danielcc hat geschrieben: 26. April 2022 15:53
Wie in allen Bondfilmen zuvor dienen die Nebencharaktere (Nomi, Felix, Paloma,...) eben vor allem dazu, Bond Gesprächspartner zu geben. Bond lebt durch die Interaktionen mit den anderen Charakteren. Wenn es diese Charaktere nicht gebe, hätte es nie witzige Oneliner bei Bond gegeben, nie ein "Bond, James Bond". Die Qualität eines Bondfilms bemisst sich für mich vor allem darin, wie gut die Interaktionen Bonds mit diesen Nebencharakteren gestaltet sind.
Da hast du recht, aber damit gehst du nicht auf meine Kritik ein. Bond lebt in der Tat durch Gesprächspartner, aber es müssen nicht drei verschiedene sein. Wozu brauchen wir Paloma? Warum kann es nicht Felix Leiter sein, der mit Bond die Party infiltriert? Dann könnten 007 und sein Buddy noch ein letztes Abenteuer erleben, bevor Felix in die ewigen Jagdgründe einzieht. Sein Verlust wäre im Film viel schmerzhafter, wenn wir noch mehr Zeit mit ihm gehabt hätten. Stattdessen soll ich als Zuschauer in die Chemie zwischen Bond und Paloma investieren, nur damit sie direkt wieder aus dem Film verschwindet und ihr ganzer Auftritt ohne dramaturgische Pointe bleibt? Why? Solche Figuren gibt es sicher auch in anderen Bondfilmen, aber noch nie war diese Art Charakter so überflüssig und ersetzbar wie in NTTD.
Gegenbeispiel: Braucht es Manuela in MR? Ja: Sie ist a) eine Einheimische und damit glaubhaft als Landeskundige, die Bond bei seinen Nachforschungen in Rio unterstützen kann. Sie ist b) eine Figur, die nötig ist, damit jemand durch Beißer bedroht wird und Beißer so seine neue Einführung haben kann. Und diese Rolle könnte c) nicht Holly Goodhead übernehmen, weil der Film zwischen den beiden eine Dynamik aufgebaut hat, in der zu dem Zeitpunkt noch nicht gegeben wäre, dass sie einfach so zusammenarbeiten. Also muss es Manuela geben. Sie muss nicht allzu stark charakterisiert sein und auch keine tiefgründige Figur werden, weil sie, wie von dir richtig gesagt nur für Interaktionen mit Bond und als Plotgegenstand benötigt wird.
Aber all das hast du mit Paloma nicht. Sie hat keine besonderen SPECTRE-Kenntnisse, sie dient nicht als Damsel in Distress, damit Bond wen zu retten hat, ihre Anwesenheit ist nicht für irgendeine Schurkeneinführung wichtig. Bond könnte in der ganzen Kuba-Szene problemlos auf sich gestellt sein – oder du ersetzt Paloma durch eine andere, etabliertere Figur, die der Film ohnehin braucht, wie Felix Leiter, weil du die Interaktionen Bonds mit seinen Nebencharakteren erhalten willst.

Das meinte ich, als ich schrieb: In einem guten Film kann ich jede Figur, jede Dialogzeile, jedes Element auf die Goldwaage legen und bin hinterher zufrieden mit dem Ergebnis. Steile These, ich weiß, aber eine unnötigere (gemessen an ihrer tatsächlichen Relevanz für Handlung und Dramaturgie) Figur als Paloma hat es mit dieser Menge an Screentime glaube ich in keinem Bond-Film jemals gegeben.
danielcc hat geschrieben: 26. April 2022 15:53
Zum wiederholten Male: Das Problem was einige mit Nomi haben ist EURE Erwartungshaltung. Weil sie eine schwarze Frau und 00-Agentin ist, wollt ihr ihr mehr Bedeutung zumessen.
Das mag bei einigen anderen hier im Thread stimmen, wie sich an ihren Antworten zeigte. Ich gebe dir recht: Die Erwartungshaltung kann manchmal dafür sorgen, einen Film sehr unfair zu bewerten. Aber du bist genauso nicht fair darin, wie du zu Nomi argumentierst. Nicht die Trailer und Vorabberichte haben eine Erwartungshaltung aufbauen lassen – der Film tut es. Und zwar in dem Moment, in dem Nomi sagt, dass sie nicht 003, 004 oder 009 ist, sondern: 007! In der Sekunde, in der sie das sagt, verhalten sich die Zuschauer zu ihr. Sie ist nicht einfach "eine schwarze Frau und 00-Agentin", wie du es darstellst, sie ist die neue 007! Und das macht etwas mit mir als Zuschauer. Das weckt natürlich eine Erwartungshaltung. Das gab es in sechzig Jahren Bond noch nie. Und wenn die Autoren jetzt, im finalen Daniel-Craig-Film, so einen Hammer bringen, dann darf ich auch erwarten, dass sie dafür eine tolle Idee haben und es mehr als die Vorlage für 2-3 Dialogwitze ist. Ich muss nicht, aber ich darf – und bin dann auch verständlicherweise enttäuscht, wenn da gar nix hintersteckte.
