Re: Die Filme von David O. Russell

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Joy (2016, David O. Russell)

Aufgepasst, aufgepasst! David O. Russell ist mal wieder in den Lichtspielhäusern unterwegs, wie gewohnt mit Jennifer Lawrence, Bradley Cooper und Robert De Niro im Gepäck und mit einer weiteren pathetischen Hipster-Dramödie, welche relativ indiskret auf die sich am fernen Horizont abzeichnenden Oscar-Verleihungen schielt. Ich habe nicht mehr den Hauch einer Erinnerung, worum es in seinem letzten Film American Hustle genau gegangen ist, aber Joy handelt von der gleichnamigen Hausfrau, die in einem Anfall von Innovation einen neuartigen Putzlappen erfindet und damit zu Reichtum kommt. Klingt nicht sonderlich aufregend? Ist es in Russells inszenatorischen Händen auch nicht, vielmehr kommt es einer absurden Mischung aus moralinsaurem Zeigefinger und pseudostilisierter Modewerbung gleich.

Joy ist wieder gegen den vermeintlichen Hollywood-Strich gebürstet, aber nicht in einem interessanten Sinne sondern eher als konzeptloses Hausfrauen-Betroffenheitsdrama, das eine uninteressante Prämisse vergeblich aufzuwerten versucht. Die Charaktere - derer es reichlich gibt, teils auch ohne erkennbare Handlungsrelevanz - trennen sich in zwei Lager, die blassen Pappkameraden auf der einen Seite, die freakigen Karikaturen auf der anderen. De Niro gehört zur Anhängerschaft der Pappheinis; Russell lässt den einstigen Titanen der New Hollywood Ära vor den Styroporwänden der Studiokulisse als stichwortgebenden Patriarchen-Schwächling förmlich verblassen. Jenny Lawrence dagegen darf als mit allen Mitteln auf emanzipiert getrimmte Hausfrau, Putzfrau, Mutter, Haushaltsartikelerfinderin und angehende TV-Verkaufsexpertin in Personalunion hemmungslos chargieren und hat zugleich die Ehre, Russells Holzhammer-Plädoyer für starke Frauen, die ihren Lebenstraum ohne aufzugeben verwirklichen, an den Mann zu bringen. Das filmische Ideenkonzept und die klare dramaturgische Linie lässt Russell wie bereits im letzten Film weitgehend vermissen. Der Mann benutzt narrative und visuelle Stilmittel - Kamerafahrten, Standbilder, Rückblenden, Zeitsprünge, Traumsequenzen, Voice over und noch viel mehr - ohne Sinn und Verstand und vor allem ohne Gefühl für übergreifende filmische Stimmigkeit. Es scheint fast so, als würde er all dies planlos opfern, um seinen Darstellern irgendwie eine Plattform für theatralisches, bizarres und prätentiöses Rumgekaspere zu geben und dabei noch seine aufdringlich mit Moralin versauerten Botschaften bunt zu verpacken. Zwei auf einen Schlag, Chapeau.

Zumindest wird Joy dann in der zweiten Hälfte leidlich unterhaltsam, aber eigentlich nur weil es mit dem juristischen Patentstreit um Joys Putzlappen einen konkreten inhaltlichen Fixpunkt gibt, was man von der ersten Hälfte nicht wirklich behaupten kann. Generell fühlt sich der Film aber viel zu sehr wie nach Aufmerksamkeit schreiendes, hippes Hollywood-Theater an und sieht merkwürdigerweise auf vielen Ebenen nicht wirklich anders aus als die Seifenopern und TV-Verkaufssendungen, die in der Geschichte immer wieder thematisiert werden. Zufall oder gewollt? Keine Ahnung, aber ich glaube Russells Hipster-Filme müssen von nun an ohne mich stattfinden.

Wertung: 3,5 / 10
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Re: Die Filme von David O. Russell

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GoldenProjectile hat geschrieben:Joy handelt von der gleichnamigen Hausfrau, die in einem Anfall von Innovation einen neuartigen Putzlappen erfindet und damit zu Reichtum kommt. Klingt nicht sonderlich aufregend?
Doch, klar. So spannend wie Farbe beim Trocknen beobachten. Oder Klebstoff essen.
GoldenProjectile hat geschrieben:theatralisches, bizarres und prätentiöses Rumgekaspere
Mir tut es fast leid, nicht mehr zu deinem Review sagen zu können außer: Hättest du mich vorher gefragt, hätte ich dich gewarnt. Russell kann wohl einfach nicht mehr. Schade drum.
https://filmduelle.de/
https://letterboxd.com/casinohille/

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Re: Die Filme von David O. Russell

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Konzeptloser Mischmasch aus Komödie, Drama, Heist-Movie und sonstigen wild zusammengewürfelten Ingredienzen, dazu grausames Overacting und diese komplette möchtegern-unkonventionelle Hipster-Attitüde die Russell so mag. Coen Brothers für arme und Scorsese für obdachlose, aber ein paar nette Ideen waren in der ganzen Belanglosigkeit durchaus vorhanden. 5 / 10
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Re: Die Filme von David O. Russell

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Maibaum hat geschrieben:American Hustle scheint ja ein Film zu sein der hier im Forum eine schweren Stand hat, nur warum?
AnatolGogol hat geschrieben: American Hustle
Möchtegern-Satire mit hemmungslos drauflos chargierendem Staraufgebot aus welchem lediglich Bale positiv herauszuragen versteht. Handlung und Figuren werden zu Gunsten einer bizarren 70er Jahre Mode- und Frisuren-Freakshow geopfert. Kaum Unterhaltungswert, noch weniger Witz, keine erkennbare dramaturgische Linie.
4,5 / 10
P.S. unter den ganzen darstellerischen Knallchargen schafft es Russells "Muse" Lawrence dann aber doch wieder mühelos den rest des leidlich begabten Darstellerensembles zu unterbieten. Dagegen war selbst Helga Feddersen in ihren komischen Rollen subtil.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"