Re: Die Filme des Woody Allen

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AnatolGogol hat geschrieben:Ich bedauere es dennoch, dass Woody nur noch sporadisch in seinen eigenen Filmen auftritt, ich mag ihn als Darsteller mindestens genau so sehr wie als Regisseur.
Da ich nur wenige Woody-Filme gesehen habe vermag ich das vielleicht nicht allzu genau zu beurteilen - von den Filmen, in denen er selber die Hauptrolle übernimmt, kenne ich ja nur Love&Death, Annie Hall und Manhattan - aber Allen spielt ja gewissermassen immer dieselbe Rolle. Klar, er ist in dem was er kann sehr stark und hat sich die Filme elegant um seinen klassischen Rollentypus, in den er typmässig haargenau reinpasst, herum gebaut, das stelle ich ihm gar nicht in Abrede. Aber wahrscheinlich ist es besser, wenn er zwischendurch, oder genauer gesagt in seiner zweiten Karrierehälfte, diesen Rollentyp auch mal anderen, jüngeren Darstellern überlässt - wie in den Ferrell- und Branagh-Beispielen - oder ganz darauf verzichtet und völlig andere Charaktere entwirft. Eine vom älteren Woody gespielte Nebenrolle wie etwa in Scoop ist zwar netter Bonus und darf gerne mal sein, jedoch glaube ich dass er sich nicht darauf fixieren sollte in möglichst vielen eigenen Filmen mitzuspielen, da sich der Woody-Auftritt dann relativ schnell zur lästigen Pflicht auf der Abhakliste entwickeln könnte und seinem Werk in gewissem Masse die Vielfältigkeit eingrenzen würde.
AnatolGogol hat geschrieben:1997: Harry außer sich (Deconstructing Harry) (B, D, R) 9,5 / 10
Angesichts der Wertung möchte ich diesen hier dann auch noch meiner Woody-Abarbeitsliste hinzufügen.
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Re: Die Filme des Woody Allen

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GoldenProjectile hat geschrieben:Da ich nur wenige Woody-Filme gesehen habe vermag ich das vielleicht nicht allzu genau zu beurteilen - von den Filmen, in denen er selber die Hauptrolle übernimmt, kenne ich ja nur Love&Death, Annie Hall und Manhattan - aber Allen spielt ja gewissermassen immer dieselbe Rolle. Klar, er ist in dem was er kann sehr stark und hat sich die Filme elegant um seinen klassischen Rollentypus, in den er typmässig haargenau reinpasst, herum gebaut, das stelle ich ihm gar nicht in Abrede. Aber wahrscheinlich ist es besser, wenn er zwischendurch, oder genauer gesagt in seiner zweiten Karrierehälfte, diesen Rollentyp auch mal anderen, jüngeren Darstellern überlässt - wie in den Ferrell- und Branagh-Beispielen - oder ganz darauf verzichtet und völlig andere Charaktere entwirft. Eine vom älteren Woody gespielte Nebenrolle wie etwa in Scoop ist zwar netter Bonus und darf gerne mal sein, jedoch glaube ich dass er sich nicht darauf fixieren sollte in möglichst vielen eigenen Filmen mitzuspielen, da sich der Woody-Auftritt dann relativ schnell zur lästigen Pflicht auf der Abhakliste entwickeln könnte und seinem Werk in gewissem Masse die Vielfältigkeit eingrenzen würde.
Grundsätzlich gilt schon, dass Allen eigentlich immer die gleiche Rolle spielt - allerdings in Variationen. Das passt dann auch gut dazu, dass er sehr häufig eigentlich den "gleichen Film" immer und immer wieder gedreht hat - aber eben auch in Variationen. Und genau diese Variationen sind es dann, die Allens Rollen und FIlme so interessant machen, der Mann ist einfach ein unversiegbarer Quell an Ideen. Allen mag als Darsteller keine besonders große Bandbreite haben, aber dafür kann auch niemand anderes die von ihm selbst geschriebenen fantastisch-spritzigen Dialoge so perfekt rüberbringen wie er (außer natürlich Wolfgang Draeger, jedenfalls stimmlich). Vielleicht hast du tatsächlich noch zu wenige Filme mit ihm in der Hauptrolle gesehen, ich ermutige dich jedenfalls möglichst viel seiner Filme zwischen 1972-1986 anzuschauen, in denen er fast ausnahmslos auch immer mitgespielt hat - es ist einfach ein Genuss ihm bei seinem Spiel als intellektueller Neurotiker in Nöten zuzuschauen. Scoop ist übrigens kein gutes Beispiel für ihn als Darsteller, da er hier wie auch der gesamte Film weit unter seiner Normalform bleibt.

