Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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danielcc hat geschrieben: 27. Februar 2023 12:17 Dass man das im vorliegenden Falle auch nur zu einem Jubiläum zu Ehren des Autors tut, ist an Albernheit und Unverschämtheit nicht mehr zu überbieten. Ich hoffe, niemand kauft die Bücher!
Ja, es ist schon ziemlich irre, was da seit einigen Jahren abgeht und es hört einfach nicht auf. Ich habe nur darauf gewartet, bis Bond dran ist - und bin jetzt trotzdem etwas perplex. Man hat ja nicht nur einfach das "N-Wort" ausgebessert gegen "Afroamerikaner", sondern durchaus weitere Beschreibungen einfach weggelassen. Weitere auch nicht so "politisch-korrekte" Formulierungen zu anderen Ethnien werden aber nicht geändert. Es ist also absoluter Bullshit, wie immer. Und wo hört man da eigentlich auf? Irgendwer wird sich immer an irgendwas stören.

Aber es ist nun einmal so, weder Fleming noch seine Romanfigur Bond waren ohne Fehler, egal ob es Gewalt, Sex, Rauchen, Alkohol oder deren Einstellungen und Sichtweisen betrifft.
Man muss die Bücher ja nicht lesen?
Und wie schreibt man eigentlich heutzutage ein Buch über einen Rassisten? Spricht der dann nur schönstes Burgtheaterdeutsch? Oder ist das auch schon wieder gleich zuviel Nazi? Oder darf so eine Geschichte einfach nicht mehr erzählt werden, weil es könnte sich ja jemand angegriffen fühlen?

Jedenfalls habe ich mir gestern die James Bond Gesamtbox von Crosscult bestellt, mit allen Fleming Romanen in unzensierter, deutscher Fassung von vor einigen Jahren. Auch wenn ich alle Romane schon mehrmals in unterschiedlichen Ausgaben auf D und E habe ...
Bond... JamesBond.de

Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Da Gernot es in seinem Beitrag gerade so geschrieben hat: Ich persönlich finde es schon ziemlich lächerlich, wenn man etwasschreint in die Rihtung "X hat das N-Wort verwendet" und dann eine lange Anmerkung in Richtung "Das N-Wort meint eine heute nicht mehr gebrächliche, abwertenden Bezeichnung für Dunkelhäutige" oder ähnliches. Warum schreibt man nicht einfach "X hat Z als 'Neger' beleidigt". Es ist doch etwas völlig anderes, wenn man jemanden direkt als 'Neger' bezeichnet, als wenn das den Begriff in einem sachlichen, beschreibenden/informierenden Bericht verwendet.

Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Ich habe in den letzten Tagen in meinen Beiträgen oft darüber nachgedacht es einfach zu schreiben, wenn ich Fleming zitiere - so steht's ja auch tatsächlich geschrieben, es ist einfach nur ein Zitat. Ich merke aber, dass es da mittlerweile tatsächlich eine Hemmschwelle gibt, es zu sagen oder zu schreiben...

Damals war es ja im Normalfall auch nicht als Beleidigung gemeint (natürlich hat man es auch abwertend gebrauchen können). Auch Fleming benutzt es um die Situationen zu beschreiben, nicht um zu beleidigen.

Ich habe mich aber tatsächlich bewusst selbst zensiert und es nicht direkt zitiert, weil ich einfach überhaupt keine Zeit und Lust habe mit irgw. Aufgebrachten herumzuargumentieren. Dafür fehlt mir derzeit einfach die Zeit.

Aber ja, grundsätzlich sollte jeder sagen und schreiben, was er will - solange niemand absichtlich beleidigt, abgewertet wird bzw. es rechtlich in Ordnung ist.

Die aktuelle Entwicklung ist nicht gut.
Bond... JamesBond.de

Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Da hatte ich schon lange unerquickliche Diskussionen mit meinen Kindern. "Neger" ist heute tatsächlich sowas wie "Lord Voldemort", pssst, du-weißt-schon-wer... Da reden Generationen einfach mal aneinander vorbei. Ich erkläre ihnen (was sie natürlich schon wissen), dass man heute Schwarze nicht mehr als Neger bezeichnet, und die gucken mich absolut entsetzt an: ich dürfe doch das N-Wort nicht benutzen! Ich: "Mache ich ja auch nicht, ich sage ja gerade, dass man heute nicht mehr Neger sagt." - "Papa!!!"

