Welches sind die drei besten Scorsese-Filme?

Who's that knocking at my door? (Keine Stimmen)
Boxcar Bertha (Keine Stimmen)
Mean Streets (Keine Stimmen)
Alice doesn't live here anymore (Keine Stimmen)
Taxi Driver
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (19%)
New York, New York (Keine Stimmen)
Raging Bull (Keine Stimmen)
The King of Comedy (Keine Stimmen)
After Hours (Keine Stimmen)
The Color of Money
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (5%)
The Last Temptation of Christ
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (5%)
Life Lessons
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (5%)
Goodfellas
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (14%)
Cape Fear (Keine Stimmen)
Age of Innocence (Keine Stimmen)
Casino
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (19%)
Kundun (Keine Stimmen)
Bringing out the Dead (Keine Stimmen)
Gangs of New York (Keine Stimmen)
Aviator (Keine Stimmen)
The Departed
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (19%)
Shutter Island
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (5%)
Hugo Cabret (Keine Stimmen)
The Wolf of Wall Street
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (10%)
Silence (Keine Stimmen)
The Irishman (Keine Stimmen)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 21

Re: Die Filme des Martin Scorsese

498
Ich habe After Hours recht ähnlich wahrgenommen. Neurotiker-Parade trifft es gut. Das hat sich alles trotz überschaubarer Laufzeit in der zweiten Hälfte ermüdet und der Hauptdarsteller macht auch nicht enorm viel draus. Auch 6,5 Punkte. Kein Vergleich zu Departed oder Silence. :wink:
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

499
.
AnatolGogol hat geschrieben: 25. Mai 2023 16:53 Ich halte mich da an meine persönliche, bisher immer gültige Regel: Scorsese > 140 Minuten: wir raten ab.

Wie gut, dass THE AGE OF INNOCENCE gerade Mal unschuldige140 Minuten Laufzeit aufweist; Anatol :D .

By the way:
Was sind denn bei Dir / Euch die ausschlaggebenden Identitätsgründe für einen Wechsel von "Singularis Porcus" zu "Pluralis Majestatis"?


.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

500
photographer hat geschrieben: 25. Mai 2023 17:45 Wie gut, dass THE AGE OF INNOCENCE gerade Mal unschuldige140 Minuten Laufzeit aufweist; Anatol .
GoodFellas läuft ja auch 145 Min und den würde ich definitiv zu Martys guten zählen (er heisst ja auch nicht BadFellas )

Also kleine Regeländerung: Scorsese > 145 Min: wir raten ab

photographer hat geschrieben: 25. Mai 2023 17:45By the way:
Was sind denn bei Dir / Euch die ausschlaggebenden Identitätsgründe für einen Wechsel von "Singularis Porcus" zu "Pluralis Majestatis"?
Das ist einfach zu beantworten: immer wenn ich zwanghaft lustig sein will. :D War als Anspielung auf die legendäre Einschätzungsfloskel des katholischen Filmdienstes gedacht. Aber wie so oft gilt auch hier: wenn man Gags schon erklären muss, können sie nicht so gelungen sein. Aber was solls, gemäß meiner beiden Avatar-Nasen: viel hilft viel und bei vielen Gags wird schon irgendwann auch mal ein guter dabei sein. :D
GoldenProjectile hat geschrieben: 25. Mai 2023 17:26 Kein Vergleich zu Departed oder Silence.
Wie auch, geht ja nicht mal halb so lang. :lol:
Hätte aber eigentlich gedacht, dass er dir etwas besser gefällt, da ja in vielen Dingen doch sehr typisch Scorsese (jedenfalls Prä-2000er Scorsese). Andererseits: hätte ja eigentlich auch gedacht, dass er mir besser gefällt.
>> das Kalauern nimmt heute wieder kein Ende... :mrgreen:
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Es war einmal im Indianerland

501
Killers of the Flower Moon

In vielen Filmkritiken aus aller Welt sind gerade zwei Begriffe im Zusammenhang mit "Killers of the Flower Moon" besonders oft zu lesen: "Meisterwerk" und "Western". Nun, der Begriff "Meisterwerk" ist Martin Scorsese nicht fremd. Seine Filme erlangen diesen Titel oft schon lange vor Kinostart. Seine Stellung verdient er sich: Scorsese ist zu ganz großer Filmkunst fähig, zu epochalen Genre-Werken, die im US-Kino Maßstäbe gesetzt haben. Sein "Taxi Driver" ist der definitive Film zur traumatisierten Vietnamkriegsgeneration und zum Scheitern der 68er Bewegung, sein "Good Fellas" ist in seiner brillanten kapitalismuskritischen Sezierung des organisierten Verbrechens wohl der einzige Mafiafilm, der es verdient, in einem Atemzug mit "Der Pate" genannt zu werden.

