Re: Award-Saison 2023

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Ich empfinde das durchaus eine sehr durchdachte Analyse. Da steht nicht, dass er in Ungnade gefallen ist. Aber, dass seine große Zeit vorbeit ist, empfinde ich auch schon lange so. Auch für mich macht er schon länger keine Filme mehr, die mich begeistern oder emotional berühren. Manche interessieren mich nicht mal genug, um ins Kino zu gehen (u.a. Terminal, Lincoln, BFG, War Horse, West Side Story). Der letzte Spielberg Film, der mich im Kino zumindest sehr gut unterhalten hat, war Minority Report. Das ist 20 Jahre her. Gut, Bridge of Spies war auch noch ganz ok.
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Re: Award-Saison 2023

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Der Artikel analysiert völlig richtig aber Schlagzeilen wie "seine Zeit ist vorbei" oder "in Ungnade gefallen" sind natürlich Humbug, das schreibt der Autor aber auch nicht, oder?

Zunächst mal muss man sich immer vor Augen halten, dass dort eine SEHR große Jury unabhängig voneinander entscheidet. Es ist nicht so, dass da ein Gremium auis Dreien diskutiert und sich sagt "Ne, geh mir wech mit dem Spielberg!".

Eine so große Gruppe von Leuten lässt sich aber sehr wohl von Trends im gesellschaftlichen Mindset beeinflussen. Auch das analysiert der Artikel treffend. Alles was nicht nach Diversity schreit und möglichst weit weg ist vom "alten weißen Mann" hat eben heutzutage einen schweren Stand überall.

Dort wo eher Fachleute oder kleine Gremien entscheiden, hat Spielbergs Film ja dann auch haufenweise Preise gewonnen.

Was auch völlig ignoriert wird, weil es eben nicht zu untersuchen ist: Wer sagt, dass nicht Spielberg, sein Film und die Crew in allen Kategorien bei allen Jurymitgliedern vielleicht ganz knapp auf Platz 2 lag?

Ob (das) Spielberg wirklich nicht mehr angesagt ist zeigt sich ganz woanders, nämlich beim Box Office.

(wohlgemerkt, ich sage das alles ohne Spielbergs Film oder die tatsächlichen Oscargewinner zu kennen)
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Re: Award-Saison 2023

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danielcc hat geschrieben: 14. März 2023 10:14 Alles was nicht nach Diversity schreit und möglichst weit weg ist vom "alten weißen Mann" hat eben heutzutage einen schweren Stand überall.
Dann hätte "Im Westen nichts Neues" wohl kaum so massiv bei den BAFTAs abgeräumt. Dieses Statement halte ich für zu kurz gegriffen. Ich finde auch den Artikel in seiner Argumentationsweise nicht sonderlich schlüssig. Spielberg hat schon zwei Regie-Oscars, ihm nochmal einen dritten mitzugeben wäre für die Oscars wahnsinnig untypisch. Man kann einiges aus dem Artikel so interpretieren, dass seine große Zeit vorbei ist, aber dann bräuchten sie ihn ja auch nicht so regelmäßig weiter und weiter nominieren.
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Re: Award-Saison 2023

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Da gebe ich Daniel recht, Kriegsfilme die nach "Anti" schreien (auch wenn es imo den Antikriegsfilm als Genre gar nicht gibt, aber das wäre eine längere Diskussion) waren schon immer sehr preisverdächtig, schielen auch oft ganz mächtig danach. IWNN ist da ein super Beispiel, praktisch eine Blaupause für "Wie gewinne ich Preise". Ich will das den Machern gar nicht mal bewusst unterstellen (halte es aber durchaus für möglich). Unterstellen würde ich Ihnen ein nicht sehr sattelfestes Geschichtsbild bzw. wenig Ahnung von den historischen Fakten und auch relativ wenig Gespür für die literarische Vorlage.

Zu Spielberg. Ich bin schon der Meinung, dass seine große Zeit schon länger vorbei ist. Natürlich ist er ein Ausnahmeregisseur und seine Filme kann man sich nach wie vor (beruhigt) ansehen. Dazu ist er zu versiert und arbeitet auch mit verirrten Leuten zusammen. Aber etwas Großes im Sinne von Überraschendes oder wirklich Mitreißendes bringt er nicht mehr zustande. Jedenfalls nicht in meinen Augen. Fabelmans habe ich allerdings noch nicht gesehen.
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Re: Award-Saison 2023

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Bis Saving Private Ryan hat Spielberg kontinuierlich thematisch oder kommerziell und eventuell auch künstlerisch für Aufsehen gesorgt, wurde auf breiter Ebene wahrgenommen und kontrovers diskutiert. Und auch schon zunehmend wertgeschätzt seit etwa Mitte der 80er Jahre. Und zum Ende dieser Periode hin hat er dann ja auch seine Oscars bekommen.

Das alles ist seitdem weitgehend weg, die neuen Filme kommen regelmäßig und in großer Stückzahl, aber sie haben weder im kritischen Diskurs noch in der breiten popkulturellen Wahrnehmung die Bedeutung die sie mal hatten. Trotzdem haben seine Filme immer noch genügend Erfolg, und bekommen mit großer Regelmäßigkeit diese und jene Ehrung. Er ist also schon noch da, er ist nicht künstlerisch tot (wie vielleicht Coppola, dessen neuere Filme tatsächlich kaum noch wahr genommen werden), er ist auch sicherlich nicht in "Ungnade" gefallen.
Aber wenn er nach Ryan keine Filme mehr gemacht hätte, dann hätte das Stand jetzt für seinen Nachruhm Null Auswirkung.

