Re: John Wick

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John Wick ist ein Paradebeispiel dafür, was ich von einem Film im Allgemeinen erwarte und mehr noch im Speziellen Fall eines Actionfilms. Bei Erstsichtung konnte Teil 1 bei mir voll zünden, was vor allem an der gut aufgebauten und strukturierten Geschichte und den interessanten Figuren lag. Klar, die Action war schon toll, aber für sich genommen nur Beiwerk. Bei Zweitsichtung war bei der Geschichte der Lack dann schon etwas ab, keine Ahnung warum, aber das Resultat war, dass ich mich relativ schnell satt an der perfekt choreographierten Action sah und der Film in Summe deutlich in sich zusammen schrumpfte. Teil 2 war dann noch wesentlich schmerzhafter, da hier Geschichte und Figuren auf ein absolutes Minimum reduziert wurden und die Action ohne echte dramaturgische Legitimierung vor sich hinlief.

Gleiches Spiel beim von vielen so hochgeschätzten Atomic Blonde: nachdem die anfänglich noch interessante Grundprämisse einer Aneinanderreihung von Genreklischees und Actioneskapaden wich, tendierte für mich die Faszination gegen Null. Weiteres Beispiel: die beiden The Raid Filme. Teil 1, ebenfalls mit einem absoluten handlungs- und figurentechnischen Minimum versehen, lief sich im Actiondauermodus schnell tot, während der deutlich längere Teil 2 trotz ebenfalls erklecklichem Anteil an durchgestylten Actionballetts aufgrund der interessanter aufgebauten Geschichte und besseren Figuren richtig Spass gemacht hat.

Ich könnte auch noch Mile 22, MI 5 und eine ganze Reihe anderer Film anführen, die belegen dass mir Action ohne gescheiten dramaturgischen Unterbau keinen Spass macht. Da kann die Action noch so ausgetüftelt sein, wenn sie inhaltlich weitgehend in der Luft hängt ist das für mich ähnlich prickelnd wie Synchronschwimmen oder Dresurreiten. Von daher: JW3 wird ohne mich auskommen müssen – was als beinharter Keanu Reeves-Fan schon schwer genug ist. Aber Bill & Ted 3 ist ja zum Glück nicht mehr weit >> Volle Kanne, Hoschi! :D
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Re: John Wick

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Ich sehe das ähnlich. Klar ist die durchgestylte Nahkampf-Schiess-Action in grellen Neonfarben cool, aber nachdem sie sich zwei Filme lang wiederholt, beginnt sie auch, sich abzunutzen. Gerade wenn der dramaturgische und figürliche Unterbau eher schwach ist (Teil 2) oder sich bei einer Zweitsichtung als deutlich schwächer entpuppt (Teil 1). Das Original war im Kino noch eine Wucht, gerade weil er inhaltlich so simplifiziert und präzise wie ein Granateinschlag war. Bei der obligatorischen Zweitsichtung zur Vorbereitung auf Kapitel 2 war es dann mehr ein B-Movie mit coolen Actionszenen. Und ich fürchte, bei einer weiteren Sichtung würde er sogar noch weiter leiden.
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Re: John Wick

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All das lieber anatol gilt auch für die allermeisten Action-Garanaten unserer Helden Arnold und Sly (Rambo II-IV, Cobra, Commando, Raw Deal). Werden die auch langweilig? Ich kann schon verstehen, dass einen das bei wiederholter Sichtung nicht ganz so umhaut, aber für puristische Action-Fans ist das eine ganz andere Nummer. Klar gibt es auch Filme wie Lethal Weapon und Die hard, aber die kompromisslose B-Schiene - und dazu zähle ich Wick (so wie Raid, Dredd etc.) - hat ebenfalls ihre Reize, gerade aufgrund der totalen Reduktion auf Action.
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Re: John Wick

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vodkamartini hat geschrieben: 27. Mai 2019 17:28 All das lieber anatol gilt auch für die allertmeisten Action-Garanaten unserer Helden Arnold und Sly (Rambo II-IV, Cobra, Commando, Raw Deal).
Nein, das finde ich nicht. Die Story mag da (teilweise, die genannten Filme sind zu heterogen, als dass ich sie alle über einen Kamm scheren würde, auch qualitativ) oft auch reduziert sein, aber hier verhält es sich in meinen Augen ähnlich wie bei Bond: eher einfach gehaltene Geschichten, die aber zielgerichtet und gut aufgebaut sind. Wie bei den modernen Bondfilmen versteigen sich viele moderne Actionfilme in recht komplexen Aufbauten, die inhaltlich aber oft noch deutlich reduzierter und klischeehafter sind, als die genannten Beispiele. Da wird viel Aufwand für ne Nullnummer betrieben, da sind mir einfach gehaltene, aber klar strukturierte Geschichten und Figuren, die zudem oftmals unter der Oberfläche sogar noch etwas mehr zu bieten haben (Rambo II und IV zum Bleistift) deutlich lieber. Vor allem entwickelt sich die Action hier auch aus der Geschichte, viele Hochglanzactionfilme sind lediglich Leistungsschauen in Sachen Choreographie und Inszenatorische Selbstbefriedigung. So jedenfalls mein Empfinden.
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Re: John Wick