Doch beim "Western"-Begriff wird es im Fall von "Killers of the Flower Moon" komplexer. Für sein Mammutprojekt, welches immerhin knappe dreieinhalb Stunden lang ist, hat er sich den Oscar-gekrönten Drehbuchautoren Eric Roth ("Forrest Gump", "Dune") zur Seite geholt, und ein Sachbuch des Autoren David Grann verfilmt. Dieses Sachbuch schildert detailliert und mit spürbarer Wut im Bauch von einer Mordserie in den 20er Jahren. Damals wurden reiche Angehörige des Indianerstammes der Osage in einem Reservat in Oklahoma umgebracht, als unglaublich große Ölvorkommen unter ihrem Land entdeckt wurden. Gut, zugegeben, so zusammengefasst klingt es wirklich nach einem Western. Auf den zweiten Blick ist es aber etwas komplizierter.

Die Osage wurden wie viele Stämme der sogenannten "First Nations" von Kolonisten vertrieben oder ermordet, als die weißen Europäer mehr und mehr die USA besiedelten. Irgendwann gewährte ihnen die US-Regierung zwar eigene Territorien, doch auch diese wurden sukzessive über die Jahre verkleinert – bis die Osage sich schließlich entschlossen, ihren jüngsten Zufluchtsort im heutigen Oklahoma selbst aufzukaufen. Sie ließen sich vertraglich zusichern, dass ihnen "ihr" Stück Land fortan gehörte – inklusive aller eventuellen Bodenschätze. Ein Deal, der sich lohnte, als in genau diesem Gebiet Öl gefunden wurde. In Granns Buch heißt es, 1920 hätten die Osage das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Welt gehabt. Und so spielt Scorsese zu Beginn seines Films wirklich mit filmischen Western-Motiven, stellt diese aber auf den Kopf.

Ganz wie in beispielsweise "Spiel mir das Lied vom Tod" führt er seine Hauptfigur durch einen Zug ein, der in einem Ort eintrifft. Es ist Ernest Burkhart (Leonardo DiCaprio), ein Heimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg. Doch dann findet der genau wie man selbst sich als Zuschauer in einem umgekehrten Western-Szenario wieder: Die Indianer sind jetzt an der Oberhand, sie leben im Reichtum und glücklich, während die Weißen vor Ort die niederen Arbeiten verrichten, die Angestellten sind. Ernest kommt in das Land der Osage, um bei seinem Onkel William Hale (Robert De Niro) zu leben, der als wohlhabender Geschäftsmann ein Freund der Indigenen zu sein scheint. Vor Ort als Taxifahrer arbeitend lernt er die junge, schöne und gütige Osage-Frau Mollie (Lily Gladstone) kennen und lieben. Nach einer vorsichtigen ersten Romanze heiraten die beiden.

Mit besessener Liebe zum Detail und größtmöglichem Verständnis für die Kultur der Osage inszeniert Scorsese in der ersten seiner dreieinhalb Stunden Laufzeit von einer Native-American-Utopie, von einem "First Nations"-Schlaraffenland – aber einem mit Verfallsdatum. Mit fortschreitender Länge entpuppen sich William Hale und Ernest Burkhart, die weißen Eindringlinge in diesem Wunderland, als Wölfe im Schafspelz. Hale fädelt Hochzeiten zwischen weißen Männern und Osage-Frauen ein und sorgt dann dafür, dass die Frauen nach den Eheschließungen schnell zu Tode kommen. Ernest ist in diese Machenschaften mitverwickelt – und obwohl u.a. Mollies Schwester Anna (Cara Jade Myers) ermordet wird und Burkhart seine Diabetes-kranke Frau irgendwann selbst über ihre Insulinspritzen langsam zu vergiften beginnt, beteuert er bis zum Schluss des Films, sie aus aufrichtiger Liebe geheiratet zu haben.

