Re: Sherlock Holmes

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Sherlock Holmes: Spiel im Schatten(2011)

„Clarky, case reopened!“ Mit diesen Worten entließ Robert Downey Jr. als Sherlock Holmes die Zuschauer aus Guy Ritchies „Sherlock Holmes“ und machte eine Fortsetzung klar. Nicht lange nach der Veröffentlichung dieses Films wurde der zweite Teil gedreht und erneut setzte sich Guy Ritchie in den Regiestuhl: Zum Glück! Auch wenn der Film das offene Ende von Teil 1 nicht ganz aufnimmt, ist er doch um keine Spur weniger genial.

Schon im Vorgänger war vor allem Guy Ritchies Stil für den Film wichtig, da er den Zuschauern immer wieder einen holmesartigen Blick auf die Szenen gestattete und das schnelle Denken von Holmes so sehr stark zur Geltung kam. Und an diesem Stil hält er auch im Nachfolger unweigerlich fest und macht es sogar noch besser. Egal ob bei ruhigen Überlegungen oder rasanten Actionszenen, Guy Ritchie tobt sich richtig aus und baut seine Zeitlupen, Beschleunigungen und Rückblenden fantastisch ein. Auch kommt neue Stimmung durch den Ortswechsel von England über Frankreich und Deutschland zur Schweiz auf. So geht vielleicht der Charme des alten Londons verloren, aber es kommt frischer Wind auf. Und selbstverständlich tut auch Hans Zimmer das nötige, um den tollen Eindruck zu vervollständigen, der mit seinem grandiosen Soundtrack komplett überzeugen kann.

Auch darstellerisch ist alles auf hohem Niveau. Robert Downey Jr. und Jude Law sind als Holmes und Watson wieder wunderbar anzusehen, gerade im Zusammenspiel und bei den herrlichen Schlagabtäuschen, die sie sich immer wieder liefern. Noch herrlicher ist aber die Darstellung von Holmes´ größtem Gegenspieler, Professor James Moriarty. Jared Harris spielt ihn wirklich absolut klasse und gerade durch seine ruhige Art wirkt er wirklich bedrohlich. Auf jeden Fall ist er ein perfekter Gegner von Holmes, der es auf alle Arten mit ihm aufnehmen kann. Und die Dialoge zwischen Holmes und Moriarty sind einfach genial und durch so gut wie nichts zu überbieten. Diese Dialoge sind wahrscheinlich die besten, die es jemals bei den beiden Gegnern gab.
Die weibliche Hauptrolle wird diesmal von Noomi Rapace verkörpert. Sie spielt die Zigeunerin Madame Simzi gut und überzeugt, wenn sie neben den beiden Hauptdarstellern doch etwas blass wirkt. Aber es hat sich neben Moriarty noch eine zweite Figur aus dem Holmes-Universum in den Film geschlichen: Mycroft Holmes, dargestellt von Stephen Fry. Seine Darstellung und Erscheinung entspricht ziemlich genau der Darstellung in den Geschichten von Arthur Conan Doyle. Auch seine Schlagabtäusche mit seinem Bruder und anderen unterhalten und überzeugen. Man sollte dann aber nicht Paul Anderson als Sebastian Moran oder Kelly Reilly als Mary Watson vergessen, die ihre Rollen beide schön darstellen. Und auch Rachel McAdams hat als Irene Adler einen kleinen, aber feinen Auftritt.