Re: Award-Saison 2023

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danielcc hat geschrieben: 14. März 2023 10:37 Naja, erstens hat Im Westen keinen wirklich wichtigen oscar bekommen (sorry!) und zweitens hat der halt den Antikriegsfilm Stempel. Das geht bei aller Diversity immer ;-)
Dat stimmt so nicht.
Kamera und Musik sind nicht so Dödel Kategorien wie Special Effects, bester Song oder Make up, das sind elementare filmische Dinge.
Und auch der beste internationale Film ist nicht mehr wie früher manchmal ein Witz, sondern mit oft hochkarätigen Filmen besetzt.

Der internationale Erfolg dieses deutschen Netflix Films ist schon erstaunlich. Daß er gleich 7 britische Filmpreise abgeräumt hat, darunter auch Bester Film und Regie ist im höchsten Maße überraschend.

Re: Award-Saison 2023

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vodkamartini hat geschrieben: 14. März 2023 11:00 Da gebe ich Daniel recht, Kriegsfilme die nach "Anti" schreien (auch wenn es imo den Antikriegsfilm als Genre gar nicht gibt, aber das wäre eine längere Diskussion) waren schon immer sehr preisverdächtig
Das ist richtig, aber man kann nicht sagen: "Was nicht nach Diversity schreit, hat es bei Preisverleihungen sehr schwer" und dann gewinnt ein Film mit ausnahmslos weißen Gesichtern vier Oscars, zig BAFTAS, und ein weiterer erhält neun Oscar-Nominierungen plus ebenfalls BAFTAs. Entweder Hü oder Hott. Wenn die Oscars doch so viel Wert auf Diversity legen, bräuchten sie "Tár" und "Die Fabelmans" nicht so häufig nominieren. Hier wird eine politische Agenda gesucht, wo gar keine ist.
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Re: Award-Saison 2023

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Maibaum hat geschrieben: 14. März 2023 11:13
Der internationale Erfolg dieses deutschen Netflix Films ist schon erstaunlich. Daß er gleich 7 britische Filmpreise abgeräumt hat, darunter auch Bester Film und Regie ist im höchsten Maße überraschend.
Nicht so überraschend. Die Briten sind gewissermaßen besessen vom 1. Weltkrieg, wird auch dort immer noch als "The Great war" bezeichnet. Den Zweiten sehen sie kritischer, weil er trotz Sieg den Niedergang des Empire besiegelt hatte, was von vielen Briten als Niederlage empfunden wird.

Zwar ist IWNN aus deutscher Sicht erzählt, aber weit weg von irgendeinem auch nur zart positiven Kommentar zur deutschen Seite. Die Kriegsschuldfrage wird im Sinne des britischen Mainstream-Geschichtsverständnisses thematisiert und von Seiten der Gegner (Franzosen, Briten etc.) gibt es nicht eine einzige kritische Szene. Das gefällt natürlich. Mendes 1917 hat z.B. mit klarer Freund/Feind-Symbolik gearbeitet aber das war völlig ok, weil ein britischer Film.
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Re: Award-Saison 2023

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Casino Hille hat geschrieben: 14. März 2023 11:24
vodkamartini hat geschrieben: 14. März 2023 11:00 Da gebe ich Daniel recht, Kriegsfilme die nach "Anti" schreien (auch wenn es imo den Antikriegsfilm als Genre gar nicht gibt, aber das wäre eine längere Diskussion) waren schon immer sehr preisverdächtig
Das ist richtig, aber man kann nicht sagen: "Was nicht nach Diversity schreit, hat es bei Preisverleihungen sehr schwer" und dann gewinnt ein Film mit ausnahmslos weißen Gesichtern vier Oscars, zig BAFTAS, und ein weiterer erhält neun Oscar-Nominierungen plus ebenfalls BAFTAs. Entweder Hü oder Hott. Wenn die Oscars doch so viel Wert auf Diversity legen, bräuchten sie "Tár" und "Die Fabelmans" nicht so häufig nominieren. Hier wird eine politische Agenda gesucht, wo gar keine ist.
Da bin ich bei dir. Das Diversity-Argument erschließt sich mir hier auch nicht.
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Re: Award-Saison 2023

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Dass Spielbergs Output an Bedeutung verliert, finde ich überhaupt nicht ungewöhnich, weil das ausnahmslos jedem Künstler so geht. Filmemacher, Schriftsteller, Musiker, Maler. Der kreative Höhepunkt ist irgendwann überschritten, was dann folgt, sind mal mehr, mal weniger gelungene Alterswerke. Woody Allen hat seinen Zenit schon in den späten 70ern überschritten, na und? Dass dann nicht jedes weitere Lebenszeichen abgefeiert wird, ist doch der natürliche Lauf der Dinge.

Ist "Tár" nicht total divers? Erfolgreiche Frau in einer Männerbastion (Feminismus!), dazu lesbisch (Diversity!), nur das Weiß-Sein ist vielleicht noch ein Problem.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Award-Saison 2023

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ollistone hat geschrieben: 14. März 2023 11:52 Woody Allen hat seinen Zenit schon in den späten 70ern überschritten, na und?
Das ist aber höchst diskutabel und angesichts seiner späteren (nicht selten prämierten) künstlerischen Erfolge schwer haltbar. :wink:
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Award-Saison 2023

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Okay, sagen wir, in den späten 70ern erreicht und in den 80ern überschritten. So gut wie "Stadtneurotiker", "Manhattan" oder "Purple Rose of Cairo" wurde es eigentlich nicht mehr. Er hat auch später ganz tolle Filme gemacht, aber der "Kern-Allen" ist für mich 70er.
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