Im Sachbuch hat David Grann diese Geschichte aus der Sicht der Ermittler der damaligen Behörde BOI erzählt, die auf Anweisung ihres Chefs J. Edgar Hoover die Morde aufklären sollten – und anhand dieses Falls davon erzählt, wie es zur Geburtsstunde des FBI mit Hoover an der Spitze kam. Scorsese und Roth erzählen hingegen aus der Täterperspektive. Der Ermittler Tom White (Jesse Plemons) tritt erst nach weit über zwei Stunden erstmals im Film auf. "Killers of the Flower Moon" zeichnet ein pechschwarzes Porträt der Gewalt – der inneren und der äußeren. Schonungslos zeigen die weiten, großartigen Aufnahmen von Kameramann Rodrigo Pieto, wie das Blutvergießen das idyllische Land beschmutzt und die Gemeinde zerrüttet. Sensationell spielen DiCaprio und Gladstone das zentrale Ehepaar, in deren Miteinander so viel Liebe und Wärme spürbar ist, während Ernest unaussprechliche Taten begeht.

Scorsese war immer von Western inspiriert, der für ihn prägendste Film ist der Klassiker "Der schwarze Falke" von 1956. Doch genau diesem nähert er sich hier eigentlich wenn, dann nur in der Ausstattung an. Erzählerisch ist sein "Killers of the Flower Moon" trotz epischer Länge kein Epos, sondern der Versuch, eine große amerikanische Tragödie in nur einen Haushalt zu verkürzen. Alles, was in Osage County passiert ist, geschieht in diesem Film im Mikrokosmos einer Ehe. So wie die Weißen zusehends das Land verderben und die Indianer ermorden, bis sogar der Ku-Klux-Klan auf den Plan tritt, so vergiftet Ernest auch seine Frau, macht sie krank, raubt ihr die Lebensfreude. Dies ist kein Western, sondern ein düsterer Liebesfilm.

Scorsese gelingt mit dieser Zuspitzung dank seiner Darsteller, insbesondere aber dank Editorin Thelma Schoonmaker, deren rhythmischer Schnitt wahrhaftig meisterhaft ist, einige bemerkenswerte Szenen, barocke Dialoge, großartige Momente, die eindringlich aufzeigen, was er erzählen will: Es geht ihm darum, die Liebe der nordamerikanischen Ureinwohner gegenüber ihrem Land, ihrer Kultur und ihrer Gemeinschaft zu porträtieren. Sein Film feiert diese Liebe, zelebriert sie und am Ende wird sie auch betrauert. Wie ernst ihm dieses Anliegen persönlich ist, zeigt die Endszene, in der der Meister-Regisseur selbst an der Seite von "The White Stripes"-Musiker Jack White einen Gastauftritt hat und wortwörtlich einen Nachruf auf den Osage-Stamm verliest. Sein Film erzählt aus Tätersicht, aber ist den Opfern verpflichtet. Hinsichtlich der kulturellen Bedeutung und Repräsentation dieses Dramas für die indigene Bevölkerung der USA sind die "Meisterwerk"-Betitelungen fraglos nachvollziehbar.

Doch aus rein filmischer Betrachtung heraus ist bei Weitem nicht alles gelungen. Ausgerechnet Scorseses jahrzehntelanger Kollaborateur Robert De Niro ist mit einer Rolle gestraft, die in ihrer karikaturistischen Boshaftigkeit nie die Grenzen der Eindimensionalität verlässt. Ihm fehlt in einigen furchtbar aufdringlich gespielten Szenen nur noch ein Schnurrbart zum Zwirbeln – und gerade weil seine Rolle so arg simpel und eindeutig böse gerät, fehlt es in den Gewaltmomenten manchmal am nötigen Format. Als in der letzten Stunde dann mehr und mehr die Ermittler und die Gerichte (u.a. Brendan Fraser als Anwalt) ins Spiel kommen, erzählt der 80-Jährige Regisseur zwar stilsicher, aber auch routiniert in den Gefilden, in denen er immer zuhause war, von Verbrechen, die aufgedeckt werden, von Männeregos, die zerbrechen … all das kennt man von ihm schon. Die ganz große cineastische Klasse eines "Good Fellas" erreicht er hier allerdings nicht nochmal.

Ein Vergleich drängt sich auf, zu einem Film von 1980, der sich ohne Zweifel wirklich als Western charakterisieren lässt: "Heaven's Gate". In diesem ebenfalls weit über drei Stunden langen Filmmonstrum hatte Regisseur Michael Cimino auch schon von den Sünden Amerikas erzählt, von den Lügen, auf denen das Selbstverständnis der Nation bis heute fußt, und vom Blutvergießen, dass den Nachfahren der Kolonisten bis heute ihren Reichtum ermöglicht, vom amerikanischen Traum, der für die Ureinwohner dieses Landes zum Albtraum wurde. Auch er hatte diese große Themen auf wenige Figuren heruntergebrochen – nochmal weitaus vielschichtiger, komplexer und packender, als Scorsese jetzt. Doch er war krachend damit gescheitert. An den Kinokassen floppte der sündhaft teure "Heavens Gate" so sehr, dass Ciminos Karriere in Trümmern lag und das Produktionsstudio United Artists unterging.

Ein ähnliches Risiko wie Cimino geht Scorsese nicht ein. Hauptgeldgeber der mit 200 Millionen Dollar Budget ebenfalls irrsinnig teuren Produktion ist der Apple-Konzern, und nach seiner Kinoauswertung wird "Killers of the Flower Moon" exklusiv beim Streamingdienst Apple TV+ zu sehen sein. Für Apple dürfte hier nicht der kommerzielle Erfolg alleine von Bedeutung sein: Man schielt auf Prestigeprojekte für die eigene Hausmarke, auf große Namen, und auf Preise, von denen es sicherlich einige geben wird. Untergehen dürfte hiermit also niemand, selbst wenn der Film kein ganz großer Hit à la "Barbie" oder "Oppenheimer" werden sollte.

43 Jahre nach seinem einstigen Flop gilt "Heavens Gate" heute übrigens vielen als "Meisterwerk". Scorseses Film wurde gleich von Anfang an so bezeichnet – man darf gespannt sein, wie es in nochmal 43 Jahren aussieht.

Original-Link: https://www.tvspielfilm.de/news/filme/2 ... ticle.html
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

502
iHaveCNit: Killers Of The Flower Moon (2023) – Martin Scorsese – Paramount
Deutscher Kinostart: 19.10.2023
gesehen am 21.10.2023
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 3 – Reihe 9, Platz 15 – 17:00 Uhr


Knapp 3,5 Stunden. Mit genauer gesagt 206 Minuten ist Martin Scorseses „Killers Of The Flower Moon“ für dieses Filmjahr definitiv der von seiner Laufzeit her längste Film des Jahres. Jedoch bin ich hier durch viele andere auch lange knapp dreistündige Filme sitzfleischerprobt, womit für mich auch die Entscheidung hin zu einer Sichtung von Scorseses Werk keine Frage gewesen ist. Und so habe ich mich trotz späterem Release auf Apple TV+ für eine Sichtung des Filmes im Kino entschieden.

Nachdem der indigene Stamm der Osage in ihrem County in Oklahoma auf Öl gestoßen ist, wurde aus den Osage über Nacht das reichste Volk der Welt mit dem höchsten Pro-Kopf-Vermögen. Natürlich bleibt dieser Reichtum nicht unbemerkt und auch andere Personen haben Interesse daran an diesem Reichtum zu partizipieren. So auch der Geschäftsmann und Wohltäter William Hale, dessen Neffe Ernest Burkhart nun in den 20er-Jahren aus dem Krieg zurückgekehrt ist und Beide den Plan entwickeln, dass Ernest in Kontakt mit Molly tritt um sich familiär an Molly und ihre Linie innerhalb des Stamms der Osage zu binden, damit schrittweise über gezielte Manipulation und auch Mord am Reichtum der Familie von Molly partizipiert werden kann.