Es liegt aber nicht nur an der Erwartungshaltung: Nomi könnte meinetwegen auch eine asiatisch-aussehende BND-Sekretärin sein und ich würde die Rolle als schlecht geschrieben empfinden. Nicht, weil ich ihr Bedeutung zumessen will, sondern weil sie bis für ein paar müde Gags nie eine Relevanz für den Plot oder die Dramaturgie entwickelt. Sie trägt auffallend wenig zum Film bei. Sie ist in Kuba ein zusätzliches Hindernis, als Bond und Paloma versuchen, den Wissenschaftler einzukassieren. Fair enough. Das ist in Ordnung. Aber danach? Sie hat keine Verbindung zu Maddie. Sie hat keine Verbindung zu Blofeld. Sie hat keine Verbindung zu Safin. Sie ist in Norwegen nicht involviert und darf nur am Ende cool den bedröppelten James mitnehmen. Sie tut im Showdown rein gar nichts – sie rettet Bond nicht, sie rettet Maddie nicht, sie rettet die Kleine nicht, sie hat keinen coolen Kampf. Nichts. Sie ballert ein wenig und düst mit Maddie und Anhang davon. Sie tötet immerhin den Wissenschaftler – aber haben wir sie dafür wirklich gebraucht?
Der Film geht sehr lang. NTTD ist ein richtiges Monstrum von Film. Und je länger ein Film ist, umso wichtiger ist mir, dass alle Elemente eines Films auf ihre Notwendigkeit abgeklopft werden. Könnte der Film ohne Nomi funktionieren, ohne dass man irgendwas an ihm nennenswert umschreiben muss? Ja! Ist Lashana Lynch schauspielerisch so genial, dass ich sie um keinen Preis missen möchte? Nein. Ist ihre Chemie mit Craig so großartig, dass ohne sie der Film eines wichtigen Kernelements beraubt werden würde? Für mich nicht. Und deshalb brauche ich diese Figur im Film nicht.
Dein Hasswort "verschenkt" habe ich bewusst vermieden. Nomi verschenkt zu nennen, das tue ich nur, weil ich die Grundprämisse (Bond auf seine/n Nachfolger/in treffen zu lassen) so reizvoll finde, dass ich mir daraus viele tolle Sachen vorstellen kann. Und weil sich das wunderbar mit dem Kernthema von NTTD ("Vermächtnis") hätte verknüpfen lassen. Aber sei es drum. Nomi ist nicht verschenkt, denn ich hätte mir die Mühe nicht machen wollen, den Film so stark umzuschreiben, damit das Potenzial der Prämisse genutzt wird, das ist zu aufwendig. Lieber wäre mir, sie wäre einfach nicht im Film. NTTD wäre zumindest für mich tatsächlich dadurch spürbar besser, fokussierter, konzentrierter. Selbiges gilt für Paloma.
craigistheman hat geschrieben: 27. April 2022 07:47
Was hältst du denn von der Montage nach Bonds Tod, wenn der gesamte MI6 zu Hans Zimmers Final Ascent in die Kamera weint?
Da gab es eine Montage? Ich hab den Film doch nur ein einziges Mal gesehen, so genau habe ich die Details nicht mehr im Kopf. Meinst du die Szene, in der M und Co. noch einen Toast aussprechen und auf Bond anstoßen? Die ist halt sehr um das Fleming-Zitat aus dem YOLT-Roman herum konstruiert, das merkt man ihr als Buchkenner an. Ich glaube, eine richtige Meinung zu der Szene habe ich gar nicht. Irgendwas mussten sie ja noch zeigen, um ein wenig die Trauerstimmung auslaufen zu lassen.

Zu dem Zeitpunkt hatte ich die MI6-Crew aber eh sowas von über, weil NTTD eine wirklich nervige Angewohnheit entwickelt hat, bei jedem Firlefanz in M's Büro überzublenden, um uns die teuren Schauspieler (insbesondere Fiennes!) zu zeigen, wie sie ganz besorgt auf ihre Bildschirme glotzen. Boah, hat mich das genervt. Das ist dann wirklich eine Form von Redundanz, wie wir sie bei Bond noch nie erlebt haben und extrem offensichtlich einzig den Gagen des viel zu teuren MI6-Personals geschuldet.