Re: Der Hannibal Lecter Thread

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Da ich zuerst die Filme gesehen habe und erst danach die Romane gelesen habe stellte sich bei mir das Problem der durch die literarische Vorlage geweckten Erwartungen an die Verfilmungen (glücklicherweise) nicht. Auch in Kenntnis der Romane habe ich eigentlich nie das Gefühl, dass ich etwas an den Verfilmungen vermisse (wobei ich dieses Gefühl sehr gut von anderen Verfilmungen kenne, bei denen ich zunächst den Roman gelesen habe). Rein filmisch kann ich daher deine Ausführungen zu Schweigen nur bedingt teilen. Vor allem verglichen mit Ratners Rotem Drache finde ich muss man konstatieren, dass Ratner stilistisch wie erzähltechnisch Demmes Film fast sklavisch folgt. Das hängt teilweise natürlich an der Harrisschen Vorlage, aber vor allem stilistisch ist Ratners Film doch eine Blaupause von Demmes Welterfolg. Daher tue ich mich schwer in Ratners Film wirkliche filmische Vorteile erkennen zu können. Roter Drache nutz sicherlich die Stärke seines superb besetzten und spielenden Ensembles, aber das tut Schweigen meiner Meinung genau so. Ich stimme dir zu, dass Glen recht bieder und grau spielt, allerdings empfinde ich das nicht als Nachteil sondern als Stärke, da der Charakter so perfekt zur genau so biederen und grauen Fosterschen Starling passt (was dann wunderbar in Lecters anzüglichen Bemerkungen hinsichtlich der Beziehung zwischen den beiden genutzt wird). Der Film wirkt sicherlich stilistisch oft grob und quasi-dokumentarisch, aber auch das empfinde ich als absolute Stärke, da es die latent bedrohliche und unheimliche Grundstimmung perfekt unterstützt. Schweigen ist für mich daher nach wie vor einer der beängstigendsten Filme aller Zeiten, da es zu keinem Zeitpunkt so etwas wie "erlösende Szenen" gibt, die diese Bedrohlichkeit brechen. Selbst die Szenen mit den beiden Insektenfreaks wirkt eher befremdlich und bedrohlich (nicht zuletzt durch die plumpe Anmache). Foster empfinde ich großartig in ihrer Rolle, die Biederkeit ihres Spiels und ihrer Optik unterstreicht die Unsicherheit und die Minderwertigkeitsgefühle ihrer Figur - vor allem in der Beziehung zu Lecter. Für mich ist Schweigen ein nahezu perfekter Film - was in Kenntnis des übrigen Oevres von Herrn Demme für mich um so erstaunlicher ist (wobei ich aus Nostalgiegründen schon mal gerne Flotte Sprüche auf Kanal 9 wieder sehen würde).
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Der Hannibal Lecter Thread

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Deine Ansicht ist verständlich, da du immerhin zehn Jahre Zeit hattest, um dir Schweigen der Lämmer in deiner Wahrnehmung als Klassiker bzw. starker Einzelfilm zu festigen, bevor dann das „späte Prequel“ kam. Ich hingegen sehe mir die Filme in der Chronologie der Bücher und nach der Lektüre der Vorlagen an, wobei sich unmittelbar ein Erwartungsgehalt, bzw. ein Vergleich aufdrängt. Wie du gesagt hast, kennst du das Gefühl ja. Unsere Wahrnehmungen gehen bezüglich des „Sklavischen Folgens“ übrigens auseinander. Ich war vom wahrhaft sprühenden unheimlichen und gotischen Flair des Drachen geradezu begeistert während ich diesen Stil bei den Lämmern irgendwie nur in verwässerter Form wahrnehme.