Basierend auf dem gleichnamigen Sachbuch von David Grann, für das ich mich danach durchaus interessieren könnte, hat Martin Scorsese ein interessante Mischung inszeniert. Weniger mit dem Fokus auf die Ermittlungen der Mordserie legt er hier mehr den Fokus auf die Täter- und auch auf die Opferseite, bei dem über den gesamten Verlauf des Films spürbar ist, wie authentisch und mit dem gebührenden Respekt und Ernsthaftigkeit Wert auf die Darstellung des indigenen Stamms der Osage gelegt worden ist, damit sie die Plattform bekommen, dass auch ihre Seite der Geschichte dargestellt wird. Wir bekommen hier eine Mischung aus True-Crime-Epos, ein intimes Liebesdrama und auch eine biografische Aufarbeitung eines sehr perfiden Kolonialverbrechens am indigenen Stamm der Osage geboten, für dass die Laufzeit des Films durchaus angemessen sein könnte. Von seiner gesamten Ausstattung und audiovisuellen Inszenierung ist Scorseses Film großartig gelungen. Darstellerisch kann sich Martin Scorsese auch natürlich auf seine Stammschauspieler Leonardo DiCaprio und Robert DeNiro verlassen, die großartig sind, aber hier doch relativ undankbar gezeichnete Rollen spielen und darstellen müssen. So gut beide hier sein mögen, für mich ist der große darstellerische Pluspunkt im Film Lily Gladstone, der ich an dieser Stelle für die kommende Saison der Preisverleihungen bereits viel Erfolg wünschen möchte. Ihren Stolz, ihre Erhabenheit, ihre Ruhe und auch ihre Emotionalität in gewissen Momenten auf der Leinwand erleben zu können ist großartig. Ihr vielschichtiger Charakter ist in der Kombination mit DiCaprios eher einfältigen, leichtgläubigen, aber charmanten Charakter eine spannende Komponente, die im intimen Liebesdrama durchaus ein interessantes Spannungsfeld zu bieten hat, aus dem der Film schöpfen kann. Auch wenn Scorseses Inszenierung routiniert und gar spannungsarm rüber kommt, konnte der Film mich durchaus faszinieren und fesseln.

„Killers Of The Flower Moon“ - My First Look – 9/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Die Filme des Martin Scorsese

