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Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 12:48
von Maibaum
danielcc hat geschrieben:The Revenant, 2015
Komme grade aus dem Film und was soll ich sagen, außer dass ich mich wirklich selten... sehr sehr selten so dermaßen gelangweilit habe im Kino - und das habe ich schon nach 5min gewusst.
Ich habe das schon gewusst, bevor du rein bist. Und wollte dir auch gestern noch empfehlen was anders zu schauen.
Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 12:50
von danielcc
Meinst du, weil ich voreingenommen war oder weil der Film mir wirklich nicht gefallen würde von der Art des Films her?
Eigentlich hatte ich mich auf ein wirklich intensives Abenteuer Epos gefreut aber das hat von vorne bis hinten nicht funktioniert für mich.
Vieles wurde hier angesprochen aber scheinbar verbietet es der Respekt vorm Oscar Liebling der Stunde eine entsprechenden Note abzugeben
Es war witzig, weil mein Bruder neben mir alle 5min auf die Uhr geschaut hat.
Da sind wir raus und ich dachte noch, er wird mir voll zustimmen. Aber er meinte dann wie wahnsinnig spannend das gewesen wäre. Da habe ich echt gedacht, ich habe einen anderen Film gesehen
Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 13:20
von GoldenProjectile
danielcc hat geschrieben:Absolut! Deine totale Begeisterung kann ich echt nicht nachvollziehen. Grade das was gelobt wird an dem Film, wo die Stärken sein müssten, das fand ich eher schwach und enttäuschend.
Alles eine Geschmacksfrage.
1. Gerade diese "schwebende" Kameraführung in Verbindung mit dem leichten Weitwinkelobjektiv und den langen Plansequenzen fand ich absolut grossartig. Ein stimmungsvoller, enorm gut auf die Schauplätze und die Abläufe der einzelnen Szenen abgestimmter filmischer Stil, den ich in dieser Form und vor allem Perfektion noch nie gesehen habe. Ich kann zumindest nachvollziehen, was du mit dem "digitalen look", besonders in Bezug auf das Wasser, meinst aber ich würde das für mich eher als "zweckdienlich kühl" bezeichnen. Das einzige, was mich am Film gelegentlich etwas gestört hat waren die vereinzelten Lens Flares, wenn sich die Kamera der Sonne gegenüber bewegt hat. Das passte nicht zum Stil.
2. Auch in Bezug auf die Authentizität gibt es für mich nur einen kleineren Makel zu vermerken: Der "Pferdesprung" über die Klippe war zu viel des Guten. Davon abgesehen hat Glass den ganzen Film über so sehr gelitten, so sehr gekämpft, und sich so hart an seinem Limit bewegt, dass für mich dramaturgisch alles gerechtfertigt war.
3. Ich hatte viel Emotionen zu Glass aufgebaut, klar sind DiCaprios Gesichtszüge auch mit Zottelbart unverkennbar, aber die wenigsten Schauspieler können ihre Optik so dermassen vielfältig variieren wie z.B. Oldman der der junge De Niro. Auf jeden Fall hat er absolut stark mit Mimik, Körpersprache und physischem Einsatz gearbeitet, und Hardy, Gleeson und Poulter konnten auch gut mithalten.
4. Du hältst die Dramaturgie für schlecht, ich hielt sie für grandios. Die esoterischen Einschübe sind übrigens gar nicht so überpräsent, wie hier einige behaupten, selbst wenn man die nicht mochte, sie sind nur ein Bruchteil eines gut zweieinhalbstündigen Films.
Lustig finde ich wieder Mal den "Vorwurf" dass alle den Film nur lobpreisen weil er von Iñárritu ist und ihn eigentlich grösstenteils schwach fanden.
Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 13:26
von HCN007
Je mehr ich über The Revenant nachdenke, wird er sich wohl oder übel aufgrund eines geringen "Replay Values" eher im hinteren oder mittleren Bereich meiner Top-Liste 2016 einreihen. Wenn ich es mir so überlege, ist vor allem "Creed" dem guten Rückkehrer weitaus überlegen.
Ein typisches Problem, was auch The Revenant hat ist das "SOS"-Problem (Style over Substance). Man versucht, durch die Gimmicks, die großartigen Aufnahmen und Charakterdarstellungen über die fehlende Substanz hinwegzutäuschen. Das funktioniert auch nur bedingt, weil die Rache- und Überlebensgeschichte doch etwas dünn für 157 Minuten Laufzeit ist.