Gut, dass du die Szene mit den beiden Wissenschaftlern ansprichst, denn sie hilft mir, meine Wahrnehmung anschaulicher darzustellen. Die Szene ist ein gutes Beispiel für ein Buchkapitel das romangetreu abgefilmt wird, dabei aber irgendwie oberflächlich bleibt und nicht wirklich den Geist und die Tiefe der entsprechenden Romanstelle verströmt. Es ist der typische Fall, in dem der Film Details aus dem Buch übernimmt (das Spiel mit den Käfern, der exakt übernommene Eingangssatz, Pilchers Annäherungsversuch) ohne dass diese im Kontext des Films wirklich Sinn machen. Pilcher und Roden werden in der kurzen Szene nicht zu interessanten Charakteren ausgebaut (anders als bei Harris, dem dies in dem ebenfalls nicht besonders umfangreichen Kapitel meisterhaft gelingt). Kein Wunder also, dass die Anmache plump wirkt.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Der Hannibal Lecter Thread

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Mads Mikkelsen (LeChiffre in Casino Royale) wird ab April als Dr. Hannibal Lecter sein Unwesen im amerikanischen TV treiben,
unter anderem mischen auch Lance Henricksen, Hugh Dancy und Laurence Fishburne mit:

http://www.serienjunkies.de/news/hannib ... 46843.html

Ich freue mich sehr darauf, auch wenn die Grundidee irgendwie stark an "Dexter" erinnert... :)
https://filmduelle.de/
https://letterboxd.com/casinohille/

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Re: Der Hannibal Lecter Thread

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GoldenProjectile hat geschrieben:Deine Ansicht ist verständlich, da du immerhin zehn Jahre Zeit hattest, um dir Schweigen der Lämmer in deiner Wahrnehmung als Klassiker bzw. starker Einzelfilm zu festigen, bevor dann das „späte Prequel“ kam.
Dem würde ich wiedersprechen wollen, da mir Roter Drache mittlerweile um einiges weniger gut gefällt als bei Erstsichtung im Kino - ganz anders als beispielsweise Hannibal. Schweigen der Lämmer hat tendenziell eher gewonnen - und das obwohl ich ihn bereits beim ersten mal herausragend empfand. Roter Drache hat mit Ausnahme der schauspielerischen Leistungen einfach nichts was wirklich hängen bleibt, Story und filmische Umsetzung sind nett aber weit entfernt von der Bedrohlichkeit und der "Echtheit" von Schweigen. Die Entführungsszenen sind in ihrer Inszenierung denen von Ratners Film haushoch überlegen, wenn ich alleine an die Entführung im Van und die Szenen im unterirdischen Verlies denke. Die Entführung von Lounce funktioniert eigentlich dagegen nur wegen dem tollen Spiel von Fiennes und Hoffman, die Inszenierung ist sehr gewöhnlich. Noch gewöhnlicher ist die Inszenierung beim Finale im Dollarhyde-Haus und vor allem bei den finalen Szenen in Florida. Dagegen stockt einem durch die direkte und klaustrophobische Inszenierung von Demme bis zu allerletzten Sekunde der Atem.
GoldenProjectile hat geschrieben: Gut, dass du die Szene mit den beiden Wissenschaftlern ansprichst, denn sie hilft mir, meine Wahrnehmung anschaulicher darzustellen. Die Szene ist ein gutes Beispiel für ein Buchkapitel das romangetreu abgefilmt wird, dabei aber irgendwie oberflächlich bleibt und nicht wirklich den Geist und die Tiefe der entsprechenden Romanstelle verströmt. Es ist der typische Fall, in dem der Film Details aus dem Buch übernimmt (das Spiel mit den Käfern, der exakt übernommene Eingangssatz, Pilchers Annäherungsversuch) ohne dass diese im Kontext des Films wirklich Sinn machen. Pilcher und Roden werden in der kurzen Szene nicht zu interessanten Charakteren ausgebaut (anders als bei Harris, dem dies in dem ebenfalls nicht besonders umfangreichen Kapitel meisterhaft gelingt). Kein Wunder also, dass die Anmache plump wirkt.
Aber sie muss ja auch plump wirken, da sie in einer Reihe steht mit Chiltons Angraberei, den Gaffenden Countypolicemen bei der Obduktion oder Multiple Miggs "Samenspende". All diese Szenen zeigen unangenehme männliche Avancen gegenüber Starling und charakterisieren sie insofern, dass siesich gerade auch deshalb in der Männerdomäne FBI durchsetzen will. Ein entscheidender Faktor für ihre Hartnäckigkeit, die sie letztlich den Fall lösen lässt. Der Insektenfreak darf deshalb nicht charmant rüberkommen.
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Re: Der Hannibal Lecter Thread