503
Killers of the Flower Moon

Möglicherweise liegt uns hier Scorseses nachdenklichstes und nihilistischstes Werk vor.
Killers of the Flower Moon ist eine Dekonstruktion US-amerikanischer Mythen, ein Abgesang auf den klassischen Hollywood-Western, dessen Fassade Scorsese als ästhetisches Vehikel für seine präzise Untersuchung des kapitatlistischen Prinzips in Reinform nutzt. Äußerst zurückhaltend, ja geradezu nüchtern führt uns der Regisseur die ausbeuterischen, wie auch menschenverachtenden Mechanismen einer intitutionalisierten Profitmentalität vor Augen, die keineswegs nur Einzelschicksäle betrifft, sondern als Ideal einer Nation deklariert wurde.
Schließlich ist Killers of the Flower Moon auch eine Aufarbeitung des Genozids an den Indigenen Völkern, auf deren Vertreibung, schamlose Ausbeutung und grausame Ermordung, die blutige US-Lüge der großen Unabhängigkeit fußt.
Während Leonardo DiCaprio als erschütternd trivialer, geistig etwas beschränkter Opportunist brilliert, verkörpert der leider weit hinter seinen Möglichkeiten bleibende Robert De Niro die Raffgier des weißen Mannes. Lily Gladstone überzeugt durch die Bank, vor allem in den äußerst nuancierten Dialogen mit DiCaprio.
Dass ausgerechnet Apple, ein Konzern, der aus reinem Profitinteresse bereits seit vielen Jahren systematisch nach China outsourced, somit geradezu exemplarisch die Doppelmoral Silicon Valleys offenlegt, diesen Film finanziert hat, grenzt zwar an Zynismus, doch ermöglicht die Involvierung eines Techgiganten gleichzeitg einem Meisterregisseuren in der Spätwerkphase, mithilfe eines 200 Mio Dollar-Budget nochmals alle Register zu ziehen.
Doch genau darauf verzichtet Scorsese hier. Während Meisterwerke wie Casino, GoodFellas oder The Wolf of Wall Street - allesamt Filme, die ebenfalls das Phänomen der menschlichen Gier untersuchen - in fulminanten Erruptionen Gewaltfresken zeichnen, dabei laut und geschwätzig vorgehen - eine Filmsprache, die Scorsese über die Jahrzehnte perfektioniert hat - mutet Killers of the Flower Moon, wie auch schon sein Vorgänger The Irishman geradezu erloschen geisterhaft an. Dies sind jedoch nicht die nachlassenden Kräfte eines in die Jahre gekommenen Regisseurs, sondern dessen ganz bewusster revisionistischer Blick auf das eigene Werk.
Dort, wo Scorsese einst der Vorwurf des Einsatzes voyeuristischer Gewalt gemacht werden konnte, um sein Publikum zu erreichen, es zu manipulieren, zu sensibilisieren oder zu schockieren, tritt nun eine neue Bildpolitik des Unspektakulären in Kraft, die zur Selbstreflexivität anregt. Somit erinnert Killers of the Flower Moon durchaus an die Handschrift eines Clint Eastwoods, ja gar an die eines Michael Hanekes.
Scorsese ist ein Regisseur, der immer mit der Zeit ging, seine Handschrift stets an gegenwärtige Sehgewohnheiten anzupassen vermochte, wenn er diese nicht sogar selbst schuf. Im Zeitalter postkolonialer Diskurse und pluraler Narrative ist möglicherweise eine andere Sensibilität erforderlich, um sich dem Themenkomplex der Osage Morde zu nähern, die hier natürlich allegorisch für alle Natives stehen.
Gleichzeitig weiß Scorsese um den Einfluss sozialer Medien, der Trends, die von diesen ausgehen. So ist es mit Sicherheit kein Zufall, dass der Regisseur oberflächlich auf die narrative Form der True Crime-Story und des Whodunits setzt, nur um auch diesen Genres jeglichen Effekt zu nehmen. Killers of the Flower Moon ist zudem ein Angriff auf die Schnelllebigkeit aktueller Medienformen, Scorsese macht keine Kompromisse und reizt mit einer Laufzeit von 3,5h seinen schöpferischen Rahmen voll aus, stellt dabei ungeniert die Aufmerksamkeitsspanne seines Publikums auf die Probe.
Übrig bleibt ein ungemütlicher, sowie ungefälliger Film, der versucht, so gut es einem visuellen Werk eben gelingen kann, sein Thema nicht auszubeuten. Noch nie sahen wir Scorsese derart involviert und distanziert zugleich. In einer Zeit, in der vorwiegend über das Bild kommuniziert wird, ist das wie Medizin. Es ist aber auch eine Geduldprobe - so behaupte ich, der ohnehin langatmige Film hätte von einer Laufzeit-Kondensierung auf 2,5h profitiert. Gerade die letzte Stunde habe ich persönlich als ungemein zäh und redundant empfunden.
Doch kann man dies einem Film, der auf eben jene Redundanz setzt zum Vorwurf machen? Ich lasse diese Frage offen.
Killers of the Flower Moon ist ein sehenswerter Film, der einen anderen Blick auf das Schaffen Scorseses zulässt, und ein weiteres Mal, die unglaubliche stilistische Wandelbarkeit dieses epochalen Regisseurs zur Schau stellt. Aber wirklich gefesselt hat mich das Geschehen auf der Leinwand, ob der grandiosen Leistung DiCaprios nur selten.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

504
Ich fand Di Caprio leider furchtbar schlecht, das tat mir fast schon weh.
Er schien zum Ende hin die schlimmsten Gesichtsausdrücke De Niros adaptiert zu haben, spielte endlos und variationslos, mit den immer gleichen herunterhängenden Mundwinkel, den dumm-tragischen Verlierer. Klar, er sollte ein naiver Dummkopf sein, aber so langweilig darf man das nicht spielen.

Und De Niro? War er schlecht wie mittlerweile fast immer? Oder etwas erträglicher? Möglicherweise letzteres.

