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von GoldenProjectile
'Q Branch' - MODERATOR
Ich habe mir in der letzten Woche mal wieder alle drei Spider-Mans von Sam Raimi angeschaut. Zuletzt habe ich die ersten beiden glaube ich im filmisch unbefleckten Alter von zwölf Jahren in der mir damals noch unbekannten Originalsprache gesehen und den dritten Teil noch gar nicht. Somit war diese Auffrischung dringend von Nöten, und es haben auch alle drei Spass gemacht.
Was mir an den Filmen mit am besten gefällt ist die Art, wie Raimi in der visuellen Umsetzung die Comic-Herkunft des Materials zelebriert, gleichzeitig aber dezenter vorgeht als zum Beispiel Ang Lee bei seinem Hulk. Die Bildinszenierung enthält unglaublich viele aussergewöhnliche Einstellungen oder andere visuelle Tricks, die mit einer enormen Dynamik vorangehen und die Abenteuer des freundlichen Spinnenmannes aus der Nachbarschaft in ihrem Einfallsreichtum dabei an vielen Stellen zum wahren Sehgenuss machen. Des Weiteren überzeugt Tobey Maguire als leicht tollpatschiger Loser mit viel Herz und Charisma. Er füllt die Rolle vollends aus und meistert wirklich jede Seite davon. James Franco und vor allem Kirsten Dunst bleiben durch ihre wesentlich simpler aufgebauten Rollen etwas im Schatten von Maguire, machen ihre Sache aber ordentlich und insgesamt funktioniert das berühmte "Love-Triangle" ziemlich gut. Dass ein leicht kauziger Normalo mit völlig alltäglichen - wenn auch überspitzten - Teenager-Problemen im Vordergrund steht ist neben dem stilvollen Bilderrausch des Geschehens die grösste Stärke der Trilogie.
Der Auftakt ist ein überaus gelungenes "Teenager goes Superhero"-Abenteuer, das Maguires Peter Parker und seine beiden Co-Stars effektvoll einführt und gleichzeitig mit viel Fantasie und Elan von der klassischen "Heldwerdung" seines Protagonisten erzählt. Und obwohl sich der Film viel Zeit für die Erkundigung von Peters Superkräften nimmt hat man als Zuschauer nie den Eindruck, sich den überlangen Prolog einer späteren Fortsetzung anzusehen, da Raimi dramaturgisch immer genug Feuer im Ofen hat. So taucht beispielsweise bald der vorzügliche Willem Dafoe als seelisch gestörter Oberschurke Green Goblin auf, der Spider-Man ans Leder will und damit den Grundstein für den übergreifenden dramatischen Handlungsbogen um die Freundschaft zwischen Peter und Harry legt. Wenn sich dem ersten Film der kurzlebigen Reihe etwas vorwerfen lässt, so ist es dass er mitunter einfach zu verspielt und naiv wirkt. Dieses Stilmittel funktioniert zwar die meiste Zeit, aber gerade bei den ersten paar massenmordenden Angriffen des Goblin fühlt man sich eher an eine candybunte Karnevalsveranstaltung erinnert, denn an eine tolle Actionszene, und das obwohl Montage und Schnitt der Szene eigentlich sehr gut sind. Im Schlussakt findet Raimi aber genau den richtigen Touch und macht die letzte Konfrontation zwischen Held und Schurke zu einem düsteren und ernstzunehmenden Moment mit einem regelrecht brutalen Zweikampf, der aber immer die notwendige Prise Verspieltheit beibehält.
Mit dem zweiten Teil gelang es Raimi, den Erstling noch einmal deutlich zu überbieten. Der Anteil an dramatischen Untertönen erhält mehr Gewichtung als im Vorgänger, ohne dass die fantasievoll-verspielte Note des Filmes verleugnet würde. Neben der weiterhin effektvoll und unterhaltsam erzählten "Teenager-Story" um seine Protagonisten ist Spider-Man 2 aber auch ein lupenreiner Actionkracher, der in enormem Masse von seinem Bösewicht profitiert. Alfred Molina liefert als tragischer Doctor Octopus nicht nur schauspielerisch eine ordentliche Show, die Figur wird auch unglaublich stark in Szene gesetzt, so erinnert beispielsweise die grandiose Szene, in welcher der Doktor aus seinem Koma erwacht und sich mit seinen Greifarmen den Weg aus dem Krankenhaus freikämpft im positivsten Sinne an einen Horrorfilm und auch darüber hinaus macht Raimi vor allem visuell sehr gut Gebrauch von den Möglichkeiten des achtarmigen Schurken. Seinen Höhepunkt erreicht dieses Element in seinen virtuos gefilmten Kampfszenen im dreidimensionalen Raum, in denen Spider-Man und Octopus mal in schwindelnden Höhen, mal bei rasender Geschwindigkeit eines Zuges aufeinandertreffen. Mit ihrer einfallsreich getricksten und inszenierten Dynamik gehören die Actionsequenzen für mich zu den besten ihres Genres. Die verschiedenen Handlungsstränge werden zudem harmonisch zu einem Ende gebracht, auch wenn die pathetische Schlussszene etwas zu lang geraten ist. Unterm Strich ist Spider-Man 2 ein sehr guter und launiger Superheldenfilm der sowohl in Sachen Action als auch in Bezug auf Charaktere und Geschichte erstklassig funktioniert und der Höhepunkt der Trilogie.
Der dritte Teil ist dann klar der schwächste von allen, aber so schlecht wie er häufig gemacht wird ist er sicher nicht. Was dem Film nicht gut tut ist die missglückte Verknüpfung viel zu vieler Handlungsstränge und Subplots inklusive dreier Oberbösewichter, von denen mindestens anderthalb nicht wirklich gut umgesetzt sind. Der Film ist dramaturgisch ein ziemlicher Flickenteppich und erinnert mehr an eine episodenhafte Nummernrevue als an eine kohärente Geschichte. Die einzelnen Nummern sind aber zuweilen richtig gut, vor allem in Sachen Action hat sich Raimi mal wieder ins Zeug gelegt und beweist zum Beispiel in der Szene, in der sich Flint Marko nach seinem Unfall aus dem Sandhügel hochrafft mehr noch als in den beiden Vorgängern ein gutes Händchen für Spezialeffekte, wobei die Effekte wiederum nicht nur technisch perfekt ausgefeilt, sondern auch stark in Szene gesetzt sind. Andernorts wirken die im zweiten Teil noch völlig atemberaubenden Kamerafahrten durchs Kampfgeschehen hingegen etwas zu artifiziell und absurd. Die Haupthandlung um Parkers vorübergehenden Fall zur "dunklen Seite" ist auch gar nicht mal so eine schlechte Idee, vor allem da sie dem talentierten Maguire als arrogantes Ekelpaket eine schauspielerische Plattform bietet. Die eigentlich irrelevanten Auftritten von Bryce Dallas Howard als bezauberndes Love Interest und Bruce Campbell in einem köstlichen Cameo als französischer Kellner werten die Chose weiter auf, und so ist sichergestellt, dass auch der schwächste Teil der Trilogie unterhaltsam genug bleibt.
Wertung Teil 1 - 7 / 10
Wertung Teil 2 - 8 / 10
Wertung Teil 3 - 6 / 10
We'll always have Marburg
Let the sheep out, kid.