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Ich ziehe die alten Filme ebenfalls vor, sehe aber den Unterschied da nicht so deutlich. Sicher ist Wick besonders reduziert auf seine stylischen Actionsequenzen, genauso wie Raid. Bei Atomic Blonde sieht das aber schon etwas anders aus und im direkten Vergleich mit Cobra, einigen Rambos, Commando sehe ich da beim besten Willen keine inhaltliche Reduktion.
Recht würde ich die bei den neueren Bondfilmen geben, die sehr komplex tun, aber bei genauerem Hinsehen ein sehr simples Handlungsgerüst offenbaren (z.B. Spectre, QOS, Skyfall, GoldenEye, DAD etc.).
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Re: John Wick

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Sehe das längst nicht so absolut wie Anatol, Atomic Blonde wäre eher ein Parade-Gegenbeispiel, aber John Wick 2 und 3 waren eine schmerzliche Erfahrung. Stumpfes Gemetzel voll von abgedroschen Killerklischees, verbunden mit der Dramaturgie eines Videospiel Ego-Shooters - und dazu mit einem Protagonisten, der dermaßen gleichgültig durch die Gegend stiefelt, dass selbst das Minimal-Acting von Keanu Reeves nicht groß auffällt. Nicht zu vergessen dieses peinliche Gehabe um den Assassinen-Verbund und dessen Kodex. Wo die Kritiker in den Filmen "innovative" oder "grandios choreographierte" Action sehen weiß ich auch nicht. Ein Bodycount, der hier mit Kurzdistanz-Kopfschüssen erzielt wird, wofür in anderen Filmen Massenvernichtungswaffen von Nöten sind, reichen mir für die Attribute nicht aus.
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Re: John Wick

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DIe Kurzdistanzkopfschüsse sind aber weitaus seltener vertreten als noch im Vorgänger, der ja fast auschließlich dieses Element zelebriert hat (Auf großartige Art und Weise, wie ich finde).
Wo es grandios choreographierte Action im Film gibt? Nahezu überall! Von der ersten Kampfszene vielleicht mal abgesehen, weil man da sehr deutlich sieht, dass John Wicks Gegner sich viel zu oft nicht wehrt, wenn er könnte. Dennoch ist selbst diese Szene innovativ, zumindest ist mir kein vergleichbarer "Buch-Kill" bekannt. Und auf solche Ideen muss man erstmal kommen.
Das mit dem Nicht immer wehren, gibt es in schwächerer Form zwar auch später hin und wieder im Film in schwächerer Form, ist allerdings auch kein John-Wick-typisches Problem. Auch in den von dir so gelobten "The Raid"-Filmen gibt es das, ebenso wie in anderen hochgelobten Klassikern des Genres.
Wenn die Action in Cassablanca nicht sowohl innovativ als auch absolut perfekt choreographiert ist, dann weiß ich auch nicht. Etwas vergleichbares hab ich ganz ehrlich noch nie gesehen. Wenn man in John wick 3 die Story kritisiert kann ich das voll und ganz verstehen. Meinetwegen auch die Dramaturgie, wobei die in meinen Augen erst am Ende, als es Stockwerk für Stockwerk nach oben geht, wirklich an ein Videospiel erinnert.Aber die Action zu kritisieren und zu behaupten, dass sie handwerklich mit anderen Filmen unserer Zeit nicht mithalten könnte grenzt für mich ehrlich gesagt schon fast an Realitätsverweigerung.
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Re: John Wick

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dernamenlose hat geschrieben: 13. Juni 2019 13:15 Aber die Action zu kritisieren und zu behaupten, dass sie handwerklich mit anderen Filmen unserer Zeit nicht mithalten könnte grenzt für mich ehrlich gesagt schon fast an Realitätsverweigerung.
Oder ist es vielleicht einfach eine andere Meinung und Sichtweise auf gute Action? Ne, das kann es eigentlich nicht sein.

PS: Und wo sich der Kampfstil von Zottelfrise Wick jetzt so sehr von zum Beispiel Vincent (alias Tom Cruise) in "Collateral", der die Wick Action überdeutlich inspiriert hat, unterscheidet, müsste mir jetzt auch nochmal wer erklären.
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Re: John Wick

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Casino Hille hat geschrieben: 20. Juni 2019 13:55 Oder ist es vielleicht einfach eine andere Meinung und Sichtweise auf gute Action?
Du sprachst im das handwerkliche Niveau anderer Actionfilme ab, und bei den handwerklichen Aspekten geht es nicht in erster Linie um Meinung.
Dass dir diese Art von Action(inszenierung) nicht liegt sei dir unbenommen, das hat aber nichts damit zu tun, dass sie handwerklich erstklassig ist. Ob man das dann unterhaltsam findet muss jeder selbst wissen. Ich war vor zwei Tagen zum dritten mal bei John Wick 3 im Kino, diesmal mit Begleitung, und der konnte auch eher wenig mit dieser Art Action anfangen, das handwerkliche hat er aber auch gelobt. Es hat bei ihm nur eben nicht so gezündet wie bei mir. Und das ist dann eine Sichtweise, die ich zwar nicht teilen, aber vollkommen nachvollziehen kann.
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Re: John Wick