Das positivste über die Schauspielerei der beiden Stars in KotFM ist wahrscheinlich, daß der meist noch unerträglichere Al Pacino nicht dabei ist.

Eigentlich schafft es ja nur noch QT, aus diesem schauspielerischen Bermuda Dreieck etwas herausholen was nicht schmerzt ... ;)

Re: Die Filme des Martin Scorsese

505
Ich kann deine Empfindungen zu DiCaprios Spiel nicht teilen. Gerade diesen dümmlichen De Niro-Gesichtsausdruck fand ich so gut. Er soll ja auch nicht irgendwie groß hervorstechen oder so, sondern den ganz gewöhnlichen 0815-Opportunisten von nebenan geben. Gewöhnlichkeit ist für DiCaprio spielerisches Neuland und ich fand ihn sehr überzeugend. Auch das, was sie mit seinen Zähnen gemacht haben.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

506
Maibaum hat geschrieben: 7. November 2023 13:12 Ich fand Di Caprio leider furchtbar schlecht, das tat mir fast schon weh.
Er schien zum Ende hin die schlimmsten Gesichtsausdrücke De Niros adaptiert zu haben, spielte endlos und variationslos, mit den immer gleichen herunterhängenden Mundwinkel, den dumm-tragischen Verlierer. Klar, er sollte ein naiver Dummkopf sein, aber so langweilig darf man das nicht spielen.
Gerade in den Szenen mit Gladstone ist er doch bärenstark, weil die beiden zusammen auch ganz toll diese irgendwie auf Liebe beruhende, und doch so destruktive zerstörerische Beziehung illustrieren. Mir hat das viel Freude gemacht. De Niro war schlecht wie zuletzt meistens, aber hatte auch eine wirklich bescheuerte Rolle.
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

507
Casino Hille hat geschrieben: 7. November 2023 14:34
Maibaum hat geschrieben: 7. November 2023 13:12 Ich fand Di Caprio leider furchtbar schlecht, das tat mir fast schon weh.
Er schien zum Ende hin die schlimmsten Gesichtsausdrücke De Niros adaptiert zu haben, spielte endlos und variationslos, mit den immer gleichen herunterhängenden Mundwinkel, den dumm-tragischen Verlierer. Klar, er sollte ein naiver Dummkopf sein, aber so langweilig darf man das nicht spielen.
Gerade in den Szenen mit Gladstone ist er doch bärenstark, weil die beiden zusammen auch ganz toll diese irgendwie auf Liebe beruhende, und doch so destruktive zerstörerische Beziehung illustrieren. Mir hat das viel Freude gemacht. De Niro war schlecht wie zuletzt meistens, aber hatte auch eine wirklich bescheuerte Rolle.
Sehe ich genauso, die beiden hatten vom Auftakt bis zu ihrer letzten gemeinsamen Szene eine schöne Chemie. Sehr intensiv auch wie DiCaprio die Zerrissenheit spielt, als sie ihn fragt, was er ihr die ganze Zeit gespritzt hat. Gladstone könnte auch eine Oscar-Nominierung erhalten. De Niro blieb blass, das übliche Programm halt. Seine Figur hätte weniger geschwätzige, dafür durch Gestik und Mimik umso aussagekräftigere Szenen gut vertragen.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

508
craigistheman hat geschrieben: 7. November 2023 12:39 Während Meisterwerke wie Casino, GoodFellas oder The Wolf of Wall Street - allesamt Filme, die ebenfalls das Phänomen der menschlichen Gier untersuchen - in fulminanten Erruptionen Gewaltfresken zeichnen, dabei laut und geschwätzig vorgehen - eine Filmsprache, die Scorsese über die Jahrzehnte perfektioniert hat - mutet Killers of the Flower Moon, wie auch schon sein Vorgänger The Irishman geradezu erloschen geisterhaft an. Dies sind jedoch nicht die nachlassenden Kräfte eines in die Jahre gekommenen Regisseurs, sondern dessen ganz bewusster revisionistischer Blick auf das eigene Werk.
Das passt so, und rein zufällig mochte ich ja auch beide von den dreieinhalbstündigen, "geisterhaften" Scorseses, auch wenn sicherlich beide noch etwas gestrafft hätten werden können. Auch den Vergleich mit Eastwood kann ich nachvollziehen. An irgendeinen Bezug zum Western hätte ich aber auch mit viel Fantasie nicht gedacht.

