Das skandinavische Kino

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Das dänische bzw. skandinavische Kino

Bei einem meiner Streifzüge vor Ewigkeiten hier im Forum ist mir aufgefallen, dass es noch kein richtiges Sammelthema für einen großen filmischen Bereich gibt. Bei all dem Kino aus Amerika, Großbritannien, dem französischen Raum, aus Deutschland gibt es einen Bereich, der sich in den letzten Jahren wie bereits zum Teil hier im Forum bekannt, zu einem meiner Lieblingsbereiche geworden ist und jährlich zu Pflichtterminen im Kino und Heimkino führt.

Die Rede ist vom dänischen bzw. im weiteren Raum mit dem skandinavischen Kino.

Zunächst einmal mein filmischer Horizont, was diesen Bereich angeht:

Verblendung
Verdammnis
Vergebung
Die Jagd
Headhunters
Erbarmen
Schändung
Erlösung
Zweite Chance
A War
9. April – Angriff auf Dänemark
Flickering Lights
Dänische Delikatessen
Adams Äpfel
Men & Chicken
Die Königin und der Leibarzt
The Salvation

Was mir bei den Filmen gefällt ist der sehr direkte und derbe Umgang mit Humor, die Auswahl von hochkomplexen Konflikten und Themen und das gewisse Etwas. Wenn wir z.B. Adams Äpfel oder auch Dänische Delikatessen nehmen – Wir haben schwarze Komödien, die sich zu ausgefeilten Charakterstücken und Provinzmärchen entwickeln.

Stein des Anstoßes ist eigentlich auch Mads Mikkelsen, der mir den Weg in diesen filmischen Bereich geebnet hat. Also muss ich meinem Lieblingsfilm „Casino Royale“ und auch meiner Liebe zu Bond danken.

Ich werde hier im Forum in der nächsten Zeit Stück für Stück mal für den Teil der Filme, die ich noch nicht auf anderem Weg rezensiert habe, Reviews schreiben und hier zur allgemeinen Diskussion stellen, den Anfang mache ich gleich mit „Zweite Chance“ – Ihr seid auch herzlich eingeladen. Vielleicht könnt ihr mir auch noch den ein oder anderen Film empfehlen.
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Re: Das dänische bzw. skandinavische Kino

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Review zu „Zweite Chance“ (2015)

Als ich den Trailer zum aktuellen Film „The Light Between Oceans“ und das Thema gesehen habe, hat mir das den thematisch ähnlich gelagerten dänischen Film von Susanne Bier „Zweite Chance – En Chance till“ ins Gedächtnis gerufen, den ich mir nun zur Vorbereitung ein zweites Mal ansehe. Der Name des Films ist also Programm.

In „Zweite Chance“ geht es um den Polizisten Andreas, er lebt glücklich mit seiner Frau Anna und dem Sohn Alexander zusammen. Bei einer Routinedurchsuchung beim Junkie-Pärchen Tristan und Sanne sieht er, wie deren Baby Sofus völlig verwahrlost. Als Alexander stirbt, kommt Andreas auf die verzweifelte Idee, einen Austausch der Babys vorzunehmen.

„Wie weit würdest du gehen ?“ - lautet die deutsche Tagline des Films. Das ist eben in der Grundsituation die wohl alles entscheidende Frage des Films. Dieser innere Grundkonflikt bewegt eben alle wichtigen Charaktere des Films, die stellenweise leicht klischeehaft dargestellt, aber sehr vielschichtig ausgelegt und mit den Darstellern sehr gut besetzt sind. Allen voran stehen hier die beiden Nikolajs, Lie Kaas in einer extrem krassen Performance als Junkie Tristan sowie Coster-Waldau als innerlich zerrissener Polizist. Aber auch Maria Bonnevie und Lykke May Andersen sowie Ulrich Thomsen machen ihre Sache außerordentlich gut.

Die Inszenierung von Susanne Bier ist bewusst sehr kühl, grau, dunkel und trist gewählt und untermauert die Stimmung des Films perfekt. Da die ganze Thematik natürlich auch der Marke „Harter Tobak“ angehört, ist die gut integrierte Polizeiermittlung ein gutes Mittel, den Film und seine sehr ambivalente Botschaft etwas leichter verdauen zu können und den Film natürlich auch eine gewisse Spannung zu verleihen.

