsächlich nicht mehr hergibt, vermag ich nicht zu sagen. Zwar bewegt man sich dieses Mal deutlicher auf anderen Pfaden, als noch beim Plagiats-Vorgänger, doch fehlt einfach immer noch zu deutlich der Kontrast, als das man Maguire, Dunst, Franco und die anderen bereits vergessen hätte. Auf dem Papier mögen die meisten Ideen gut geklungen haben, besonders das überraschende und ungewöhnliche Ende muss mal eine tolle Idee gewesen sein, doch fördert das alles kein wirklich zufrieden stellendes Ergebnis, wenn die Herangehensweise unentschlossen und fahrig wirkt. Mit mehr Bedacht wäre hier sicherlich mehr drin gewesen, so reicht es erneut nur für einen kurzweiligen Abend, aus dem man aber vermutlich nur dann etwas mitnehmen wird, wenn man in netter Gesellschaft gewesen ist. Kino fürs Auge? Ja. Kino für Herz, Seele und Geist? Leider nein.
5/10
Zuletzt geändert von
Casino Hille am 2. September 2014 15:26, insgesamt 1-mal geändert.
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