Meine Wertung sieht ja wie folgt aus: 9/10.
Meine Wertung hängt immer von folgenden (auch teils subjektiven) Schwerpunkten ab:
- Fokussierung des Films (welche Story will der Film erzählen ? ; Welche Intention hatten Drehbuchautor, Regisseur, usw. ? ; Wird diese Intention zielgenau verfolgt oder komplett aus den Augen gelassen ? [so etwas finde ich sehr schlecht !!!] ; Kann sich der Film entscheiden, in welche Richtung er geht ?)
- Stil und visuelle Umsetzung
- "Replay Value" (kann ich mir den Film auch häufiger ansehen, ohne das er langweilig wird ?)
Wenn das gegeben ist, kann ich auch über einen Film mit "SOS"-Problem über die fehlende Substanz hinweg sehen. Ich bin eher mehr der visuelle Typ und man muss einen Film nicht unnötig mit komplexem Tiefgang ausstatten.
Bei The Revenant wäre weniger Laufzeit mehr gewesen ! - Aber mehr Tiefgang wäre absolut fehl am Platz !
Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 13:27
von Maibaum
danielcc hat geschrieben:Meinst du, weil ich voreingenommen war oder weil der Film mir wirklich nicht gefallen würde von der Art des Films her?
Weil die Wahrscheinlichkeit daß du mit dem Film rein gar nichts anfangen kannst ziemlich hoch war. Voreingenommenheit kann das Negativ-Erlebnis dann noch verstärken.
Eigentlich hatte ich mich auf ein wirklich intensives Abenteuer Epos gefreut aber das hat von vorne bis hinten nicht funktioniert für mich.
Tja, es war aber doch sehr wahrscheinlich daß das eher ein Anti-Abenteuer Film wird. Der Film hat zwar an der Oberfläche eine einfache geradlinige Handlung, die aber ganz klar im Zeichen der revisionistischen Western der 70er steht, und damit eine sehr pessimistische Haltung der weißen Zivilisation und deren Einwirkung auf die Natur und die Ureinwohner gegenüber einnimmt. Und damit ist auch ganz klar daß Inadings mehr will als nur eine einfache Geschichte erzählen, denn Inadings ist bislang kein Mainstreamregisseur, und The Revenant ist definitiv kein Mainstreamfilm. Auch wenn er über die Produktionsressourcen eines solchen verfügt.
Vieles wurde hier angesprochen aber scheinbar verbietet es der Respekt vorm Oscar Liebling der Stunde eine entsprechenden Note abzugeben
Wer hat denn allen Ernstes Respekt vor einem Oscar Liebling?
Kann sein daß viele den Film seine sichtbare Anstrengung positiv anrechnen, aber das hast du ja auch gemacht. Denn so wie du den Film beschreibst hätte ich ihn mit 1/10 bewertet.
Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 13:34
von danielcc
zu 1. Lens flares sind mir auch aufgefallen, zusammen mit digitalem Look, Weitwinkel, Spritzer auf der Kamera und Atem auf der Linse hat das für mich vollkommen die erwartete Kino Illusion zerstört. Ich finde, grade dieser Film hätte einen richtig körnigen Look verdient - es ist ja nicht nur Abenteuer und Wildnis, es ist auch eine andere Zeit. Da passt der digi-TV Look gar nicht.
zu 2. Ach, die Authenzität ist für mich kein großes Problem. Letztlich ist es Kino und soll unterhalten. Man darf das dann nur nicht als wahre Geschichte etc. verkaufen. Oder man muss manche Dinge etwas ausgewogener Gestalten. Am schlimmsten fand ich das in Bezug auf sein Bein, was wirklich komplett zertrümmert war und auf ein mal konnte er wieder Gehen und sogar Laufen. Den Sprung über die Klippe fand ich sogar cool, weil er so überraschend kam.
zu 3. Ich habe ja weder was gegen DiCaprio noch gegen seine technischen Fähigkeiten. Ich finde nur einfach er sucht sich die falschen Filme aus und wird darin noch bestätigt durch Preise und Kritikerlob. Der Mann war in Titanic so toll, und könnte wunderbar heitere Komödien oder elegante Gauner Filme drehen - aber er ist nun mal nicht der Typ dem man ein Leben in der Wildnis abnimmt. Sorry. Da wäre ein Craig, sogar ein Cumberbatch oder ganz andere viel besser gewesen. Ich glaube sogar, ich hätte mehr mitgefühlt, wenn es ein ganz Unbekannter gewesen wäre.