„Zweite Chance“ bekommt von mir 9/10 Punkte.
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Re: Das dänische bzw. skandinavische Kino

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Hi,
ein tolles Vorhaben! Bin gespannt auf die weiteren Reviews. Zu den skandinavischen Filmen könnte man noch "Babettes Fest" und "Kim Novak badete nie im See von Genezareth" zählen. Die o.g. habe ich aber auch noch nicht alle gesehen - es gibt viel zu entdecken.
Habe mich kürzlich hier angemeldet und bemerke, wie vielseitig dieses Forum ist!
007 meldet sich zum Dienst.

Re: Das dänische bzw. skandinavische Kino

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Ja, man glaubt kaum, was für einen großen Kreis an Hardcore-Cineasten und Filmfans bzw. -Freaks oder -Spezialisten unterschiedlichster Art man hier im Forum kennenlernt

@Agent009: Für "Die Jagd" kommt demnächst eine spezielle Review, die der Film verdient !

Ach ja, auch eine Sache zum dänischen Film - durch das "Making Of" von "Schändung" bin ich durch Zufall auf einen wichtigen dänischen Filmpreis neben den beiden großen Robert und Bodil gekommen - dem Svendprisen.

Hier mal eine Übersicht der Gewinner der Verleihungen von 2014 bis 2016

2014:
Mest populære danske film bester dänischer Film: Erbarmen
Kvinden i Buret - instruktør Mikkel Nørgaard

Mest populære danske børnefilmbester dänischer Kinderfilm
Antboy - instruktør Ask Hasselbach

Mest populære udenlandske børnefilm bester ausländischer Kinderfilm: Frozen
Frost

Mest populære udenlandske film bester ausländischer Film
12 Years a Slave

Årets bedste kvindelige skuespiller beste weibliche Schauspielerin: Sonja Richter in Erbarmen
Sonja Richter - Kvinden i Buret

Årets bedste mandlige skuespiller bester männlicher Schauspieler: Nikolaj Lie Kaas in Erbarmen
Nikolaj Lie Kaas - Kvinden i Buret

Årets udenlandske skuespiller i en dansk film bester ausländischer Schauspieler in einem dänischen Film: Fares Fares in Erbarmen
Fares Fares - Kvinden i Buret

2015

Mest populære danske film Bester Film: Schändung
Fasandræberne - Mikkel Nørgaard

Mest populære udenlandske børnefilm Bester Kinderfilm: Big Hero 6
Big Hero 6

Mest populære udenlandske filmBester ausländischer Film: Hobbit 3
Hobbitten: Femhæreslaget

Årets bedste kvindelige skuespiller
Bodil Jørgensen - All Inclusive

Årets bedste mandlige skuespiller Bester männlicher Darsteller: Nikolaj Coster-Waldau in Zweite Chance
Nikolaj Coster-Waldau - En chance til

2016
Bedste danske film
Flaskepost fra P (instruktør Hans Petter Moland) Erlösung unter anderem nominiert: A War, Unter dem Sand

· Bedste danske børnefilm
Antboy 3 (instruktør Ask Hasselbalch)

· Bedste udenlandske film Ausländischer Film: The Revenant auch nominiert: Spectre, Deadpool, Star Wars 7, Hunger Games Mockingjay 2

The Revenant

· Bedste udenlandske børnefilm Kinderfilm: Inside Out auch nominiert: Zoomania, Kung Fu Panda 3, Minions, Alvin and The Chipmunks 4
Inderst Inde

· Årets bedste kvindelige skuespiller weibliche Darstellerin: Trine Dyrnholm Mir hätte auch Tuva Novotny in A War gefallen
Trine Dyrholm (Kollektivet)

· Årets bedste mandlige skuespiller männliche Hauptrolle: Nikolaj Lie Kaas in Erlösung Pilou Asbeak in A War wäre auch noch eine Option von mir
Nikolaj Lie Kaas (Flaskepost fra P)