Im Jahr 1891 erschüttert eine Reihe von Bombenanschlägen die Welt. Sherlock Holmes geht der Sache auf den Grund und so beginnt der Film gleich mit Holmes in Aktion. Nachdem er Irene Adler abgefangen hat, die ein Päckchen transportiert, wird er von mehreren Schlägern getroffen. Schon hier zeigt sich wieder das schnelle Denken von Holmes, als er in bewährter Zeitlupenmanier die Schläger erledigt.
Auch ist es sehr unterhaltsam, wie Holmes anschließend im Auktionsraum das Päckchen mit der Bombe sicherstellt und sich des Briefes von Adler bemächtigt.
Die Vorstellung von Moriarty beim Gespräch mit Adler ist ebenfalls sehr gelungen, wenn der kurze Auftritt von ihr doch schade ist.
Watson und Holmes fahren zu Watsons Junggesellenabschied, wobei auch hier die Beziehung zwischen den beiden wie schon im ersten Teil schön weiter auf die Probe gestellt wird. Auch Mycroft ist da und wird schön vorgestellt.
Holmes besucht Madame Simza, an die der Brief adressiert war und bekommt es dann mit einem Kosaken zu tun, der die Frau töten möchte. Hieraus folgt eine schöne und unterhaltsame Actionszene, an deren Ende Madame Simza verschwindet und Holmes einen betrunkenen Watson zu seiner Hochzeit fahren muss.
Kurz nach der Hochzeit trifft Holmes Moriarty an der Universität und es entspannt sich ein Dialog, herrlich wie sonst kaum einer. Ein toll geschriebener Dialog, bei dem man sich natürlich auch ein wenig bei Doyle bedient hat, und zwei grandiose Schauspieler ergeben eine fantastische Szene.
Moriarty hat es nun auf Watson abgesehen und will diesen samt Frau in einem Zug in Richtung Flitterwochen ermorden. Da kommt Holmes natürlich auch ins Spiel und die Actionszene im Zug ist absolut klasse, einerseits durch Guy Ritchies toller Inszenierung ganz im Holmes-Stil und andererseits durch das tolle Zusammenspiel von Robert Downey Jr. und Jude Law.
Es geht nach Paris, wo man Madame Simza in einem Zigeunerlager findet. Die Zigeuner werden ein wenig sehr klischeehaft dargestellt, aber das ist kein großartiger Kritikpunkt.
Man sucht Simzas Bruder Rene und findet heraus, dass ein weiterer Bombenanschlag geplant ist und Holmes vermutet sie in einer Oper. Aber er irrt sich, wodurch schön Moriartys Stärke gezeigt wird, da Holmes hier auch Fehler macht.
Sie reiten nach Deutschland, wobei amüsante Szenen durch Holmes´ etwas anderes Reittier entstehen.
In Deutschland bricht Holmes in eine Waffenfabrik ein, wird aber von Moriarty gestellt. Moriarty foltert Holmes, was auch schön dargestellt ist, während Watson sich mit Colonel Sebastian Moran eine wilde Schießerei liefert, an deren Ende ein ganzer Turm einstürzt.
Die Zigeuner fliehen mit den beiden Engländern von der Fabrik in einen Wald. Und in dieser Verfolgungsjagd durch den Wald zeigt Ritchie sein ganzes Geschick. Mit dem permanenten Wechsel der Geschwindigkeiten nimmt der Zuschauer jede Einzelheit des Geschehens auf und hat so im Grunde einen „Holmes-Blick“ auf das Geschehen.
Es gelingt ihnen, in einen Zug zu fliehen und dort droht Holmes aufgrund seiner Verletzungen zu sterben. Die Szene ist sehr emotional, als Watson Holmes wiederbeleben will und es schließlich schafft und gleichzeitig ist es auch sehr unterhaltsam, wie die beiden sich mal wieder gegenseitig kabbeln.
Nun geht es in die Schweiz zum Friedensgipfel, auf dem ein Attentat auf die führenden Männer Europas ausgeführt werden soll. Die Auflösung ist auch hier wieder raffiniert und auch insgesamt ist die Story um Moriartys Versuch, einen Krieg auszulösen, gut durchdacht, auch wenn das eigentlich gar nicht im Vordergrund steht, sondern vielmehr das intellektuelle Spiel zwischen Holmes und Moriarty.
So gelingt es zwar, das Attentat spannend zu verhindern und das überzeugt sehr, aber viel spannender noch ist das Schachspiel zwischen Holmes und Moriarty auf dem Balkon draußen, bei dem es eine Lust ist, zuzusehen, wie die beiden Kontrahenten sich gegenseitig zu übertrumpfen versuchen und Holmes auch die letzten unklaren Details des Falls eröffnet. Und dann kommt der finale Kampf zwischen den beiden, der zwar nur gedanklich stattfindet, aber dennoch toll inszeniert ist. Und die Endlösung des Problems, des letzten Problems, konnte man natürlich nur aus der gleichnamigen Geschichte von Arthur Conan Doyle nehmen. Auch das ist schön gezeigt.
Und die letzte Szene, in der Holmes Watsons Bericht ein Fragezeichen hinzufügt, ist ein genialer Einfall, um den Film zu beenden, und man fragt sich wirklich: „The End?“