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Ich habe der Action kein handwerkliches Niveau abgesprochen, sondern sie lediglich (und so habe ich es formuliert) als langweilig anzusehen empfunden. Alles was ich sagte war, dass ich nicht weiß, wo die Kritiker "Grandiose Choreographien" sehen. Die sehe ich in Matrix oder in The Raid, aber bei John Wick? Auf keinen Fall. Das ist nett, vielleicht sogar gut, aber grandios?
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Re: John Wick

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Casino Hille hat geschrieben: 1. Juli 2019 15:55 Ich habe der Action kein handwerkliches Niveau abgesprochen, sondern sie lediglich (und so habe ich es formuliert) als langweilig anzusehen empfunden.
Ich habe diesen Satz anders aufgefasst:
Casino Hille hat geschrieben: 27. Mai 2019 11:10 überzogenen Actionszenen, die handwerklich kein bisschen mit den wirklich großen Genrefilmen unserer Zeit (The Raid 2, Atomic Blonde, Hanna usw.) mithalten können
Dass du diese Art der Action als langweilig empfindest ist natürlich vollkommen in Ordnung. So was bleibt Geschmackssache.
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Re: John Wick

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Aber damit spreche ich der Action kein handwerkliches Niveau ab. Ich sehe sie nur nicht auf demselbigen wie die der anderen genannten Filme. Zwischen den "großen Genrefilmen" und "kein handwerkliches Niveau" gibt es hoffentlich noch einen klaren Unterschied. Eigentlich gibt es da aber aus meiner Sicht gar nicht viel mehr zu sagen, außer das ich die John Wick Filme für in jeder Hinsicht absolut überschätzt halte, auch wenn ich verstehe das das B-Movie-Publikum die Dinger kultisch verehrt, denn genau darauf sind sie ja getrimmt.
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Re: John Wick

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Casino Hille hat geschrieben: 2. Juli 2019 12:54 Aber damit spreche ich der Action kein handwerkliches Niveau ab. Ich sehe sie nur nicht auf demselbigen wie die der anderen genannten Filme. Zwischen den "großen Genrefilmen" und "kein handwerkliches Niveau" gibt es hoffentlich noch einen klaren Unterschied.
Davon sprach ich auch nie. Ich schrieb:
dernamenlose hat geschrieben: 1. Juli 2019 12:58 Du sprachst im das handwerkliche Niveau anderer Actionfilme ab
Denn genau das hast du getan, du hast ihnen das handwerkliche Niveau von Filmen wie "The Raid 2" oder "Atomic Blonde" abgesprochen, wo ich halt wiedersprechen muss, da John Wick 3 dieses Niveau mindestens hält, eher überbietet. Die einzigen handwerklichen Schwächen, die John Wick 3 hat, findest du eben auch in Filmen wie "The Raid 2".
Casino Hille hat geschrieben: 2. Juli 2019 12:54 auch wenn ich verstehe das das B-Movie-Publikum die Dinger kultisch verehrt, denn genau darauf sind sie ja getrimmt.
Als B-Movies sehe ich die John Wick nicht im geringsten. Und auch bei John Wick gibt es mehr als kultisch verehren und hassen. Meine "8,5/10" beispielsweise klingen für mich nicht unbedingt nach "kultisch verehren" sehr positiv sind sie trotzdem. MAn kann doch auch John Wick differenziert betrachten.
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Re: John Wick

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dernamenlose hat geschrieben: 4. Juli 2019 14:20 Denn genau das hast du getan, du hast ihnen das handwerkliche Niveau von Filmen wie "The Raid 2" oder "Atomic Blonde" abgesprochen, wo ich halt wiedersprechen muss, da John Wick 3 dieses Niveau mindestens hält, eher überbietet
Ja klar, da haben wir dann eben unterschiedliche Meinungen hinsichtlich der handwerklichen Qualitäten der Action dieser Filme, nur warum sollte das Realitätsverweigerung sein? Unterschiedliche Meinungen, Auffassungen und Wahrnehmungen sind das normalste auf der Welt. Wäre ja auch schlimm, wenn wir alle dieselben Lieblinge hätten. Ich zum Beispiel störe mich stark an den offensichtlichen CGI-Blutspritzern und CGI-Mündungsfeuern in den John-Wick-Filmen, dir ist es vielleicht gar nicht aufgefallen und so weiter. Habe ich kein Problem mit.

Und doch, die Wicks sind in meinen Augen lupenreines B-Kino, wie es in der Form eigentlich gar nicht mehr existiert, höchstens unter der Regie von Jaume Collet-Serra. Was früher B-Kino gewesen wäre hat sich ja heute beinahe ausschließlich in den DTV Sektor verschoben, leider. In der Hinsicht begrüße ich Filme wie John Wick oder Atomic Blonde etc. grundsätzlich jederzeit, auch wenn sie mir deshalb nicht alle gefallen (müssen).
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