Die bringen das wirklich nicht über die Lippen. Ich ermuntere sie dann immer, es einfach mal auszusprechen, das befreit ungemein, aber das können sie leider nicht abstrahieren. Als würde gleich um die Ecke die Sprachpolizei lauern und sie wegen des Gebrauchs verbotener Wörter verhaften. Das hat schon was religiös-verklärtes.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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ollistone hat geschrieben: 6. März 2023 12:00 "Neger" ist heute tatsächlich sowas wie "Lord Voldemort", pssst, du-weißt-schon-wer...
Womit gerade die Generationen, die mit "Harry Potter" aufgewachsen sind, ganz wunderbar beweisen, dass sie eine der wichtigsten Ideen der Reihe nicht verstanden haben – nämlich, dass Lord Voldemort erst dadurch umso mächtiger wird, dass man ihn nur als "du-weißt-schon-wer" bezeichnet, als jemand, dessen Namen man bloß nicht aussprechen darf. Hermione macht das irgendwann im Verlauf der Reihe sehr deutlich, wie sehr man die Angst und Furcht vor Voldemort dadurch am Leben erhält, dass man sich selbst sogar verbietet, auch nur seinen Namen in den Mund zu nehmen. In den 90ern haben es Rapper wie NWA mal geschafft, sowohl den Neger-Begriff als auch sein englischsprachiges Äquivalent ein Stück weit zu entdämonisieren, in dem sie ihn plötzlich als Selbstbezeichnung verwendet haben. Die "politisch Korrekten" heute tun dagegen alles dafür, dem Begriff mit aller Macht wieder neuen Schrecken und neue Macht einzuimpfen. Es ist eigentlich nur irgendein Wort mit dem Anfangsbuchstaben N, für manche ist es aber jetzt DAS N-Wort.
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Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Lasst uns froh sein sind wir nicht bei den Unitedstatesianiern, wo dann teilweise vom F-Wort oder der F-Bombe die Rede ist und man sich laute Bieps anhören muss, obwohl die Sprache und die Kultur (wenn man sie so nennen will) dieses Universalfluchwort und seine Variationen ja so schön verbreitet und universell anwendbar gemacht haben - aber eben mit strikter Trennung wo es erlaubt ist und wo nicht. Was dann dafür sorgt, dass man in einem halbwegs authentischen Scorsese-Film siebenmal pro Minute "Fuck" hört und sich in einem anderen Programm entsetzt die Hände vor den Mund schlägt wegen einem Biep-Ton und sich dann mit albern verniedlichten Schimpfwörtern darüber entrüstet, dass hier gerade die grosse und mächtige F-Bombe entfesselt wurde.
We'll always have Marburg

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Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Es ist schon absurd, wo wir inzwischen mit der Wokismus-Diktatur angelangt sind. Wem bringt so etwas eigentlich, frage ich mich? Werke im Kontext ihrer Entstehungszeit verstehen zu lernen ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit für die Ausbildung jener geistigen Werkzeuge, die eine differenzierte Haltung erst möglich machen. Diese ist von den großen Medien-Giganten nicht gefragt, wenn sie es denn je war. Freu mich schon, wenn diese Mode vorbei ist, denn nichts anderes ist es - ein mieser, durch eine genauso undurchsichtige wie gefährliche Social Media-Bubble aufoktroyierter Trend - ausgehend von einer an sich schönen Idee, aber völlig fehlgeleitet und nicht zu Ende gedacht.
Im Grunde genommen ist es reine Ressentiment-Politik, die hier betrieben wird, und es ist an der Zeit, dass mal ganz gewaltig ins Wespennest getreten wird, und zwar schnell bevor es zu spät ist. Und das kommt von jemandem, der sich prinzipiell für Feminismus im Sinne von Gleichberechtigung, Diversität, Pluralität und gegen jede Form von Diskriminierung ausspricht. Aber langsam reicht's mit dem Mist.

Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Nun muss ich aber auch mal meinen Senf zu der Sache dazu geben: Ich dürfte ja die Zielgruppe dieser ganzen Aktion sein. Jung, progressiv, Bondinteressiert und ich habe bisher nur CR im Regal. Ich muss aber sagen, dass ich es ebenfalls schwierig finde so teils massiv in literarische Werke einzugreifen. Wenn ich das richtig verstehe, sollen ja mit dieser Neuauflage die alten Auflagen verschwinden, bzw. nach den Restbeständen gibt es irgendwann nur noch diese Auflage mit den Änderungen. Ich fände es deutlich eleganter, zu den Originalen, z.B. kurze wissenschaftliche Essays mit abzudrucken, die diese heute problematischen Begriffe, Formulierungen und Passagen historisch einordnen und kritisch aufarbeiten. Dann hätte man sich als Leser damit wirklich produktiv auseinandersetzen setzen können und das ganze hätte für alle einen Mehrwert. Auch beide Versionen in Zukunft anzubieten hätte eine Lösung sein können, was auch ein solches Vor-/Nachwort nicht ausschließt. So wirkt es irgendwie, als müsse man die Lesenden beschützen vor der ach so schlimmen Literatur und natürlich fühlen sich Leute bevormundet und empfinden das Werk so als verzerrt... Ich möchte persönlich wenn das Original lesen und mir ein eigenes Bild machen können, weshalb ich mich von dieser Neuauflage fernhalten werde. Die Themen der "schwierigen" Passagen einfach zu verdrängen, kann einfach keine Lösung sein. Ich finde die Sicht des Verlages auf sein Publikum schwierig, da man uns ja anscheinend hier die eigene Urteilsfähigkeit abstreiten möchte. Wir sind eben aber als Gesellschaft nicht mehr in den 50ern und wir können ja durchaus heute solche Begriffe und Passagen kritisch beurteilen, wenn man uns denn lässt...

Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Niklas hat geschrieben: 21. März 2023 15:08 Ich dürfte ja die Zielgruppe dieser ganzen Aktion sein. Jung, progressiv, Bondinteressiert und ich habe bisher nur CR im Regal. Ich muss aber sagen, dass ich es ebenfalls schwierig finde so teils massiv in literarische Werke einzugreifen. Wenn ich das richtig verstehe, sollen ja mit dieser Neuauflage die alten Auflagen verschwinden, bzw. nach den Restbeständen gibt es irgendwann nur noch diese Auflage mit den Änderungen. Ich fände es deutlich eleganter, zu den Originalen, z.B. kurze wissenschaftliche Essays mit abzudrucken, die diese heute problematischen Begriffe, Formulierungen und Passagen historisch einordnen und kritisch aufarbeiten. Dann hätte man sich als Leser damit wirklich produktiv auseinandersetzen setzen können und das ganze hätte für alle einen Mehrwert. Auch beide Versionen in Zukunft anzubieten hätte eine Lösung sein können, was auch ein solches Vor-/Nachwort nicht ausschließt. So wirkt es irgendwie, als müsse man die Lesenden beschützen vor der ach so schlimmen Literatur und natürlich fühlen sich Leute bevormundet und empfinden das Werk so als verzerrt...
Das ist ja auch nur die Hälfte der Wahrheit, denn so wie es in den Artikeln geschildert wurde, unterscheidet der Verlag ja noch in "schlechten Rassismus" und "nicht bedenklichen Rassismus", da nur explizit Stellen zensiert und entschärft werden, in denen gegen Schwarze Menschen geschossen wird. Frauenfeindlicher Kram sowie Flemings unverhohlener Hass gegen Ostasiaten und Deutsche bleibt natürlich drin. Der völlig absurde späte Eingriff in literarische Werke im Zuge einer vermeintlichen Political Correctness ist für sich genommen schon ein kunstfeindlicher und antiaufklärerischer Akt, der an düstere historische Zeiten erinnert. Aber noch mehr zum Kopfschütteln lädt zusätzlich ein, dass der Verleih so auch noch entscheidet, welche "Randgruppe" nicht beleidigt werden darf und welche sich stattdessen nicht so anstellen soll. Die Ideologie hinter solchen Entscheidungen ist schlicht gefährlich.
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Re: Neuauflage der Fleming Romane zum 70. Jubiläum

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Niklas hat geschrieben: 21. März 2023 15:08 Nun muss ich aber auch mal meinen Senf zu der Sache dazu geben: Ich dürfte ja die Zielgruppe dieser ganzen Aktion sein. Jung, progressiv, Bondinteressiert und ich habe bisher nur CR im Regal. Ich muss aber sagen, dass ich es ebenfalls schwierig finde so teils massiv in literarische Werke einzugreifen. Wenn ich das richtig verstehe, sollen ja mit dieser Neuauflage die alten Auflagen verschwinden, bzw. nach den Restbeständen gibt es irgendwann nur noch diese Auflage mit den Änderungen. Ich fände es deutlich eleganter, zu den Originalen, z.B. kurze wissenschaftliche Essays mit abzudrucken, die diese heute problematischen Begriffe, Formulierungen und Passagen historisch einordnen und kritisch aufarbeiten. Dann hätte man sich als Leser damit wirklich produktiv auseinandersetzen setzen können und das ganze hätte für alle einen Mehrwert. Auch beide Versionen in Zukunft anzubieten hätte eine Lösung sein können, was auch ein solches Vor-/Nachwort nicht ausschließt. So wirkt es irgendwie, als müsse man die Lesenden beschützen vor der ach so schlimmen Literatur und natürlich fühlen sich Leute bevormundet und empfinden das Werk so als verzerrt... Ich möchte persönlich wenn das Original lesen und mir ein eigenes Bild machen können, weshalb ich mich von dieser Neuauflage fernhalten werde. Die Themen der "schwierigen" Passagen einfach zu verdrängen, kann einfach keine Lösung sein. Ich finde die Sicht des Verlages auf sein Publikum schwierig, da man uns ja anscheinend hier die eigene Urteilsfähigkeit abstreiten möchte. Wir sind eben aber als Gesellschaft nicht mehr in den 50ern und wir können ja durchaus heute solche Begriffe und Passagen kritisch beurteilen, wenn man uns denn lässt...
Ein Essay ist sicherlich übertrieben und wäre viel zu tiefgehend, sowohl inhaltlich als auch vom Seitenumfang.
Einfach im Vorwort kurz die problematische Verwendung bestimmter rassistischer Wörter und Geisteshaltungen in Bezug auf vor allem Schwarze, Frauen und Ausländer erwähnen, am besten ein zwei Beispielsätze aus dem Roman abdrucken, und in die damalige Zeit einordnen, fertig.
maximal. 1-3 Seiten (sonst liest es niemand).
Das sollte reichen. Ich will in erster Linie unterhalten werden und keine kulturpolitische Bildungsstunde erhalten.
Den Rest müssen die mündigen LeserInnen schon selbst hinkriegen. :idea: