Re: Die Filme des John Woo

16
Red Cliff (2008/2009) – John Woo

Ich hatte am Wochenende erstmalig die Gelegenheit die originale zweiteilige Fassung des Films zu sehen nachdem ich zuvor immer mit Grausen die Finger von der für den internationalen Markt um 50% eingedampften zweieinhalb Stunden Version gelassen hatte. Red Cliff ist schon ein absolut beeindruckender Film, der vor allem mit seinen imensen Produktionswerten klotzt und – wie könnte es anders sein – Woo-typisch in seiner visuellen Gestaltung spektakulär und sehr einfallsreich ist. Der Film verdient sich den Begriff Epos voll und ganz und stellt in seinem massiven Aufwand eine Art Film dar, wie sie Hollywood bereits seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr auf die Beine gestellt hat. Allein die Anzahl an Komparsen und die ungeheure Masse an Ausstattung ist gigantisch. Klar, auch bei Red Cliff wurde viel mit CGI gemacht, manches besser, manches suboptimal – aber auch hier brauchen die Chinesen sich nicht vor der aktuellen amerikanischen Konkurrenz verstecken.

Die 200 n. Chr. spielende historische Story ist im Kern simpel: der „böse“ kaiserliche Premierminister will zwei vermeintlich rebellierende Kreigesfürsten und ihr Gefolge niederwerfen und startet dazu einen Feldzug. Die beiden Fürsten, die tatsächlich kaisertreu und dem Premierminister nur bei der eigenen Machtausweitung im Weg sind, müssen trotz ihrer traditionellen Rivalität eine Allianz bilden, um mit List und Taktik den zahlenmäßig weit überlegenen Gegner in der allesentscheidenden Schlacht am Red Cliff bezwingen zu können. Woo schmückt die Story mit vielen Subplots und Figuren aus und genau hier macht sich dann auch seine altbekannte Schwäche bemerkbar: weder ist er ein großer Geschichtenerzähler, noch hat er ein besonderes Händchen seine Figuren dem Zuschauer wirklich nahe zu bringen. Entsprechend wirken viele der ausschmückenden Szenen sehr lang und oft sogar redundant und die Figuren bleiben zwar nicht blass, aber eben doch merkwürdig distanziert. Dabei hat er eine ganze Reihe an sich interessanter Charaktere aufgefahren, von denen viele Archetypen darstellen. Interessant und sympathisch ist hierbei, dass die beiden Hauptfiguren eher als listige und clevere Denker gezeigt werden und weniger als Krieger – vor allem der von Takeshi Kaneshiro dargestellte Chefstratege, der den ganzen Film über nicht einmal eine Waffe in die Hand nimmt. Ihm zur Seite steht Chinas Superstar Tony Leung als zwar deutlich tatkräftigerer, aber im Kern genauso intellektuell angelegter Charakter.

In der Inszenierung der Actionszenen ist der Film dann auch wieder ein echter Woo: nicht nur die obligatorisch exzessiv eingesetzten Tauben und Zeitlupen, auch diverse mehr oder weniger versteckte Verweise auf Woos Vorwerk lassen sich trotz des für ihn ungewohnten historischen Ambientes entdecken. Die Action ist stilisiert, sehr edel fotografiert und kunstvoll und sehr fliessend montiert. Die Choreographie ist sensationell und ungeheuer komplex – ganz besonders bei der großen Schlachtszene im ersten Teil. Da werden historische Aufmarschordnungen als echtes cineastisches Erlebnis inszeniert. Auch wenn der Gewaltpegel nicht ganz so drastische Ausmaße erreicht wie zu seinen Heroic Bloodshed-Zeiten, so wird auch in Red Cliff ordentlich hingelangt: es fliesst viel Blut und nicht alle Körperteile bleiben in den massiven Schlachtszenen da, wo sie eigentlich hingehören.