Der zweite Teil von Guy Ritchies Holmes-Filmen steht dem ersten Teil in nichts nach. Auch er hat eine gute Story, die aber sogar komplett verblasst im Vergleich zu dem sehr viel wichtigeren Thema des Films: Dem Kampf von Sherlock Holmes mit seinem ihm intellektuell ebenbürtigen Gegenspieler. Das ist im ganzen Film hervorragend thematisiert und wird durch den genialen und unverkennbaren Holmes-Stil zusätzlich gewürzt, mit dem sich Guy Ritchie in den famosen Actionszenen so richtig austoben darf. Dazu noch fantastische Darsteller und ein toller Soundtrack und man hat einen weiteren sehr unterhaltsamen Film, der den Meisterdetektiv erfrischend neu belebt: „Case reopened – successfully!“

Punkte: (9,5/10)
"East, West, just points of the compass, each as stupid as the other."
(Joseph Wiseman in Dr. No)

Re: Sherlock Holmes

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Thunderball1965 hat geschrieben: Generell liebe ich dieses stilisierte Blockbusterkino (Wortneuschöpfung? Wenn ja, lass' ich sie mir patentieren :)). Da stehen die Holmes-Filme in bester Tradition von Tim Burtons Batman.
Da finde ich Burtons Batman-Filme deutlich stylischer als Ritchies Holmes-Filme.

Wie nennt man Sherlock Holmes im Wald? Einen Deerstalker!

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Genie und Schnauze

London im späten 19. Jahrhundert: Wieder hat der geniale hochintelligente Meisterdetektiv Sherlock Holmes einen seiner berüchtigten Fälle abgeschlossen, begleitet von seinem treuen Gefährten und Boswell Dr. John Watson, und wird von der Presse und der Polizei von Scotland Yard mit Anerkennung und Lob geradezu überschüttet. Doch kaum schließt sich die Tür in der Baker Street 221b, schon bewahrheitet sich die alte Detektivweisheit: Nichts ist so, wie es auf dem ersten Blick scheint. In Wahrheit nämlich ist Sherlock Holmes eigentlich der engagierte drittklassige Theaterdarsteller Reginald Kincaid, der für das wahre kriminalistische Superhirn Dr. Watson nur den Anschein wahrt, er wäre es, der in Wahrheit gefährlichen Verbrechern wie Professor Moriarty das Fürchten lehrt. Der bescheidene Doktor kann so aus dem Verborgenen heraus agieren, doch die lautstarke Bewunderung für seine Eigenkreation lässt die Eifersucht aufkochen - und strapaziert die Lachmuskeln. In "Genie und Schnauze" wird diese Neuinterpretation der berüchtigten Figuren von Sir Arthur Conan Doyle Wirklichkeit und erweist sich als gelungene Satire auf den britischen Krimi-Mythos.

Wo Holmes von seinen Deduktionen und Ermittlungen nichts mehr wissen will, beginnt bei Regisseur Thom Eberhardt der analytische Spaß. Gekonnt, frech und entwaffnend simpel greift "Genie und Schnauze" die angestaubten Klischees der zahlreichen Holmes-Vorlagen, Adaptionen und Pastiches auf und veralbert diese gleichermaßen würdigend wie respektlos. Die Würdigung zeigt sich sofort in der detailverliebten Ausstattung des Abenteuers: das viktorianische Zeitalter wird atmosphärisch passend und glaubhaft ohne unnötige humoristisch gemeinte Anachronismen auf die Leinwand übertragen und wirkt dementsprechend echt und nahbar genug, um eine Bühne für die Komik des ungleichen Duos zu bieten. In diesem überzeugt Eberhardt auf ganzer Linie, kann er sich doch auf zwei vorzügliche englische Akteure verlassen, die durchaus auch in einer originalgetreueren Doyle-Umsetzung spannend zu sehen gewesen wären: Sowohl Ben Kingsley als Dr. Watson wie auch Michael Caine als fiktiver Sherlock Holmes liefern ein Mimenspiel par excellence ab und meistern es gekonnt, einerseits die klassische stereotype Auslegung ihrer jeweiligen Charaktere (bescheidener Sidekick sowie begabter Kopf) immer ein wenig überdrehter als gewollt zu spielen, um die Fassaden erkennbar zu machen, andererseits aber auch die wahren Facetten ihrer tatsächlichen Persönlichkeiten mit viel verstecktem britischen Witz an dem Mann zu bringen.

