Die 12 Geschworenen
Sidney Lumet, 1957
Ein Mordfall scheint klar zu sein, die Indizien belastend, das Alibi verschwommen. Nun müssen die Geschworenen ihr Urteil fällen, das nur schuldig heißen kann und den elektrischen Stuhl für einen 18 jährigen Jungen der seinen Vater erstochen haben soll bedeuten würde. Doch einer rebelliert, und das zurecht...
Sidney Lumets erster (Gerichts)Film gilt als einer der besten Filme aller Zeiten.
Interessanterweise ähnelt er in vielerlei Hinsicht einem Theaterstück. Dialoge dominieren und es gibt lediglich 3 Schauplätze, wobei einer 95% der Spielzeit an einem Stück belegt. Lumet benutzt zudem eine Technik des französischen Theaters, das Szenen strickt durch Abgang und Auftauchen von Charakteren trennt. Lumet trennt so häufig seine Zweiereinstellungen, die Dialoge zwischen Charaktere. Auffällig ist auch, das Lumet innere Umschwünge der Charaktere stets mit Nahaufnahmen des Gesichts symbolisiert. Auch je ernster die Konflikte zwischen den Charakteren werden, umso näher wird die Einstellungsentfernung.
Am interessantesten ist aber die Story. Die Kritik geht gleichermaßen gegen das Rechtsystem und die Gesellschaft, die von den 12 Geschworenen vertreten wird. Im Geschworenenraum scheinen sich alle alltäglichen, menschlichen Untugenden versammelt zu haben. Mehrheitlich die Mitzieher, Personen, die nicht den Mut haben ihre eigenen Ansichten zu vertreten; der Selbstverliebte Vorsitzende, den eigentlich nur seine Moderation interessiert; der gescheiterte Vater, der von seinen negativen Emotionen gegenüber seinem Entfremdeten Sohn getrieben wird; jemand, der sich als zu Stolz erweist um die Fakten der Unschuld zu akzeptieren; der verantwortungslose Ignorant, der ein Baseballspiel sehen will und daher mit der Mehrheit geht; der Voreingenommene, der nur Vorurteile gegenüber die Herkunft des Angeklagten hat; und jemand, der keinerlei Interesse an dem Geschehen hat und zwischen den Urteilen hin und her springt. Selbst die Zeugen lügen aus Eitelkeit.
Dies spiegelt die Tücken unserer Gesellschaft, ja des Menschseins wieder.
Henry Fonda ist der Protagonist und der einzige wirklich aufrichtige Geschworene. Er selbst glaubt Anfangs auch an die Schuld des Jungen, seine Stimme für „nicht schuldig“ benutzt er nur, um den anderen Geschworenen - die sofort zur Abstimmung greifen - klarzumachen, das sie eine große, ernstzunehmende Verantwortung tragen.
Das Story-Design ist bemerkenswert. Obwohl der Film mit seinen ½ Stunden aus nur einem Akt, drei Sequenzen, in denen die Grenzen zwischen Szenen sehr verwischt sind, besteht, schafft er es zu fesseln. Grund ist ein ausgewogenes Pacing durch regelmäßige Konflikte und Wendungen und die Weiterentwicklung der Antagonisten bis ins Innerste mit der letztendlichen Selbsterkenntnis. Ein weiterer Grund ist die hier clevere Idee den Film erst bei der Urteilsfindung der Geschworenen beginnen zu lassen und den Prozess Off Screen zu belassen. Das Interesse am Film wird erst einmal durch Neugierde gehalten, die Charaktere wissen mehr als der Zuschauer und uns wird nur soviel an Informationen zugespielt, das Fondas nicht schuldig in Hinsicht auf den Fall erst einmal absurd erscheint. Wir nehmen quasi die Position eines Geschworenen ein, den Fonda nach und nach überzeugt.
„Die 12 Geschworenen“ ist die beste Charakterstudie die ich bisher gesehen habe mit einer einzigartigen Struktur. Henry Fonda spielt gewohnt gut (erinnert mich aber ziemlich an seine Rolle in Hitchcocks „Der Falsche Mann“ ein Jahr zuvor) und Lee J. Cobb und Ed Begley sind als die Personen mit der größten Ansammlung von Antagonismus sehr überzeugend.
Mein Urteil lautet schuldig im Sinne der Qualität:
8,5 von 10.
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PS: @ danny, daraus könntest du wunderbar ein Theaterstück machen.