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Letztes Wochenende habe ich mir Roter Drache noch einmal angesehen und was soll ich sagen, ich war wieder völlig überwältigt! Es ist erstaunlich, wie detailreich und werkgetreu die Geschichte erzählt wird, dabei aber ein ideales Tempo und einen bestens geordneten Rhythmus wahrt, so dass man stets das Gefühl hat, sich in einem stimmigen, in seinen Bestandteilen harmonischen Film zu befinden (viele Buchverfilmungen wirken eher wie eine Aneinanderreihung gefilmter Romanszenen, die im filmischen Kontext weniger adäquat und ausgewogen wirken als auf dem Papier). Und auf optischer Ebene ist der Film einfach ein Schmuckstück! Ratners überladene Gotik ist ebenso hinreissend finster wie passend, der Hannibal-Prolog absolut edel und mit der verstörenden Titelsequenz eine vorzügliche Überleitung in den Hauptteil. Von den Darstellern will ich gar nicht erst reden... Oder doch: Hopkins ist seiner Lämmer-Performance mindestens ebenbürtig und Fiennes' Spiel lässt sich kaum in Worte fassen, und wenn doch, dann wären es wohl ausschliesslich Superlative.

Für mich jedenfalls trotz gegenteiliger Behauptungen, die entweder Blutmond (Filmstarts, Moviepilot) oder die Lämmer (Forum) bevorzugen, eine klare 9, wenn nicht sogar 9,5.
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Re: Der Hannibal Lecter Thread

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Maibaum hat geschrieben:Ich fand Roter Drache nicht so interessant.
Schade.

Wie sehen die Filme (und wenn du willst auch die Romane) bei dir in Bewertungszahlen aus?
Casino Hille hat geschrieben:Erstes Promovideo zur neuen TV-Serie, sieht nach sehr düsterem Crime aus:

http://www.serienjunkies.de/news/hannib ... 893-2.html
Sieht nett aus, ich vertraue Mikkelsen. :D
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Re: Der Hannibal Lecter Thread

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GoldenProjectile hat geschrieben:
Maibaum hat geschrieben:Ich fand Roter Drache nicht so interessant.
Schade.

Wie sehen die Filme (und wenn du willst auch die Romane) bei dir in Bewertungszahlen aus?
Puhh, gar nicht so einfach. Blutmond ist schon ewig lange her. Hatte am Ende sehr lang In a Gadda da Vida was mir damals faszinierend unpassend vorkam.

Blutmond 7 / 10
Das Schweigen der Lämmer 8,5 / 10
Hannibal 6,5 / 10
Roter Drache 6 / 10
Hannibal Rising - / 10

Die ersten beiden Bücher so im Bereich 9/10 und Hannibal 8/10. Die Lämmer vielleicht sogar noch besser.

Schwarzer Sonntag 7/10

Re: Der Hannibal Lecter Thread

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Hab den Hannibal-Roman jetzt gelesen. Tja, was soll man dazu sagen, bei den Büchern fällt mir eine Bewertung bzw. ein Vergleich oftmals deutlich schwerer. Zunächst mal ist es interessant, dass sich das Buch in der Geschichte und dem Aufbau stark von den Vorgängern abgrenzt. Das Konzept wurde durch Schwerpunktverlagerung zweimal sehr gut variiert, ich bezweifle aber dass es ein drittes Mal noch geklappt hätte. Dadurch ist Hannibal weitaus fantastischer und irgendwie bizarr. Die besten Teile sind vermutlich die Szenen in Florenz, sie sind wundervoll beschrieben, dem Charakter Hannibals angemessen, spannend und nach dem holprigen Einstieg in das Buch eine wahre Wohltat. Aber letztendlich will der Titel des Romans irgendwie nicht so passen. Er hätte weitaus mehr Sinn ergeben, wenn Hannibal entweder die absolute Hauptfigur des Buches gewesen wäre oder als Antagonist komplett im Zentrum gestanden hätte. Stattdessen springt Harris mit der Perspektive so oft zwischen verschiedenen Figuren, Szenarien und Themen umher dass Hannibal oft über die Dauer von mehreren Kapiteln nicht auftaucht und dafür jeder Nebencharakter zum Protagonisten und Erzähler seiner eigenen Story gemacht wird. Ein weiterer Schwachpunkt ist der sechste (?) Teil, also alles was nach dem eigentlichen Finale kommt. Wie hier die Figuren, die Motive, die Prinzipien und die Handlung entfremdet werden ist geradezu grotesk. Irgendwie kaum zu fassen.