@Agent009, die 2. : Die Jagd hat 2013 hier in den Kategorien Bester dänischer Film und Bester männlicher Hauptdarsteller abgeräumt !
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Re: Das dänische bzw. skandinavische Kino

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Den muss ich mir auch noch ansehen. Das Buch fand ich bereits sehr gut. Hier eine kurze Beschreibung von amazon:
"Haben Sie auch einen Nachbarn wie Ove? Jeden Morgen macht er seine Kontrollrunde und schreibt Falschparker auf. Aber hinter seinem Gegrummel verbergen sich ein großes Herz und eine berührende Geschichte. Seit Oves geliebte Frau Sonja gestorben ist und man ihn vorzeitig in Rente geschickt hat, sieht er keinen Sinn mehr im Leben und trifft praktische Vorbereitungen zum Sterben. Doch dann zieht im Reihenhaus nebenan eine junge Familie ein, die als Erstes mal Oves Briefkasten umnietet …"

Ich wäre interessiert an deiner Review, falls du den Link findest?
007 meldet sich zum Dienst.

Re: Das dänische bzw. skandinavische Kino

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svea001 hat geschrieben:
Ich wäre interessiert an deiner Review, falls du den Link findest?
viewtopic.php?f=44&t=2872&p=255017&hili ... ve#p255017

Das müsste es sein. Etwas kurz geraten, aber ausführlicher als meine zwei Sätze hier ;)
Casino Hille hat geschrieben:Das Buch war leider unglaublich schwach. Der Film kann da eigentlich nur besser sein.
Die Schauspieler sind richtig stark, von demher: Gut möglich.
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Re: Das dänische bzw. skandinavische Kino

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Sehr empfehlenswert ist meiner Meinung nach der norwegische Film "Einer nach dem anderen" (2014) von Hans Petter Moland, wobei der englische Titel "In Order of Disappearance" auch recht passend ist.
Ein eigentlich klassischer Rachethriller wird hier mit überaus originellen Ideen, fiesem Humor, und einer stilsicheren, atmosphärischen Inszenierung erzählt. Die Darsteller, allen voran ein brillant spielender Stellan Skarsgård, überzeugen ebenfalls. Bruno Ganz kann man ebenfalls in einer Nebenrolle sehen. Dazu gesellt sich ein passender Soundtrack, der die verschneiten Landschaften perfekt untermalt. Ein Film, der aus eigentlich wenig Geschichte überraschend viel herausholt.

Re: Das dänische bzw. skandinavische Kino

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iHaveCNit: „Unter dem Sand“ (2016) dänischer Originaltitel: „Under Sandet“

Dieses Jahr kam im April ein dänischer, historischer Film über ein vergessenes, dunkles Kapitel des 2. Weltkrieges in die deutschen Kinos. Die Rede ist von „Unter dem Sand“ vom dänischen Regisseur Martin Zandvliet, der zum jetzigen Zeitpunkt bei den dänischen Filmpreisen Robert und Bodil in diesem Jahr mit die besten Karten hat bzw. hatte. In „Unter dem Sand“, den deutschen Untertitel „Das Versprechen der Freiheit“ bekommen hat, geht es um eine Gruppe junger deutscher Kriegsgefangene, die an der Nordseeküste Dänemarks unter der Führung von Unteroffizier Carl Rasmussen im Sandstrand Landminen aufspüren und entschärfen müssen. „Unter dem Sand“ geht unter die Haut und an die Nieren und gehört zum Bereich der besseren Filme, die ich dieses Jahr gesehen habe.