Unterm Strich ist Red Cliff wie bereits eingangs erwähnt ein beeindruckender Film, bei dem es zwar oftmals auch zähere Momente zu überstehen gilt (wobei sich die Frage stellt, wieviel hier der Laufzeit von 148 + 142 Minuten geschuldet ist, die auf mich wirkt, als ob man mit aller Gewalt zwei Filme epischen Ausmaßes veröffentlichen wollte), der aber mit viel epischem Flair, toller Filmmusik und fabelhaften Actionszenen das gekonnt zu kompensieren weiss. Durch den sagenhaften Aufwand, die oft geradezu unglaublichen Schauwerte sowie die wunderbare Fotografie hat mich der Film dann endgültig versöhnt und so kann ich für mich festhalten: Woo ist nach seiner besorgniserregenden Talfahrt in Hollywood doch noch im Stande visuell erstaunliche und dramaturgisch halbwegs vernünftige Filme zu drehen.
Wertung: 7,5 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des John Woo

18
Agent 009 hat geschrieben:Klingt gar nicht mal so schlecht. Aber nicht auf deutsch oder englisch stelle ich mir übel vor.
Ach es ging eigentlich. Die Tatsache, dass man aus der gesprochenen Sprache überhaupt keine Information entnehmen kann bringt halt hauptsächlich zwei Probleme mit sich: erstens kann man dem Film durch das dauernde Untertitel lesen visuell nicht wie gewohnt folgen, da die Augen in der Zeit in der sie den Text lesen das was auf der Leinwand passiert ja nicht aufnehmen können. Und im Falle von Red Cliff im Besonderen (bzw. bei fast jedem chinesischen Film im Original) kommt dann noch die Schwiergigkeit dazu, dass die Sprache „schneller“ ist als ihre englische Untertitelung, also die recht umfangreichen Untertitel nur recht kurz eingeblendet sind, weil schon der nächste untertitelte Dialog folgt. Da muss man dann schon recht flott lesen und selbst dann verpasst man schon mal desöfteren den Schluss der Untertitelung, da schon die nächste folgt. Aber: da bei Red Cliff trotz der epischen Laufzeit eigentlich gar nicht so viel gesprochen wird ist das Ganze dann auch wieder nicht so schlimm. Und es kommt noch hinzu, dass viele asiatische Produktionen in Deutschland nur zweitklassige Synchros mit langweilig klingenden Sprechern bekommen, da ziehe ich die ausdrucksstarke Originalversion dann vor.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des John Woo

20
Trailer zu "The Crossing"



Sieht gar nicht so übel aus. Dazu hat man einige bekannte Asiatische Stars dazu geholt. Ziyi Zhang, Takeshi Kaneshiro oder Xiaoming Huang habe ich schon in Filmen gesehen. Das macht diesen Film nur interessanter. Hoffentlich verstümmelt man diesen Film für den Westen nicht wieder.

Re: Die Filme des John Woo

23
AnatolGogol hat geschrieben:erstens kann man dem Film durch das dauernde Untertitel lesen visuell nicht wie gewohnt folgen, da die Augen in der Zeit in der sie den Text lesen das was auf der Leinwand passiert ja nicht aufnehmen können.
Agent 009 hat geschrieben:Ich hoffe nicht. Das wäre nämlich ein Grund den Film nicht zu schauen. Ich hasse Untertitel sehr und finde da nicht den passendes Fokus Richtung Film. Das nervt tierisch dieses hin und her beim gucken/lesen. Wäre schön, wenn man es einmal vernünftig machen würde. :(
Irgendwie kommt dieses Argument, dass Untertitel einem den Sehgenuss verwehren, ironischerweise fast immer von Leuten die selber selten bis nie Untertitel benutzen. Ich dagegen habe durch die häufige Erfahrung sehr schnell gelernt, damit umzugehen. Mittlerweile bereitet es mir kaum mehr Probleme gleichzeitig zu schauen, zu lesen und zuzuhören. Natürlich ist man mit Untertiteln nicht zu hundert Prozent "frei", und ab Zweit- oder Drittsichtung lasse ich sie auch meistens weg, trotzdem glaube ich, dass eure Probleme mit Untertiteln hauptsächlich auf die fehlende "Übung" zurückzuführen sind. :wink:
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Die Filme des John Woo