Nichtsdestotrotz war Hannibal nett zu lesen, hatte spannende Passagen, ein paar sehr „literarische“ Momente und in Summe einen hohen Unterhaltungswert in überzeichnetem aber echtem Harris-Stil. Müsste ich jetzt den besten Roman küren so würde ich nach einem Hirnkrampf und siebenhundert geworfenen Münzen wahrscheinlich den Roten Drachen nennen.

Mal schauen, was Scott daraus gemacht hat.
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Re: Der Hannibal Lecter Thread

28
Auf DVD - Hannibal (2001)
Drehbuch: Steven Zaillian & David Mamet
Regie: Ridley Scott
Darsteller: Anthony Hopkins, Julianne Moore, Ray Liotta, Giancarlo Giannini, Gary Oldman, Frankie Faison


Natürlich habe ich nach der Lektüre des teilweise befremdlichen aber durchaus interessanten Abschlusses der Thomas-Harris-Reihe (bis jetzt noch ohne Hannibal Rising) auch den Filmgenuss nicht versäumt. Und was soll ich sagen, ich bin in Summe durchaus sehr zufrieden mit Ridley Scotts Version des Stoffes. Die zwei Stunden vergehen praktisch ohne Längen, lediglich wenn wir den Charakteren bei ihren Computerrecherchen über die Schulter blicken gerät das ansonsten sehr angenehme Tempo ein wenig ins Stocken. Scotts Regie bewährt sich insbesondere bei den Szenen in Florenz; die Stadt wirkt mit ihrem kultivierten Charme sehr atmosphärisch und von den edlen Sälen, Bibliotheken und Palästen profitiert der Film, kongenial unterstützt von Zimmers für ihn unkonventionellen und irgendwie beängstigenden Klängen. In diesem Teil ist auch die Ausführlichkeit der Szenen beachtlich, dafür wird beim Übergang von Florenz zum Finale keine wirkliche Geschichte erzeugt und die Vorgänge im Buch komplett durch ein Telefonat ersetzt. Auch der eigentliche Showdown ist ein wenig zu knapp geraten, wenn auch Vergers Ende durchaus nett aber irgendwie etwas erzwungen ist.

Der bizarre Nachklapp am Ende der Story ist Scott und seinen beiden Autoren hingegen besser, glaubwürdiger und nachvollziehbarer gelungen als Thomas Harris. Das groteske Mahl ist visuell prächtig inszeniert, verzaubernd und verstörend zugleich, exzellent musiziert und zudem fantastisch gespielt von Liotta. Und das Verhalten der Charaktere wirkt schlüssiger und letztendlich spannender.

Anthony Hopkins bekommt auf dem Papier zwar eine oberflächlichere und etwas überzeichnete Version seines Hannibals, geht aber wie gewohnt in der Rolle auf und führt die Figur des Doktors zu einem wie ich finde würdigen Abschluss (Abschluss wenn man die Filme wie ich in der Chronologie der Romane schaut). Julianne Moore halte ich für die bessere Starling als Foster; ihr nimmt man ab dass sie eine autonome und starke Agentin ist. Bei Oldman - wandlungsfähig wie eh und je - ist es, wie hier im Forum erst kürzlich wieder diskutiert, die Synchronstimme, die ihn zum Kasper macht, und nicht die an sich ganz gelungene Maske. Liotta mag ich sehr gerne, obgleich er den guten Paul noch etwas ignoranter und selbstgefälliger hätte anlegen können. Und Giannini ist geradezu prädestiniert für den Part des Inspektors Pazzi, ausserdem ist seine letzte Szene mit Lecter toll aufgebaut und ansehnlich gefilmt.

