Ich sitze größtenteils mit euch in einem Boot. Da ihr den Vergleich zu "1917" und "Dunkirk" (den ich in meiner Kritik auch bemühte) schon angestellt habt, hierzu aber noch eine Ergänzung: Bei direkter Gegenüberstellung denke ich schon, dass "Im Westen nichts Neues" diese beiden Filme darin übertrifft, das visuelle Erfahren des Krieges in den Mittelpunkt zu stellen. Die Anfangsszene etwa, mit der Uniform, die an den nächsten Soldaten weiter "vererbt" wird, fand ich in ihrer Schlichtheit ziemlich klasse und dachte: "Ui, das könnte ja echt ein kleiner Knaller werden." Das wurde es nicht, trotzdem kommt hier das Grauen des Krieges für mich mehr und intensiver rüber als in den Vergleichsfilmen, die ich eher als Heldenreisen und -verklärungen empfand. Vodka hat in seinem Text recht, dass der historische Plot um Herrn Brühl von diesem Ansatz der subjektiven Soldatenperspektive eher ablenkt und davon wegführt, grundsätzlich mochte ich den Ansatz aber, die "Ursprünge" der Dolchstoßlegende miteinzuweben.
Bis auf diese Anmerkungen bin ich aber bei euch, gerade als großer, großer Bewunderer der Romanvorlage und des Originalfilms von 1930. Den habe ich erst vor Kurzem angesichts des neuen Teils nochmal angeschaut, und bin immer wieder von den Socken, wie unfassbar gut der gealtert ist, wie modern die Inszenierung angesichts ihres Jahrgangs in weiten Teilen noch wirkt, wie erschreckend dessen Wirkung noch ist. Das Buch habe ich in der Schulzeit gelesen und es gehört zu diesen Büchern, die einen prägenden, lange nachhallenden Eindruck hinterlassen haben. Leider scheint der Berger das Buch nie gelesen zu haben, zumindest gemocht haben kann er es wohl nicht. Anders sind seine schockierend gravierenden Abweichungen, die teils die Essenz von Remarque gänzlich ad absurdum führen, nicht zu erklären. Den Heimaturlaub auszusparen habe ich direkt als Dummheit empfunden (zumal kein entsprechendes dramaturgisches Äquivalent folgt) und der finale Akt ist so sinnfrei herbeigeschustert – eine Schande!
Der Roman hat eines der großartigsten Enden, das ich je gelesen habe – und ohne dieses Ende ergibt der Titel keinen Sinn mehr (was schon ein starkes Stück ist!). Mit dem Stoff Unerfahrene können sich hinterher zurecht fragen, was "Im Westen nichts Neues" eigentlich heißen soll. Übrigens. Trotz meiner Bewunderung für den Roman finde ich, dass dieses geniale Ende in der 1930er-Verfilmung sogar noch genialer ist. Die Schmetterlingsszene ist so ein ganz besonderer Magic Moment, das Finale der Netflix-Version dafür typisch Hollywood.
Re: Das Kriegsfilm-Genre: Empfehlungen, Geheimtipps und Reviews
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Let the sheep out, kid.
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