Für mich hat sich KotFM teilweise angefühlt wie die Endszene des ersten Godfathers auf Spielfilmlänge (bzw. noch länger :) ) in seiner Darstellung "dieser irgendwie auf Liebe beruhenden, und doch so destruktive zerstörerischen Beziehung", um mal meinen Schäfer-Kollegen zu zitieren.

Und ich fand De Niro eigentlich nicht so schlecht, der erfüllte voll und ganz seinen Zweck. Natürlich ist die King Hale Figur teilweise etwas dick aufgetragen in der Art wie er den noblen Wohltäter spielt obwohl es aus Publikums-Sicht ja völlig unglaubwürdig ist, aber für mich lag gerade darin auch ein Teil des Spasses. Da musste ich immer mal wieder schmunzeln im Sinne von "Du machst doch keinem etwas vor", ohne dass es den Film an sich irgendwie lächerlich gemacht hätte.

Sagt mal, ist euch diese Szene im Schlussdrittel, als King Hale zum walross-beschnauzten Sheriff geht, auch völlig gekünstelt vorgekommen? Für mich sah die aus wie eine Videospiel-Zwischensequenz, ich dachte die ganze Zeit ich sehe nicht richtig, aber dann war es auch schon vorbei.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

509
craigistheman hat geschrieben: 7. November 2023 14:55

Gerade in den Szenen mit Gladstone ist er doch bärenstark, weil die beiden zusammen auch ganz toll diese irgendwie auf Liebe beruhende, und doch so destruktive zerstörerische Beziehung illustrieren. Mir hat das viel Freude gemacht. De Niro war schlecht wie zuletzt meistens, aber hatte auch eine wirklich bescheuerte Rolle.
Sehe ich genauso, die beiden hatten vom Auftakt bis zu ihrer letzten gemeinsamen Szene eine schöne Chemie. Sehr intensiv auch wie DiCaprio die Zerrissenheit spielt, als sie ihn fragt, was er ihr die ganze Zeit gespritzt hat. Gladstone könnte auch eine Oscar-Nominierung erhalten.
[/quote]

Nein, das fand ich nicht. Gladstone war gut, aber nur in der ersten Hälfte, später hat sie nicht mehr viel zu tun, da lässt der Film sie im Stich. Di Caprio fand ich von Anfang an etwas uninteressant, er gibt seiner Rolle nichts, und Scorsese gibt der Figur auch nicht viel, auch ein wichtiger Grund warum der Film nie so wirklich interessant wird. Und später fand ich ihn dann wie gesagt nur noch schwer erträglich.
Bleibt noch Jesse Plemons, da hatte ich erwartet daß er den Film im Schlußdrittel noch mal in Fahrt bringt, aber auch er bleibt etwas phlegmatisch

Und dann ist KotFM natürlich auch doppelt so lang wie nötig.
Scorsese hat sicherlich noch jede Menge inszenatorischer Ambitionen, aber im Gegensatz zu früher führt das jetzt nicht mehr zu faszinierenden Filmen, ich sehe die Ambition, aber ich fühle sie nicht mehr, eigentlich zu keiner Sekunde.
Es ist dann am Ende ein Film der gut ansehbar ist, aber leider auch nicht mehr. 6/10

Re: Die Filme des Martin Scorsese

510
Daß ich mein einst großes Interesse an Scorsese längst verloren habe, sehe ich auch daran, daß ich Hugo schon (gefühlt) ewig und Silence seit einem Jahr ungesehen zu Hause habe, und das ich The Irishman nur zur Hälfte gesehen habe (schuld war ein geteilter Netflix Account, der etwas plötzlich beendet war), ohne versucht zu haben den Film zu Ende zu schauen.
Von den ganzen Scorsese Filmen der letzten 25 Jahre hat nur The Wolf of Wall Street mir Spaß gemacht, aber auch der litt an der überflüssigen Überlänge. Das war früher anders, da gefiel mir auch nicht jeder seiner Filme, aber jeder war eine Herausforderung, und es gab immer wieder großartiges Kino zu entdecken.