Uns werden die jungen Kriegsgefangenen am Anfang bei der Ausbildung gezeigt, schon dort springt ihnen förmlicher Hass entgegen. Unter übelster Schikane müssen echte Minen zu Ausbildungszwecken entschärft werden. Dass jeder Fehler und jede Unachtsamkeit tödlich sein kann, wird uns dort auf eindrückliche Art und Weise geschildert. An der „Front“ sehen wir die Jungs täglich bei ihrer tödlichen Aufgabe mit einer förmlich spürbaren intimen Spannung beim mit den bloßen Händen Ausbuddeln und Entschärfen der Minen. Der Film kommt dabei erschreckend gut ohne heroische oder dramatische Musik aus. An der „Front“ sehen wir, wie der kleine Haufen von Jungs als Team zusammenwächst und sich mehr oder weniger auch der Unteroffizier so langsam mit den Jungs zusammenwächst und zwischen Autorität, Mitgefühl und Hass gegenüber den Deutschen pendelt. Das wird vom dänischen Schauspieler Roland Möller so eindrucksvoll und glaubwürdig verkörpert, dass es weh tut. Genauso wie das Schicksal der Jungs, die uns auch mit der Zeit ans Herz wachsen und man unweigerlich mit den Verlusten umgehen muss, die uns in teils derber Darstellung direkt gezeigt werden. Auch wird uns der blanke Haas der dänischen Bevölkerung gegen die jungen deutschen Kriegsgefangenen gezeigt, der extrem krasse, derbe Züge annimmt. In einer weiteren wichtigen Nebenrolle als Leutnant Ebbe sehen wir Mykkel Boo Falsgaard, der mir schon in „Die Königin und der Leibarzt“ sowie „Erbarmen“ positiv aufgefallen ist.

Schon jetzt ist der „dänische Film“ einer meiner großen Gewinner des Jahres 2016. Mit „Unter dem Sand“ schafft es der 4. Film in Folge, fast meine Bestnote zu holen. Der Film ist eindringlich, derb, spannend und geht unter die Haut.

„Unter dem Sand“ bekommt von mir 9/10 Punkte
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Re: Das dänische bzw. skandinavische Kino

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iHaveCNit: Die Kommune (2016) dänischer Originaltitel: Kollektivet

„Die Kommune“ ist der aktuellste Film von Thomas Vinterberg, der mir zuletzt in „Die Jagd“ einen der besten Filme aus dem Jahr 2013 beschert hat. In „Die Kommune“ haben er und Tobias Lindholm, der Kopf hinter Filmen wie „A War“ ; „Hijacking“ und „9.April“, das Drehbuch geschrieben. „Kollektivet“ hat im dänischen Raum entsprechend gute Berücksichtigung bei den großen Preisverleihungen bekommen. Allen voran Trine Dyrholm, die den Silbernen Bären 2016 auf der Berlinale oder auch den Svendprisen 2016 für ihre Darstellung erhalten hat.

Im Film geht es um die miteinander verheirateten TV-Moderatorin Anna und den Architekturdozenten Erik, die nach dem Tod seiner Eltern deren Haus erben. Das Haus ist jedoch im Unterhalt für beide zuviel und beide treffen die Entscheidung, diverse Leute in das Haus einzuladen und eine WG bzw. Kommune innerhalb des Hauses zu gründen. Innerhalb der Kommune werden Entscheidungen im Kollektiv getroffen. Die Ehe zwischen Anna und Erik wird dann auf eine harte Probe gestellt, als er Ihr eine Affäre mit einer Studentin gesteht, die dann auch noch als Teil der Kommune aufgenommen wird.

Uns wird ein tolles und detailliertes Bild des Kopenhagener Lebens in den 70ern präsentiert. Das Kernstück bei all den Nebencharakteren und Nebenstorys, wie z.B. der mittellose Allon (toll verkörpert von Fares Fares) oder die aufkeimende Liebe von Annas und Eriks Tochter Freya, bleibt definitiv das Drama um die Beziehung zwischen Anna und Erik. Erik wird von Ulrich Thomsen gespielt, der hier mit einer Mischung aus Reserviertheit, stoischer Ruhe und innerer Zerrissenheit daherkommt. Doch die alles überstrahlende Schauspielerin hier bleibt Trine Dyrholm, die den Film erst richtig sehenswert macht. Ansonsten bleibt diese witzige, unterhaltsame und dramatische Zeitreise ins Kopenhagen der 70er-Jahre sehr gewöhnlich und entwickelt für mich nicht die Strahlkraft von Vinterbergs „Die Jagd“

„Die Kommune“ bekommt von mir 8/10 Punkte.
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