dernamenlose hat geschrieben: Gestern 22:51
Casino Hille hat geschrieben: Gestern 21:19
Sie ist eine erzählerische Sexpuppe, ein Vehikel, um über sie wieder was über Oppenheimer zu erzählen.
Jede Figur ist ein Vehikel um etwas über Oppenheimer zu erzählen. Die Story ist aus seiner subjektiven Sicht heraus geschrieben
Stilistisch sehe ich nicht, wo Nolan jetzt filmästhetisch herausarbeitet, dass die anderen Figuren nur aus der subjektiven Sicht von Oppenheimer heraus geschildert werden. Wenn er das machen wollte, ist er bei mir auf ganzer Linie gescheitert. Ich weiß, dass er das Skript so geschrieben hat, aber der Film kommuniziert mir das nicht. In einzelnen Momenten wird klar die Perspektive einer Figur eingenommen, durch Verfremdungseffekte beispielsweise, aber das ist noch nicht mal konsequent nur Oppenheimers Sicht (wir sehen beispielsweise einmal, was vor dem inneren Auge seiner Frau passiert - eine Szene, bei der ich laut lachen musste im Kino (wofür ich mich hinterher bei zwei Kollegen, die neben mir saßen, entschuldigen musste), weil ich das so abgedroschen und "corny" fand). Von daher lass ich das Argument nicht gelten.
dernamenlose hat geschrieben: Gestern 22:51
Casino Hille hat geschrieben: Gestern 21:19
Und zudem auch noch ein schreckliches "Frauen, man kann diese unerklärlichen Wesen einfach nicht verstehen"-Klischee.
Ich weiß wirklich nicht, wie du auf die Idee kommst das generell auf Frauen zu beziehen. Ich sehe nichts im Film was darauf hin deutet und hab es auch selbst nie so wahrgenommen. Weder bei meiner ersten Sichtung ohne Kenntnis des Buchs, noch bei meinen nachfolgenden Sichtungen mit Kenntnis des Buchs. Für mich wird eher das Gegenteil gezeigt: Jean Tatlock entzieht sich den gesellschaftlichen Normen, ist anders als die anderen Frauen in Oppenheimers Leben und genau das fasziniert ihn. Daraus eine allgemeine Aussage herauszuziehen halte ich für sehr abenteuerlich
Worum geht's? Ich beziehe das überhaupt nicht generell auf Frauen. Tatlock entspricht im Film einem Frauen-Klischee, das da draußen nun mal in den Köpfen einiger Männer herumgeistert und bedient daher dieses Denken auch astrein. Ob der Film das als allgemeine Aussage verstanden wissen will, dazu habe ich gar nichts gesagt.
Nolan wollte bestimmt eine Frau abseits der gesellschaftlichen Normen zeigen, aber angekommen ist bei mir eine hysterische wankelmütige Nervensäge ("Ich will nichts von dir" - "Ja, aber du rufst doch dauernd an" - "Ja, dann geh halt nicht ran"...), die vielleicht hinter ihrer Fassade Depressionen verbirgt, aber kaum wird das mal richtig angedeutet, hat sie auch schon für die Kamera blank gezogen (Man
n soll ja was geboten bekommen) und lässt sich von Oppi verwöhnen (wobei ihr sein Vorlesen wohl mehr Vergnügen verschafft als seine körperliche Leistung). Und klar ist die Szene male gaze-y, was auch sonst. Eine "leidenschaftliche Natur der Beziehung" kann man ohne nackte Brüste darstellen, Murphy hält sein Gemächt ja auch nicht in die Kamera. Selbst ganz wertfrei, also unabhängig von der Beurteilung der Qualität der Szene, bedient sie primär einen männlichen Blickwinkel. Ob man das als problematisch empfindet, ist eine andere Frage, aber es lässt sich schwer leugnen.
Nolans Absichten mit der Tatlock-Figur sind mir insgesamt durchaus klar (sie sind in der Tat ziemlich offensichtlich), aber ich finde es weder inszenatorisch noch skriptseitig gelungen umgesetzt. Das gilt übrigens für beide Frauenfiguren, beide für mich die schwächsten im Film. Die eine ist ein emotionales Wrack, weiß daher nie, was sie will und bringt sich dann (mutmaßlich) um, als sie Oppi nicht haben kann, und die andere ist ein betrunkenes Wrack, die ihre Leinwandzeit größtenteils mit Schreien oder Betrunkensein verbringt. Mein Eindruck, dass Nolan als Autor vor allem ein Problem mit weiblichen Figuren hat, speist sich nicht aus einem Charakter, sondern aus der Summe all seiner weiblichen Figuren.
Ansonsten freut es mich, wenn du da in Jean Tatlock eine mehrdimensionale Frauenpersona siehst, keine Hypersexualisierung wahrnimmst und das alles tiefgründig und toll findest. Ich gönne es dir. Ohne jede Ironie.