24
Ich habe einfach 0 Interesse daran. Bei Filmen mit englischem Originalton habe ich kein Problem auf Untertitel zu verzichten, da zweite Muttersprache aber bei Mandarin oder sonst was geht es nicht ohne. Und da ich wie Anatol einfach dieses Hin und Her nicht mag und es mich teilweise echt nervt ist das für mich ganz einfach, ich gucke den Film dann nicht. Keine Lust auf zwei Filme die je 2H gehen mit Untertitel. Da geht mir einfach zu viel verloren.

Re: Die Filme des John Woo

26
@GP: du entreisst mein Zitat aber auch etwas dem Zusammenhang, da ich es bewusst auf sehr "geschwätzige" Passagen von Red Cliff bezog, bei denen erschwerend noch der schnellere Sprachrhythmus des chinesischen Originals gegenüber der englischen Untertitelung hinzukam sowie die Tatsache, dass ich der Sprache keinerlei Informationen auf den gesprochenen Inhalt entnehmen konnte (im Gegensatz zB zu französisch oder holländisch). Und in der Kombination ist das notwendigerweise schnelle Lesen und das Verfolgen der bildlichen Handlung dann schon ein Problem. :wink: Dennoch bin ich auch generell der Meinung, dass man mit Untertitelung zwangsläufig den Film visuell nicht in dem Maße verfolgen kann wie ohne. Das liegt eigentlich auch auf der Hand, da man in der Zeit, in der man die UT liesst nicht gleichzeitig das Bild verfolgen kann. Ein gewisser Verlust ist also unvermeidlich, den man aber sicherlich mit deutlich mehr Übung in gewissem Maße minimieren könnte. Die Frage ist nur: warum sollte man das? Letztlich hängt die Beantwortung dieser Fragestellung dann eben auch immer entscheidend von der Qualität der Synchronisation sowie natürlich der eigenen geschmacklichen Präferenz ab, ein Pauschalurteil kann es daher auch bei diesem Sachverhalt nicht geben.

P.S. Mein Post war ja eigentlich auch eher pro UT gemeint, um dem guten Agent 009 etwas die Berührungsangst vor der sehenswerten vollständigen Fassung von Red Cliff zu nehmen. :wink:

P.S.2 so arg wenig Filme mit UT schaue ich noch nicht einmal, das waren im letzten Jahr sicherlich an die 20 (also so ca. 10%), hauptsächlich italienische oder asiatische, gern auch mal nen Verhoeven im Original. Bei englischen Filmen brauch ich im Original idR keine UT (was dann auch nochmal mindestens 10-15% ausmacht). Aber ich bin natürlich dennoch zugegebenermaßen in erster Linie Synchoschauer. :D
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des John Woo

29
Broken Arrow (1996, John Woo)

Hübsche Actionorgie vom chinesischen Ballerregisseur Woo. Broken Arrow besticht mit edlen Wüstenpanoramen, einer sehr temporeichen und effizienten Inszenierung und durchaus unterhaltsamen Actionszenen, auch wenn die endlos ausufernden Explosionsgewitter mit ihrem pausenlosen Kugelhagel und den zusätzlichen Martial-Arts-Stürmen sowie unzähligen Zeitlupeneinlagen, extravaganten Einstellungen und bizarren Stunts - und das alles gerne mal kreuz und quer miteinander - beinahe schon parodistische Züge annehmen. Dazu ist die Story um eine atomare Bedrohung noch weniger bedrohlich als ihr 007-Äquivalent in TB und die Charaktere allesamt oberflächliche Schablonengestalten. John Travolta als Oberschurke ist durchgehend auf den Preis für das beste Overacting aus und Christian Slater bedient als heroischer Army-Good-Guy alle Klischees. Aber was soll's, als pathetisches visuelles Actionspektakel durchaus sehenswert.

Wertung: 6 / 10
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.