8
von Nico
Agent
Thunderball hat bei mir einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Lange habe ich an diesem Buch gelesen, vermutlich so lange wie noch bei keinem Bond bisher. Allerdings lag dies vor allem am ersten Drittel / der ersten Hälfte, die einfach nicht in Fahrt kommt. Gegen Ende hin wurde es dann deutlich spannender und ich war sehr viel mehr hinterher, das Buch fertig zu lesen. Alles in und rund um Shrublands ist zwar ganz nett, aber als überlange Exposition (die ja nicht mal wirklich was mit dem späteren Bedrohungsszenario zu tun hat), völlig unnötig und hindert den Lesefluss am Entstehen.
Dann aber geht es wirklich los und es wird auch spannend – dank der tollen Beschreibung von SPECTRE (Hallelujah, endlich mal nicht SMERSCH, die gingen mir inzwischen echt auf die Nerven!) und vor allem der großen Bedrohungslage. Atombomben, die die Welt bedrohen, das ist schon was, auch (oder gerade?) in der heutigen Zeit, über 60 Jahre nach Entstehung des Buches.
Die Zeit drängt also. Bond muss ermitteln und tut dies auch sehr schön. In kaum einem Roman bisher hatte Bond so viel herauszufinden und richtige Detektiv-Arbeit zu betreiben. Diese Szenen sind sehr schön beschrieben und es macht Spaß, Bond dabei zu begleiten, wie er nach und nach immer mehr herausfindet, sich anfangs noch nicht sicher ist, aber dann Stück für Stück die Erkenntnis gewinnt: Ja, Largo ist der Übeltäter! Hier ist ein Wissensvorsprung des Lesers natürlich ein beliebtes Stilmittel, aber ich hätte es an der Stelle glaube ich sogar noch besser gefunden, wenn man mit Bond zusammen all diese Dinge herausgefunden hätte, anstatt sie schon zu wissen. (Auch wenn ich als Kenner des Films dann auch schon gewusst hätte, was Phase ist…)
Was dann aber mit der drängenden Frist etwas komisch erscheint, ist Bonds Umgang mit Domino. Natürlich muss er sich intensiv (sonst wäre es ja kein Bond-Roman) mit dem Bondgirl beschäftigen und auch im Kontext der Handlung ergibt es Sinn, dass er, nachdem er herausgefunden hat, dass sie die Schwester des Flugzeugentführers und Largos Geliebte ist, über sie versucht, mehr herauszufinden. Aber gerade gegen Ende des Buches erscheint es etwas fragwürdig, dass Bond, gerade nachdem Fleming noch einmal betont, wie knapp die Zeit ist, erst einmal gemütlich mit Domino baden geht und sich dann mit ihr vergnügt…
Sehr schön beschrieben ist auch die Buddy-Action mit Felix. Leiter ist hier endlich mal wieder nicht als Pinkerton-Detektiv, was ich sowieso nie so ganz mit der Figur in Einklang bringen kann, unterwegs, sondern im Auftrag der CIA inklusive allen Befugnissen. Ein paar Mal wird über seinen Haken am Arm gescherzt, aber ansonsten spielt seine körperliche Versehrtheit keine Rolle. Bond und Felix sind ein gutes Team und die gemeinsamen Szenen sind hier deutlich besser beschrieben und haben auch mehr Gewicht als in den Vorgänger-Romanen.
Der Villain des Romans, Emilio Largo, wird wieder einmal sehr detailliert beschrieben, aber über Flemings ausufernde Beschreibungen lese ich inzwischen halbwegs hinweg, weil ich es mir sowieso nicht merken kann. Er wird beschrieben als Gangster, der genau weiß, was er will und was er tut. Sein Plan ist wasserdicht (haha) und Largo ist sich der Unfehlbarkeit bewusst. Unfehlbar? Nein, natürlich nicht. Bond gelingt es wie immer, die Bösen in die Schranken zu weisen, wenn er auch erst durch Domino im letzten Moment gerettet wird.
Interessant zu sehen ist auch, wie sehr sich die Verfilmung doch vom Roman unterscheidet. Vieles ist gleich, aber man merkt, dass Broccoli und Saltzman beim vierten Film so langsam doch in eine eigene Richtung gingen… Das aber nur nebenbei.
TB ist ein Buch, das, obwohl gar nicht mal so sehr so angelegt, in zwei Hälften geteilt ist, die sehr unterschiedlich in Tempo und Spritzigkeit sind. Doch kämpft man sich durch den ersten Teil erst einmal durch, entschädigt der tolle zweite Teil sehr und macht beim Lesen viel Spaß.
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