Das Zusammenspiel der beiden ist der ganz große Trumph des Films und Eberhardts Persiflage hat genug Ideen, um das auf den ersten Blick bereits reichlich absurde Gedankenspiel über die Spielfilmlaufzeit hinweg spritizig und humorvoll zu gestalten. Wenn etwa Caine mit aufgesetzter Denkerstirn in die Luft schauend über einen Tatort spaziert, bis ihn Watson flüsternd darauf hinweist, dass er gerade eigentlich nach Fußspuren Ausschau hält oder Holmes nach einer äußerst umständlichen Untersuchung einer Wasserleiche erfolgreich und unter staunenden Blicken seiner Bewunderer feststellt, dass es sich in der Leiche in der Tat um einen Toten handelt, ist das ein großer Spaß und es gäbe noch dutzende Beispiele für den trockenen, oft etwas hämischen Humor, der dank des effizienten Timings und der angenehmen Szenenlänge gekonnt ausgespielt wird. Lieber setzt Eberhardt auf stimmige Genreparodien, als dem Drang zu verfallen, sich in ewig wiederholenden Running Gags zu verlieren, auch wenn ein paar davon sich eingeschlichen haben mögen. Weshalb seine Paraphrase letzten Endes aber so gut funktioniert, ist darin zu begründen, dass sie sich selbst und ihre Parallelwelt zu Doyles Romanen durchaus ernstnimmt und diese in sich geschlossen wirkt, eine Kontinuität spürbar wird. So schweben die Gags nicht in einem luftleeren Raum der filmisch allgegenwärtigen Witzigkeit, sondern laden besonders durch das Brechen mit der scheinbaren bodenständigen Realität zu Schmunzlern ein.

Als Parodie und Persiflage weiß "Genie und Schnauze" zweifellos dann am besten zu funktionieren, wenn Holmes gemäß des Originaltitel des Films in Kontrast zu Dr. Watson umgekehrt zu den eigentlichen Charakteren "Without A Clue" bleibt. Erfreulicherweise gibt es daher nur wenige Szenen, in denen das Duo nicht im Vordergrund steht und auch der zweckdienliche Kriminalfall bleibt angenehm wenig präsent und drängt sich nur selten auf, wenn es dann doch einmal einer konventionellen Spannungsdramaturgie bedarf. Dabei glücken nicht alle der filmischen Eskapaden, die die Regie ihren Akteuren zugesteht: Caines zwischenzeitlich eingeschoben wirkenden Alkohol- und Glücksspiel-Ausflüge geraten wenig komisch, genauso wie die übertriebene Slapstick-Zeichnung anderer etablierter Charaktere des Holmes-Kosmos - wie etwa Mrs. Hudson oder Inspektor Lestrade - wie Nebenschauplätze anmuten und keine Chance gegen das formidable Zusammenspiel von Kingsley und Caine haben, welches den Film ganz und gar dominiert. Im letzten Drittel reduziert "Genie und Schnauze" die Gagdichte dafür etwas, um den Kriminalfall und Antagonist Moriarty (besetzt mit Paul Freeman, der schon Indiana Jones das Leben schwer machte) in den Vordergrund zu rücken, was prinzipiell eine nachvolllziehbare Entscheidung ist, dennoch ist es etwas bedauerlich, dass dafür das Duo Kingsley & Caine gefühlt zu lange voneinander getrennt agiert. Dem Charme der launigen Gegenüberstellung mindert das freilich jedoch nur äußerst wenig.