4. Die Esoterik ist nicht das größte Problem für mich. Geschickt gemacht, kann das ja sogar helfen (ich fand die sehr sehr ähnlichen Szenen in Gladiator und sogar C&A echt besser!) Aber der Film ist eben Anti-klimatisch. Das schlimmste passiert am Anfang und von da an gibt es nur noch einzelne Episoden oder Momente. Eine halbe Stunde weniger hätte vielleicht geholfen. Auch bricht der Glass Charakter nie richtig verzweifelt zusammen. Im Grunde genommen geht es ihm stetig besser obwohl er stetig kränker werden müsste.
Und nun was ganz schlimmes: Ich hatte vollstes Verständnis für die Einstellung und das Handeln von Hardys Charakter! Den absolut dem Sterben geweihten Glass durch den Schnee und über Berge zu schleppen war dumm.
Zu dem lustigen Vorwurf: Wenn ich Kritiken lese, die massive Schwächen eines Films thematisieren und am Ende dann lapidar auf 8,5 oder 9 oder 10/10 kommen - dann verstehe ich entweder die Rezension nicht oder die Bewertung - und dies lässt sich eben immer wieder beobachten wenn (hier) Filme besprochen werden, die schon vorab aufgrund des Regisseurs oder aufgrund von diversen Auszeichnungen, in den Himmel gelobt wurden
Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 13:35
von Maibaum
HCN007 hat geschrieben:Je mehr ich über The Revenant nachdenke, wird er sich wohl oder übel aufgrund eines geringen "Replay Values" eher im hinteren oder mittleren Bereich meiner Top-Liste 2016 einreihen. Wenn ich es mir so überlege, ist vor allem "Creed" dem guten Rückkehrer weitaus überlegen.
Ein typisches Problem, was auch The Revenant hat ist das "SOS"-Problem (Style over Substance). Man versucht, durch die Gimmicks, die großartigen Aufnahmen und Charakterdarstellungen über die fehlende Substanz hinwegzutäuschen. Das funktioniert auch nur bedingt, weil die Rache- und Überlebensgeschichte doch etwas dünn für 157 Minuten Laufzeit ist.
Meine Wertung sieht ja wie folgt aus: 9/10.
Meine Wertung hängt immer von folgenden (auch teils subjektiven) Schwerpunkten ab:
- Fokussierung des Films (welche Story will der Film erzählen ? ; Welche Intention hatten Drehbuchautor, Regisseur, usw. ? ; Wird diese Intention zielgenau verfolgt oder komplett aus den Augen gelassen ? [so etwas finde ich sehr schlecht !!!] ; Kann sich der Film entscheiden, in welche Richtung er geht ?)
- Stil und visuelle Umsetzung
- "Replay Value" (kann ich mir den Film auch häufiger ansehen, ohne das er langweilig wird ?)
Wenn das gegeben ist, kann ich auch über einen Film mit "SOS"-Problem über die fehlende Substanz hinweg sehen. Ich bin eher mehr der visuelle Typ und man muss einen Film nicht unnötig mit komplexem Tiefgang ausstatten.
Bei The Revenant wäre weniger Laufzeit mehr gewesen ! - Aber mehr Tiefgang wäre absolut fehl am Platz !
Aber der Film hat doch jede Menge Tiefgang. Ich sehe da keine Probleme den Film einer komplexen Analyse zu unterziehen, gerade in Anbetracht des Verhältnisses des Menschen gegenüber der Natur.
Ich finde allerdings daß Inadings das auch in Bezug auf seine zentralen Charaktere noch mehr hätte vertiefen können. Und bislang hat Inadings noch nie den Stil dominieren lassen.
Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 13:37
von Casino Hille
Maibaum hat geschrieben:
The Revenant ist definitiv kein Mainstreamfilm.
Findest du? Würde ich widersprechen.
Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 13:38
von Maibaum
danielcc hat geschrieben:
und dies lässt sich eben immer wieder beobachten wenn (hier) Filme besprochen werden, die schon vorab aufgrund des Regisseurs oder aufgrund von diversen Auszeichnungen, in den Himmel gelobt wurden
Welche denn genau?
Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 13:39
von danielcc
@Maibaum
Was ich wirklich interessant finde sind die Parallelen zu Gravity (oder auch Castaway, wobei der deutlich heiterer ist).
Gravity hat mich voll gepackt und emotional mitgenommen. Die Esoterik Einschübe waren da grade noch erträglich. Da stimmte auch einfach Optik und Inhalt.
Bei Revenant passt das für mich nicht - und ich frage, was denn Inadinges mehr wollte als eine unterhalsame Geschiche zu erzählen? Wo ist da Tiefgang? Hilfe, wenn er das wollte, dann ist er ja noch deutlicher gescheitert.
Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 13:39
von danielcc
Maibaum hat geschrieben:danielcc hat geschrieben:
und dies lässt sich eben immer wieder beobachten wenn (hier) Filme besprochen werden, die schon vorab aufgrund des Regisseurs oder aufgrund von diversen Auszeichnungen, in den Himmel gelobt wurden
Welche denn genau?
Darauf lasse ich mich jetzt nicht ein, denn es würde schnell off-topic werden.
Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 13:41
von Casino Hille
Gravity finde ich fürchterlich, gerade der Film ist ein typischer Sci-Fi-Film der Marke Optikblender. Viel Style, aber nix an Substanz dahinter, kein bisschen spannend etc. Da war viel Form, viel Geschwurbel, viel Bohei, ist aber absolut nicht viel dahinter, zumal auch noch streckenweise arg vorhersehbar.
Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 13:51
von GoldenProjectile
Was ich in meinem letzten Beitrag noch vergessen habe: Ich habe vor kurzem ein Interview mit DiCaprio gelesen, indem er so ungefähr gesagt hat, Iñárritu könne im Vordergrund des Bildausschnittes ein winziges Detail zeigen und dahinter die ganze Welt. Trifft wie ich finde wunderbar auf The Revenant zu. Das ist der Grund, warum die schwebende Kamera mit Weitwinkelobjektiv und Plansequenzen so exzellent zu den Drehorten und gleichzeitig zu den Akteuren und ihren Handlungen passt. Iñárritus Bilder sind auf das, was passiert fokussiert und haben zugleich eine enorme Tiefe und Weite. Herrlich.
Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 13:54
von Maibaum
danielcc hat geschrieben:Maibaum hat geschrieben:danielcc hat geschrieben:
und dies lässt sich eben immer wieder beobachten wenn (hier) Filme besprochen werden, die schon vorab aufgrund des Regisseurs oder aufgrund von diversen Auszeichnungen, in den Himmel gelobt wurden
Welche denn genau?
Darauf lasse ich mich jetzt nicht ein, denn es würde schnell off-topic werden.
Dann mach das woanders, aber dieser großflächige Verdacht daß Filme mit denen du nicht klar kommst, von anderen auch so empfunden werden wie von dir, und nur wegen Angeberei aufgrund von vermeintlichem Kritikerlob (die nach deiner Meinung ja auch nur Filme loben bei denen sie sich langweilen, sich aber nicht trauen zu sagen daß sie eigentlich viel lieber Bond, MI Die Hard etc schauen) positiv eingeschätzt werden, der muß ausgeräumt werden.
Es gibt ein Publikum für anspruchsvolle Filme einfach deshalb, weil dieses Publikum sich bei Mainstreamfilmen oft langweilt, dafür aber bei komplexen sogenannten Kunstfilmen sich unterhält.
Re: Alejandro González Iñárritu
Verfasst: 31. Januar 2016 13:55
von Maibaum
Casino Hille hat geschrieben:Gravity finde ich fürchterlich, gerade der Film ist ein typischer Sci-Fi-Film der Marke Optikblender. Viel Style, aber nix an Substanz dahinter, kein bisschen spannend etc. Da war viel Form, viel Geschwurbel, viel Bohei, ist aber absolut nicht viel dahinter, zumal auch noch streckenweise arg vorhersehbar.
Da ist aber ebenfalls jede Menge Substanz. Die Bilder sind mehr als nur einfache zweckdienliche Bilder die eine einfache Abenteuergeschichte erzählen.