GoldenProjectile hat geschrieben:
AnatolGogol hat geschrieben:1997: Harry außer sich (Deconstructing Harry) (B, D, R) 9,5 / 10
Angesichts der Wertung möchte ich diesen hier dann auch noch meiner Woody-Abarbeitsliste hinzufügen.
Das kann ich nur befürworten! :) Harry ist für mich fraglos der beste Allen nach seiner "Glanzzeit" zwischen 72 und 86. Hier fährt er nochmal alles auf, was seine Filme ausmacht. Allen spielt einen Autor mit Schreibblockade, der in seinen großen Erfolge der Vergangenheit praktisch ausschliesslich sein Privatleben projiziert hat. Genau das wird ihm jetzt zum Verhängnis, da seine literarisch "entblössten" diversen Ex-Frauen und Familienmitglieder ihm sein Leben zur Hölle machen (im wahrsten Sinne des Wortes, denn da landet er zeitweilig). Um dieses Tohuwabohu dramaturgisch noch zu verschärfen fügt Allen immer wieder erläuternde Szenen aus der Vergangenheit seines Protagonisten ein, die aber nicht ihn und seine Angehörige zeigen, sondern seine Romanfiguren, die sein eigenes Leben erleben. Die Vermengung aus Realität und literarischer Alternativwelt ist dann auch einer der ganz großen Clous des Films, darüberhinaus arbeit Allen hier aber auch mit so vielen visuellen Stilmitteln wie sonst wohl nie. So nutzt er immer wieder Jump-Cuts, um die Sprünge im Geist und Leben seines Protagonisten zu zeigen. Das größte visuelle Highlight ist dann ein Unschärfe-Effekt, welcher die zunehmende Desorientierung von Harry zeigen soll (Allen ist komplett out-of-Focus, während der Rest des Films scharf bleibt). Der Film ist unglaublich lustig, obwohl das meiste gar nicht zum Lachen ist. Aber hier kommt dann auch Allens Stärke als Darsteller, Autor und Regisseur voll zur Geltung: kein anderer kann die Tragik des Daseins so unterhaltsam rüberbringen wie er.
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Re: Die Filme des Woody Allen

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Das mit der Glanzzeit sehe ich anders, sie beginnt auch erst mit Annie Hall. Und die hat bis heute nicht geendet, weil er immer wieder überrascht, auch wenn er zwischendurch mal ne Schwächephase hat, aber dann kommt wieder ein richtiger Knaller.

Und er hat auch seit den 80ern genügend Filme auf dem Deconstructing Harry Niveau gedreht.

Re: Die Filme des Woody Allen

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Maibaum hat geschrieben:Das mit der Glanzzeit sehe ich anders, sie beginnt auch erst mit Annie Hall. Und die hat bis heute nicht geendet, weil er immer wieder überrascht, auch wenn er zwischendurch mal ne Schwächephase hat, aber dann kommt wieder ein richtiger Knaller.
Für mich ist 72-86 aus folgenden Gründen Allens Glanzzeit:
- in diese Periode fallen seine renommiertesten Filme mit Stadtneurotiker und Hannah & ihre Schwestern mit insgesamt 7 Oscars, hinzukommt noch Manhattan, welcher bei den Academy Awards unverständlicherweise übergangen wurde, aber zurecht als einer der größten Meilensteine in Allens Karriere gilt

- das Jahr 1972 markiert den Höhepunkt in Allens "leichter Phase" mit den beiden Klassikern Was sie schon immer über Sex wissen wollten und Mach´s noch einmal Sam - für mich die besten Werke aus diesem Segment des Meisters, wobei beide auch schon einiges vorwegnehmen von dem, was er dann in seinen ganzen "Stadtneurotiker"-Filmen auf (noch) intellektuellere und anspruchsvollere Weise verarbeitet sollte

- Für mich ist nicht 1977 der Beginn von Allens "anspruchsvoller Phase", sondern 1975 da Love & Death nur vordergründig ein Gagspektakel im Stil von Bananas oder Der Schläfer ist. Hinter dem absurden Witz steckt eine durchaus ernsthafte Auseinandersetzung mit den Themen Krieg und persönlicher Verantwortung