Fazit: "Holmes Sweet Holmes": Sherlock-Holmes-Puristen werden mit dieser ungemein aufschlussreichen Weiterdichtung der beliebten britischen Ikone wenig anzufangen wissen, während andere ihren Spaß zukünftig darin finden könnten, in anderen Sherlock Holmes Adaptionen nach Hinweisen zu suchen, die die gewagten Thesen der eigentümlichen 1988er Filmsatire untermauern. Aber auch ganz ohne sich vorher allzu eingängig mit dem umfangreichen Holmes-Mythos beschräftigt zu haben, reicht es für einen unterhaltsamen Abend allemal. Dank der beiden perfekt besetzten Hauptdarsteller und der liebevollen Annäherung an die Genrevorbilder weiß "Genie und Schnauze" mit viel Wortwitz, Charme und Amüsement zu punkten, stets gespickt mit den obligatorischen Anspielungen auf die Originalromane aus einer vergangenen Zeit. Freilich haben Fans der Vorlagen allerdings die Chance, den ein oder anderen Insider zu erhaschen. Wer schon immer mal wissen wollte, wieso Moriarty eigentlich Arti Morty heißt, ist hier goldrichtig.

7/10
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Re: Sherlock Holmes

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Ah, herrlich :) . Habe vor einiger Zeit auch mal ein kurzes Review geschrieben und war dabei ein wenig euphorischer mit meiner Punktevergabe als du. Ob ich heute auch noch 9 verteilen würde, weiß ich nicht. Aber trotzdem ist es ein sehr sehenswerter und unterhaltsamer Film.
Casino Hille hat geschrieben:dennoch ist es etwas bedauerlich, dass dafür das Duo Kingsley & Caine gefühlt zu lange voneinander getrennt agiert.
Das mag vielleicht so sein, aber nichtsdestotrotz weiß auch Caine allein die Zuschauer zu unterhalten, wenn er alleine des Falles Lösung sucht. Gegen Ende reduziert der Film den Humor zwar zugunsten der Action, aber das trübt den Spaß nicht besonders.
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Re: Sherlock Holmes

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Sherlock Holmes 2 von Ritchie ist für mich das, was QOS für Maibaum ist: ein Meisterwerk im Blockbuster-Gewand, dass ich so nie erwartet hätte. Einerseits daher schade, dass Ritchie seine Holmes-Trilogie nicht selbst fertig macht, aber andererseits: Endlich kommt ein dritter Film (auf dem Niveau der beiden Vorgänger hätte ich auch noch 5-6 Holmes Filme genommen, statt Downey Jr. seinen Iron Man unendlich oft wiederholen zu sehen) - und Dexter Fletcher ist nach Ritchie vermutlich die beste zweite Wahl, die möglich ist; sein Rocketman war unglaublich inszeniert!
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Re: Sherlock Holmes

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Ich freu mich hier persönlich am meisten darauf, endlich wieder Charles Rettinghaus auf RDJ zu hören. Diese Kombi gehört einfach zusammen und wurde wegen den Avengers leider in den letzten Jahren stark vernachlässigt.
#London2025

"Wo man lacht, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen lachen immer wieder."

Re: Sherlock Holmes

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Ich habe die letzten Wochen sinnvoll genutzt und die erste Staffel der 1984er Sherlock-Serie mit Jeremy Brett ("If she doesn't remember who I am, tell her I'm the chap who was sniggering at her") in der Hauptrolle geschaut, dreizehn Fälle mit je etwa einer Stunde Laufzeit.

Die Blu-Ray im Marburger Laden war spottbillig, aber ich hätte sie ohne die dringliche Empfehlung eines Mitforisten wohl kaum weiter beachtet. Die Erwartungen waren durch diese Empfehlung zwar vorhanden, aber nicht aussergewöhnlich hoch - und wurden haushoch übertroffen.

Die liebevolle historische Ausstattung und die abwechslungsreichen Schauplätze in und ums viktorianische London entführen einen gekonnt in Sherlock Holmes' Zeit, überhaupt ist die gesamte Inszenierung um ein vielfaches hochwertiger und cinematischer als erwartet. Eine kleine Handvoll rotierender Regisseure bereitet die Fälle visuell gekonnt auf, zum Beispiel durch das elegante Arrangement von verbaler Erzählung und Bebilderung in Rückblenden. Immerhin gibt es in fast jeder Folge nach der kurzen PTS (was in diesem Fall Post Credit Sequence bedeutet und jedes Mal einen gelungenen Start in die Geschichte darstellt, indem schon mal ein Puzzleteilchen des Falls ganz ohne Kontext gezeigt wird) eine längere Erläuterung der verdächtigen Umstände, in der Regel durch den Klienten dem Detektiv und dem Doktor gegenüber. Dabei wird eben nicht nur erzählt, sondern in der richtigen Menge und an den richtigen Stellen auch gezeigt, meist in einem dynamischen Wechselspiel. Und auch im weiteren Verlauf des jeweiligen Falls überrascht die Inszenierung immer wieder durch ihre Stimmigkeit, Atmosphäre und visuelle Klugheit, wodurch die Geschichten durchgehend interessant und die Atmosphäre einnehmend, spannend und mitunter angenehm schaurig bleibt.

Das Herzstück ist Bretts Interpretation der Titelrolle, die exzentrisch und zu Beginn vermeintlich widersprüchlich ist, bis man die Rolle etwas besser kennen gelernt hat und merkt, das alles was der Mann tut und macht perfekt ins Gesamtbild passt. Brett liefert eine schauspielerische Meisterklasse, es ist eine Freude zu beobachten mit welch skurriler Eleganz er sich durch das Geschehen auf dem Bildschirm bewegt, und macht Spass nach all den kleinen Details und Feinheiten in seinem Spiel Ausschau zu halten, die auch nach einem Dutzend Episoden noch mit neuen Facetten überraschen. David Burke gibt den Watson so, wie Watson halt zu sein hat - pragmatisch, sympathisch und menschelnd, die zwischenmenschliche Beziehung zu Holmes ist neben Bretts Solo-Darbietung ein weiteres Herzstück und bildet einen schönen roten Faden durch die gesamte Serie hindurch. Die vielen wechselnden Nebenrollen sind auch sehr ordentlich besetzt, plötzlich taucht an einem Punkt sogar Charles Gray auf! Da spielt es auch keine Rolle, dass Gray, obwohl er als Mycroft dessen Bruder spielt und in echt nur fünf Jahre älter ist als Brett, gefühlt hundert Jahre älter aussieht als Holmes.

Die dreizehn Episoden in eine Rangliste zu stellen ist nicht einfach, weil die meisten qualitativ ziemlich eng beieinander liegen. Spontan nach Gefühl sortiert würde aber ungefähr so etwas herauskommen:

1. The Speckled Band
2. The Norwood Builder
3. The Crooked Man
4. The Copper Beeches
5. The Final Problem
6. The Solitary Cyclist
7. The Resident Patient
8. The Dancing Men
9. The Naval Treaty
10. The Blue Carbuncle
11. The Greek Interpreter
12. A Scandal in Bohemia
13. The Red-Headed League

Mehr davon.
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Re: Sherlock Holmes

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Oha, da ist er bei allem mit jedem Wort so goldrichtig, und dann hat er A Scandal in Bohemia auf dem vorletzten Platz.

Das schmerzt. Wie kann man beim Richtigliegen so falschliegen?
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Re: Sherlock Holmes

86
Juchhé! Das freut mich natürlich, dass das Holmes-Brett so gut angekommen ist! Ich kann dir nur vollumfänglich zustimmen, die Serie (vor allem die ersten eindreiviertel Staffeln) gehört für mich zu den All-Time-Highs an TV-Produktionen und ist in Sachen Holmes bis Heute der unerreichte Gradmesser. Die perfekte Besetzung (vor allem der Titelrolle), die sagenhafte Ausstattung, die famose Adaption der Vorlagen von Conan Doyle, die einfallsreiche Inszenierung: hier passt einfach alles. Toll auch, dass die Serie eine recht große stilistische Bandbreite aufbieten kann: von den kniffligen Ratekrimis a la Marineabkommen oder Baumeister von Norwood über die düster-schaurigen Thriller a la Das gefleckte Band, der griechische Dolmetscher oder Der verkrüppelte Mann bis hin zur wunderbar beschwingt-stimmungsvollen Weihnachtsfolge vom blauen Karfunkel.
GoldenProjectile hat geschrieben: 12. Oktober 2023 23:01 die zwischenmenschliche Beziehung zu Holmes ist neben Bretts Solo-Darbietung ein weiteres Herzstück und bildet einen schönen roten Faden durch die gesamte Serie hindurch.
Absolut und sie ermöglicht dann auch erst die große, regelrecht herzzerreissende Dramatik im Staffelfinale. Die Chemie zwischen Brett und Burke ist herausragend und beide finden ihre Rolle abseits der üblichen Klischees. Ohne zuviel von Staffel 2 vorwegzunehmen kann ich dir jetzt schon sagen, dass der Watson nach dem Finale an den Reichenbachfällen nicht mehr der gleiche ist wie der munter-beschwingte Watson der ersten Staffel. Das liegt natürlich in erster Linie am Darstellerwechsel von Burke zu Edward Hardwicke (der aber glücklicherweise keinen qualitativen Einfluss hat), aber eben auch ein bisschen (so bilde ich mir zumindest ein) auch daran, dass der (vermeintliche) Tod von Holmes Watson verändert.
Casino Hille hat geschrieben: 12. Oktober 2023 23:22 Oha, da ist er bei allem mit jedem Wort so goldrichtig, und dann hat er A Scandal in Bohemia auf dem vorletzten Platz.
Das schmerzt. Wie kann man beim Richtigliegen so falschliegen?
Um ehrlich zu sein gehört der bohemische Skandal auch nicht zu meinen absoluten Lieblingsfolgen (wobei das aber angesichts des durchgängig extrem hohen Niveaus das übliche Klagen auf hohem Niveau ist). Sie ist halt insgesamt etwas nüchterner und die Geschichte um das aufzutreibende Foto nicht ganz so dramatisch wie viele der anderen Geschichten. Liegt vielleicht auch daran, dass es mir nicht wirklich gelingt Sympathie für den von Wolf Kahler wunderbar grosskotzig angelegten König zu entwickeln, weswegen dann bei Holmes einfalls- und verkleidungsreiche Aktionen etwas der Grund zum Mitfiebern fehlt. Als Charaktereinführung ist die Folge allerdings sehr gut, da sie uns die Hauptfiguren schlagartig und eindringlich nahebringt.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Sherlock Holmes

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AnatolGogol hat geschrieben: 13. Oktober 2023 19:54
Casino Hille hat geschrieben: 12. Oktober 2023 23:22 Oha, da ist er bei allem mit jedem Wort so goldrichtig, und dann hat er A Scandal in Bohemia auf dem vorletzten Platz.
Das schmerzt. Wie kann man beim Richtigliegen so falschliegen?
Um ehrlich zu sein gehört der bohemische Skandal auch nicht zu meinen absoluten Lieblingsfolgen (wobei das aber angesichts des durchgängig extrem hohen Niveaus das übliche Klagen auf hohem Niveau ist). Sie ist halt insgesamt etwas nüchterner und die Geschichte um das aufzutreibende Foto nicht ganz so dramatisch wie viele der anderen Geschichten. Liegt vielleicht auch daran, dass es mir nicht wirklich gelingt Sympathie für den von Wolf Kahler wunderbar grosskotzig angelegten König zu entwickeln, weswegen dann bei Holmes einfalls- und verkleidungsreiche Aktionen etwas der Grund zum Mitfiebern fehlt.
Ich bin da vorbelastet, weil ich die Originalgeschichte vom seligen Doyle schon phänomenal finde. Es ist ja auch durchaus beabsichtigt, dass man mit dem böhmischen König nicht "mitfiebert" bzw. sympathisiert, weil er hier letztlich im "Unrecht" ist, und Sherlock Holmes auf das "Opfer" Irene Adler angesetzt wird – die ihn dann übrigens, anders als später meist dargestellt, nicht deshalb besiegt, weil sie so viel gewitzter ist als er, sondern weil der selbstsichere Holmes gar nicht auf den Gedanken kommt, eine Frau (in diesem Fall immerhin "die Frau" :wink: ) könne mit seinem überlegenen Intellekt mithalten. Hybris ist ein Schlüsselthema der Geschichte, und wird in der Episode der Serie auch wunderbar herausgearbeitet. Es stimmt, dass die Folge selbst unspektakulärer ist als viele andere, aber als Charakterporträt von Holmes selbst ist sie für mich immer noch die effektivste Geschichte, die Doyle zu bieten hatte.
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Re: Sherlock Holmes

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AnatolGogol hat geschrieben: 13. Oktober 2023 19:54 Um ehrlich zu sein gehört der bohemische Skandal auch nicht zu meinen absoluten Lieblingsfolgen (wobei das aber angesichts des durchgängig extrem hohen Niveaus das übliche Klagen auf hohem Niveau ist). Sie ist halt insgesamt etwas nüchterner und die Geschichte um das aufzutreibende Foto nicht ganz so dramatisch wie viele der anderen Geschichten.
Genau, die Folge ist noch etwas trockener, liegt aber vielleicht auch daran, dass man halt noch nicht ganz "drin" ist. Der jeweils etwas simpler gestrickte Fall ohne viel überraschende Deduktions-Verkettungen ist auch der Grund dass bei mir Blue Carbuncle und Greek Interpreter etwas tiefer angesiedelt sind, auch wenn in ersterem die leichtfüssige Schnitzeljagd sehr launig ist und zweiterer mit Charles Gray und einer mal wieder tollen Inszenierung aufwartet. Speckled Band sehe ich als düster-schaurigen Thriller UND kniffligen Ratekrimi, alles in allem wohl tatsächlich meine Lieblingsfolge. Darum halte ich auch Copper Beeches in hohen Ehren, der schlägt in eine sehr ähnliche Kerbe (nicht zuletzt sind Setting und Tatmotiv sehr ähnlich zum Band). Norwood Builder ist rein inszenatorisch ein prächtiges Highlight, Crooked Man natürlich auch mit seinen tollen und aufwändig gemachten Rückblenden nach Indien.

Welches sind deine Favoriten bzw. wie sähe dein Ranking aus? Natürlich unter Berücksichtigung, dass alle Folgen gut sind und qualitativ recht nahe beieinander liegen.

(Die Frage gilt auch für Hille, statt dass er hier nur rummeckert :D )
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Re: Sherlock Holmes

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Reihenfolge ist tatsächlich ziemlich schwierig, da eigentlich alle recht eng beeinanderliegen. Ich probier es trotzdem mal:

Der Dauerpatient / The Resident Patient
Der Baumeister von Norwood / The Norwood Builder
Der blaue Karfunkel / The Blue Carbuncle
Das gefleckte Band / The Speckled Band
Sein letzter Fall / The Final Problem
Das Haus zu den Blutbuchen / The Copper Beeches
Die einsame Radfahrerin / The Solitary Cyclist
Der verkrüppelte Mann / The Crooked Man
Der griechische Dolmetscher / The Greek Interpreter
Die Liga der rothaarigen Männer / The Red-Headed League
Die tanzenden Männchen / The Dancing Men
Ein Skandal in Bohemia / A Scandal in Bohemia
Das Marineabkommen / The Naval Treaty

>> erstaunlich, dass sich die drei ersten Folgen am Schluss einfinden, was aber auch mein Empfinden widerspiegelt, dass die Serie zwar auf hohem Niveau startet, aber nicht unbedingt mit den spektakulärsten Fällen und sich daher danach immer weiter steigert. Dazu passt dann auch, dass meine absoluten Lieblingsfolgen sich in den ersten sieben Folgen der zweiten Staffel finden.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Sherlock Holmes

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Da sind wir grösstenteils gar nicht so weit auseinander, ausser beim Karbunkel. Den Patienten habe ich nur in der Mitte, aber die alptraumhafte Eröffnungsszene ist zweifelsohne ein Highlight der Serie. Und wie gesagt ist es sowieso nur eine Spielerei, weil alle Folgen relativ nah beieinander sind.

Gibt es die zweite Staffel eigentlich nicht auf Blu Ray? Ich habe auf die schnelle bei den Amazonen nichts gefunden.
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