8 / 10
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Re: Der Hannibal Lecter Thread

29
GoldenProjectile hat geschrieben:Auf DVD - Hannibal (2001)
Drehbuch: Steven Zaillian & David Mamet
Regie: Ridley Scott
Darsteller: Anthony Hopkins, Julianne Moore, Ray Liotta, Giancarlo Giannini, Gary Oldman, Frankie Faison


Natürlich habe ich nach der Lektüre des teilweise befremdlichen aber durchaus interessanten Abschlusses der Thomas-Harris-Reihe (bis jetzt noch ohne Hannibal Rising) auch den Filmgenuss nicht versäumt. Und was soll ich sagen, ich bin in Summe durchaus sehr zufrieden mit Ridley Scotts Version des Stoffes. Die zwei Stunden vergehen praktisch ohne Längen, lediglich wenn wir den Charakteren bei ihren Computerrecherchen über die Schulter blicken gerät das ansonsten sehr angenehme Tempo ein wenig ins Stocken. Scotts Regie bewährt sich insbesondere bei den Szenen in Florenz; die Stadt wirkt mit ihrem kultivierten Charme sehr atmosphärisch und von den edlen Sälen, Bibliotheken und Palästen profitiert der Film, kongenial unterstützt von Zimmers für ihn unkonventionellen und irgendwie beängstigenden Klängen. In diesem Teil ist auch die Ausführlichkeit der Szenen beachtlich, dafür wird beim Übergang von Florenz zum Finale keine wirkliche Geschichte erzeugt und die Vorgänge im Buch komplett durch ein Telefonat ersetzt. Auch der eigentliche Showdown ist ein wenig zu knapp geraten, wenn auch Vergers Ende durchaus nett aber irgendwie etwas erzwungen ist.

Der bizarre Nachklapp am Ende der Story ist Scott und seinen beiden Autoren hingegen besser, glaubwürdiger und nachvollziehbarer gelungen als Thomas Harris. Das groteske Mahl ist visuell prächtig inszeniert, verzaubernd und verstörend zugleich, exzellent musiziert und zudem fantastisch gespielt von Liotta. Und das Verhalten der Charaktere wirkt schlüssiger und letztendlich spannender.

Anthony Hopkins bekommt auf dem Papier zwar eine oberflächlichere und etwas überzeichnete Version seines Hannibals, geht aber wie gewohnt in der Rolle auf und führt die Figur des Doktors zu einem wie ich finde würdigen Abschluss (Abschluss wenn man die Filme wie ich in der Chronologie der Romane schaut). Julianne Moore halte ich für die bessere Starling als Foster; ihr nimmt man ab dass sie eine autonome und starke Agentin ist. Bei Oldman - wandlungsfähig wie eh und je - ist es, wie hier im Forum erst kürzlich wieder diskutiert, die Synchronstimme, die ihn zum Kasper macht, und nicht die an sich ganz gelungene Maske. Liotta mag ich sehr gerne, obgleich er den guten Paul noch etwas ignoranter und selbstgefälliger hätte anlegen können. Und Giannini ist geradezu prädestiniert für den Part des Inspektors Pazzi, ausserdem ist seine letzte Szene mit Lecter toll aufgebaut und ansehnlich gefilmt.

8 / 10

Schöne Kritik! Ich stimme nahezu in allen Punkten mit dir überein, sehe den Film aber in Summe noch etwas positiver. Zunächst finde ich es bemerkenswert, wie absolut eigenständig Scotts Film verglichen mit dem Vorgänger von Demme ist. Ich denke nicht viele Regisseure hätten sich derart konsequent von einem solch gefeierten Vorgängerfilm entfernt und ihre eigene Vision verfolgt. Die Szenen in Florenz sind ein einziger Genuss, hier gelingt es Scott perfekt die Stimmung der Stadt einzufangen. Die Szenen haben etwas von einem Traum und spiegeln damit sehr gut die Tatsache wieder, dass es sich hierbei um eine Parallelwelt handelt die sich Lecter auf seiner Flucht geschaffen hat. Schauspielerisch ist Hannibal absolut ebenbürtig mit Vorgänger und Nachfolger, Hopkins hat noch mehr Raum seine Figur zu entwickeln. Oberflächlicher finde ich seine Darstellung hier übrigens nicht. Moore ist für mich ebenbürtig mit Foster, ein Vergleich fällt allerdings schwer da die Figur deutlich anders angelegt ist. Starling ist rund 10 Jahre älter und in ihrem Job wesentlich erfahrener und selbstbewusster. Von Fosters etwas "verhuschter" Darstellung ist entprechend auch nicht viel übrig geblieben, was aber in Anbetracht von Starlings Job eine mehr als logische Konsequenz ist. Daher sehe ich es auch nicht als Nachteil von Fosters Darstellung, das sie nicht wirklich eine autonome und starke Agentin ist - sie ist schliesslich noch sehr jung und erst in der Ausbildung. Oldman ist fabelhaft - allerdings nur im Original - da er hier enorm viel und effektiv mit seiner Stimme arbeitet (wie übrigens auch Hopkins im Original eine deutlich stärkere Wirkung erzielt, trotz Kerzels guter Darbietung). Liotta und vor allem der tolle Giannini runden die starke Besetzung ab. Zimmers Musik ist - gerade auch da sie im Oevre des Komponisten eine ziemliche stilistische Ausnahmestellung einnimmt - ein Genuss und wie du schon schriebst eine kongeniale Ergänzung zu Scotts edler optischer Gestaltung der Szenen. Hannibal ist ein Film, der im Laufe der Jahre bei mir immer stärkeren Eindruck hinterlassen hat und in den ich mich erst "hineinschauen" musste. Dafür belohnt er mich aber auch bei jeder weiteren Sichtung mit neuen Details und wirkt auch heute über ein Jahrzehnt nach Erstsichtung immer noch frisch und spannend auf mich.
Macht summasummarum 9 / 10.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Der Hannibal Lecter Thread

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@ Anatol

Danke für das Lob! Ja, der Film ist wahrlich gelungen und hat mir zusammen mit Alien gezeigt, dass es sich lohnen würde, meine riesigen Lücken in Scotts Werk bei Gelegenheit etwas aufzuarbeiten. Zuvor habe ich nur Black Hawk Down gekannt, bzw. einen grossen Teil davon. War damals mitten in der Nacht mit der Clique, trotzdem konnte ich nichts damit anfangen. Liegt aber auch daran, dass ich weder die meisten Ami-Kriegsfilme noch Josh Hartnett wirklich mag.

Die visuelle Arbeit ist schön, natürlich bietet die Geschichte bzw. der Schauplatz Florenz auch mehr Möglichkeiten für malerische Opulenz als die an der Ostküste angesiedelten Serienkiller-Krimis. Dabei kommen auch Lecters Lebensstil und seine Kultiviertheit grandios zum Zuge. Übrigens hat Ratner in seinem Prolog wie ich finde eine tolle Hommage an diesen Stil, bwz. diese edle Ausstattung und Optik gedreht. Und dann natürlich Hopkins und Giannini vor dem projizierten Bild des gehängten Pazzi nach des Doktors Vorlesung. Vorbildlich in Sachen Spannungsaufbau und Bildgestaltung und wohl die zweitbeste Szene des Films. Die beste? Das grässliche Festmahl zu Ende im Medikamentenwahn von Starling und Krendler. Diese gesamte Sequenz ist einfach brillant gefilmt und Liotta zeigt sein gesamtes Können. In meinen Augen überbietet er hier alles, was er in Revolver gezeigt hat.

Und ja, Zimmers Musik ist wahrlich ungewöhnlich für ihn. Wenn ich an Zimmer denke denke ich an die pompösen, markanten Klänge in Pirates of the Caribbean oder The Dark Knight, die ich ebenfalls sehr schätze. Sein Score zu Hannibal ist viel subtiler und unheilvoller. Für mich die beste Musik in der Reihe - dicht gefolgt von Elfmans Arbeit.
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