- Last not least ist diese Zeitspanne in meinen Augen die Phase in Allens Karriere mit dem qualitativ höchsten Output, vor allem in Bezug auf die Beständigkeit. Von seinen selbst inszenierten Filmen sind (bis auf die stilistische Ausnahme Interiors) hier nur Volltreffer vertreten, darunter einige Meisterwerke und einige Filme, die diesen Ritterschlag nur knapp verpassen. Seine anschliessende Karriere hatte zu jedem Zeitpunkt zwar auch immer wieder Hochkaräter zu bieten, aber die qualitative Beständigkeit war nie wieder so hoch wie hier (wie du ja auch schon schriebst hatte er im Anschluss immer mal wieder kurze "Durststrecken").
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Re: Die Filme des Woody Allen

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Play It Again Sam ist der besten unter Allens frühen filmen, wahrscheinlich weil es auch der einzige ist den er nicht selbst inszeniert hat, und er ist der direkte Vorläufer von Annie Hall, während Love and Death den Anschluss seiner Slapstick Phase darstellt. Inszenatorisch deutlich verbessert, aber er gehört zu der Frühphase.

Und Interiors wird durch aus auch von vielen als Volltreffer angesehen.

Re: Die Filme des Woody Allen

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Maibaum hat geschrieben:Play It Again Sam ist der besten unter Allens frühen filmen, wahrscheinlich weil es auch der einzige ist den er nicht selbst inszeniert hat, und er ist der direkte Vorläufer von Annie Hall,
Das mit dem Stadtneurotiker sehe ich auch so, wobei ich Was sie schon immer... dann doch nochmal eine ganze Hausnummer stärker sehe, der ist einfach ein fabelhaft ideenreiches Stück Anarcho-Humor. Die filmische und erzählerische Vielfalt der einzelnen Episoden ist einfach großartig, der Witz fast ausnahmslos brillant. Was hab ich denn gegeben...[kurz-im-Thread-schau]...9,5, ja das passt, für mich an einem guten Tag sogar mit Tendenz zur 10 (als Synchro-Gucker aber auch nur in der Zweitsynchro mit Draeger, die Kinosynchro mit Juhnke taugt höchstens als Kuriosität, wird der Klasse des Films aber nie gerecht)
Maibaum hat geschrieben:Und Interiors wird durch aus auch von vielen als Volltreffer angesehen.
Weswegen ich mich mit meiner Abneigung auch immer etwas zurückhalte, weil a) schon längst übers Verfallsdatum hinaus (letzte Sichtung Sommer 1990) und b) retrospektiv wohl eher stilistisch denn qualitativ "not my cup of tea"
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Re: Die Filme des Woody Allen

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Gerade "Midnight in Paris" auf Arte gesehen, den ich noch nicht kannte. Wow, schon lange keinen so schönen, stimmungsvollen Film mehr gesehen! Owen Wilson hätte ich so eine Rolle gar nicht zugetraut. Klasse auch Marion Cotillard. Auch Lea Seydoux ist in einer kleinen Rolle zu sehen. Wirklich toll!
#Marburg2024

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Re: Die Filme des Woody Allen

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Hab heute mal wieder Broadway Danny Rose gesehen, was für ein wunderbarer Film! Allen spielt den Agenten einer Reihe höchst skurriler Kleinkünstler (ein einbeiniger Steptänzer, ein blinder Xylophonist, ein mit offenem Mund arbeitender Bauchredner...), der sich mächtig ins Zeug legt für seine Klienten, was ihm aber eher selten gedankt wird. Der Film sprüht nur so vor Tempo und Wortwitz und lässt Woodys Danny Rose bei seinen Bemühungen die Freundin seines Starklienten (wunderbar Divenhaft von Mia Farrow gegen ihren normalen Rollentypus gespielt) zu dessen Konzert zu bringen von einer Bredouille in die nächste schlittern. Die wunderbare Schwarz-Weiss-Photographie von Gordon Willis trägt genau wie die im berühmten Carnegie Deli spielende Rahmenhandlung (eine Gruppe Künstler erzählen sich die Haupthandlung von Danny Rose' bester Geschichte) enorm zur Stimmung des Films bei wie auch die schönen italienischen Schlager (von Co-Star und Sänger Nick Apollo Forte herrlich intoniert). Im Finale des Films nimmt die zuvor so quirlige Komödie dann einen wunderbar melancholischen Ton an, nicht jedoch ohne dass Allen sein Publikum mit einem versöhnlich-optimistischen Schluss entlässt. Broadway Danny Rose ist Allen in Hochform und eine seiner schönsten Komödien.
Wertung: (mindestens) 9 / 10

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Re: Die Filme des Woody Allen

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Bin gerade dabei ein paar der weissen Punkte in meiner Woody-Liste "abzuarbeiten" und hab jetzt auch mal Alice und Eine andere Frau gesehen. Filme, in denen Woody nicht mitspielt haben mich nie so gereizt, aber beide Filme haben mir beim jetzigen "verspäteten" Kennenlernen doch viel Spass gemacht. Alice ist eher das, was man so gemeinhin als typischen Allen-Film bezeichnen könnte, da deutlich leichter und durchzogen mit übersinnlichen und fantastischen Ideen, die man in Woodys Werk ja immer wieder findet. Dennoch bietet auch Alice einige tiefsinnige Ansätze und ist mit seinem Grundthema der Selbstanalyse und Hinterfragung dann auch praktisch die leichtere Variante des zwei Jahre zuvor entstandenen Eine andere Frau. Dieser bearbeitet sein Thema dann weitaus ernsthafter und weitgehend ohne die typischen Allenschen spritzigen Dialoge. Dafür punktet er mit messerscharf herausgearbeiteten Figuren und tollen Einfällen wie der Vermischung von Erlebnissen zweier unterschiedlicher Personen oder "nachgespielteter" Erinnerungen (einen Kniff, den Allen in Deconstructing Harry später erneut aufgriff). Ich würde Alice 7 Punkte und Eine andere Frau knappe 8 Punkte geben.
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Re: Die Filme des Woody Allen

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GoldenProjectile hat geschrieben:Ich bringe die Allensn schon wieder durcheinander... Ist Alice der mit dem chinesischen Zauberer und dem Geist von Alec Baldwin? Den fand ich nämlich sehr vergnüglich im 8-Punkte-Bereich.
Ja, genau. Für 8 Punkte (+) war er mir dann doch etwas zu "belanglos" - wenn man mir dieses böse Wort im Zusammenhang mit dem Meister erlaubt. Der Film war durchweg nett und unterhaltsam, aber das besondere Etwas fehlte mir dann doch. Die Idee mit dem chinesischen Kräuterdoktor fand ich aber toll, auch Baldwins Auftritt als Geist war ein klasse Einfall. Die Beziehungsstory war dagegen eher nur ok, die fand ich dann in Another Woman viel besser umgesetzt (und auch in vielen anderen Allen-Filmen).
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Re: Die Filme des Woody Allen

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Cafe Society

Auch im neuesten Allen darf wieder viel gelacht und sich köstlich amüsiert werden. Cafe Society ist eine hübsche und charmante Komödie rund um die Hollywood- und Manhattan-High-Society der 1930er-Jahre, eine skurrile Dreiecksbeziehung voller Verwechslungen, jüdische Mobster und überhaupt alles was dazugehört. Der Wortwitz ist wie man es von Allen gewohnt ist exzellent, der Zeitgeist wunderbar rekonstruiert, die visuelle Umsetzung gelungen und die Romantik funkt. Lediglich die Sprunghaftigkeit der Geschichte fällt teils etwas störend ins Gewicht, wenn Allen es sich etwas zu einfach macht und Handlungsteile als Voice-Over-Erzähler aufbereitet statt als Regisseur. Trotzdem, auch die Figuren und Schauspieler machen Spass, Jesse Eisenberg beweist einmal mehr, dass er eigentlich nur eine einzige Rolle spielen kann, die hier aber perfekt reinpasst und als Lead gut funktioniert. Ein kleines Juwel in der Besetzung ist Stephen Kunken als Eisenbergs verklemmter, intellektueller Schwager, der in Rolle und Aussehen im Prinzip eins zu eins Allen selber spielt. In Summe ist Allens neuester Film für mich vielleicht höchstens einen Hauch schwächer als sein letzter und definitiv eine Empfehlung für die Freunde von charmanter Unterhaltung. Und für diejenigen von Woody sowieso.

Wertung: 8 / 10
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Re: Die Filme des Woody Allen

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Allen ist bei mir ein extrem stiefmütterlich behandelter Regisseur.

Der einzige Film, den ich mir dieses Jahr fürs Heimkino, vorrangig darstellerbedingt geholt habe, ist "Irrational Man" - Muss ihn nochmals sehen, um ihn sauber beurteilen zu können.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "