Forum vergisst nixCasino Hille hat geschrieben: 6. August 2020 14:56 Hat ja auch nur... 5 Jahre gedauert? 6 Jahre? Wer weiß das schon?

AnatolGogol hat geschrieben: 28. Dezember 2015 14:15Nichts anderes habe ich von dir als Ehrenmann erwartet.Casino Hille hat geschrieben:Wettschulden sind Ehrenschulden. Ich werde tun, was mir auferlegt wird.AnatolGogol hat geschrieben:Also Hille, bist du bereit deine Wettschuld einzulösen?
Ich habe mir durchaus meinen Kopf darüber zerbrochen, welchen Film ich dir "auferlegen" soll. Zunächst hatte ich ein paar eher obskure Genre-Filme im Sinn, angesichts deines Talents Filmen sehr detailliert auf den Grund zu gehen habe ich mich dann aber doch für etwas gehaltvolleres entschieden. Daher würde ich mich freuen, wenn du Michael Ciminos Heaven´s Gate die bekannte Hillesche Review-Behandlung zukommen lassen und damit gleichzeitig auch etwas Glanz in meinen Cimino-Thread bringen würdest.
Danke fürs Auf-die-Sprünge-helfen, da habe ich tatsächlich in allzu einfachen Kategorien gedacht. Was du schreibst ergibt vollständig Sinn, denn wenn man die Begriffe Protagonist und Antagonist als dramaturgische Gegenspieler jenseits einer eindeutigen Gut/Böse-Trennung bergeift, dann wäre Waterstons Figur zu schwach, um als echter Anatgonist zu gelten. Die charakterliche Dynamik ergibt sich bei HG ja in erster Linie zwischen Kristofferson-Walken-Huppert, Waterston und auch Hurt stehen da eher in der zweiten Reihe und sorgen für weitere charakterliche und dramaturgische Reichhaltigkeit.Casino Hille hat geschrieben: 6. August 2020 14:56 Deine Ausführungen sind sicherlich insofern richtig, als dass sich Walkens Charakter nicht als Bösewicht oder Schurkenfigur sehen lässt, auch wenn er mit voller Absicht seitens Cimino als solcher eingeführt wird. Insbesondere der spätere Umgang mit Ned Champion macht – wie du auch schreibst – deutlich, dass Cimino an einer klassischen Gut-/Böse-Zeichnung kaum interessiert ist. Ich sehe den Begriff Antagonist aber nicht unbedingt synonym mit dem Begriff "Schurke" oder "Bösewicht". Ein Antagonist ist für mich erstmal einfach die narrativ entgegen gesetzte Kraft zum Protagonisten (der auch kein Held, nicht mal eine positive Figur sein muss, sondern lediglich der Handlungsträger). Und eine genau solche Figur ist Ned Champion für mich dann doch fraglos, auch wenn er charakterlich im Lauf der Handlung ordentlich Profil gewinnt.
Klar, im Nachhinein ist man immer schlauer und was deiner Einschätzung auch recht gibt ist die Tatsache, dass die UA-Führung gegen Kristofferson nichts einzuwenden hatte, gegen Huppert aber dagegen allerschwerstes Geschütz aufgefahren hat. Und in diesem Kampf ging man gegen den bockigen Cimino dann hoffnungslos unter – was so etwas wie die Initialzündung aller weiteren Ereignisse war.Casino Hille hat geschrieben: 6. August 2020 14:56 Interessante Einschätzung. Vielleicht fehlt es mir etwas an Hintergrundwissen, um da eine entsprechende Gegenantwort zu starten, aber ich würde schon behaupten, dass "Heaven's Gate" kommerziell keine so schlechten Vorzeichen hatte – von den desaströsen Budget-Überziehungen mal abgesehen. Kristofferson war in der Tat ein Star zum damaligen Zeitpunkt, der beim Publikum zünden konnte und zumindest damals anno 1980 konnte man nicht unbedingt absehen, dass er in dieser Rolle für das Massenpublikum nicht denselben Reiz ausüben konnte, Christopher Walken war durch den Oscar-Gewinn nach "Die durch die Hölle gehen" auf einem Karriere-Höhepunkt – und Michael Cimino hätte als Name damals auch noch deutlich mehr ziehen können als gedacht. Deine Einschätzung ist im Nachhinein sicherlich die historische Teil-Erklärung des kommerziellen Misserfolgs, aber nicht alle diese Vorzeichen waren 1980 so absehbar (negativ).
Ich möchte den Punkt, ob HG überhaupt eine echte kommerzielle Chance hatte mal versuchen etwas tiefer zu beleuchten. Das vollständige Scheitern von HG an der Kinokasse ist untrennbar verbunden mit der „Kreuzigung“ des Films durch die versammelte Kritikerelite Hollywoods nach der Premiere im November 1980. Der Film lief im Anschluß wenige Tage in der dreieinhalb-Stunden-Fassung, bevor ihn UA auf Wunsch von Cimino aufgrund der in dieser Massivität beispiellosen negativen Berichterstattung aus dem Verleih nahm, damit Cimino ihn neu schneiden konnte. Allerspätestens hier war der Film kommerziell verbrannt, da die ein halbes Jahr später nachgereichte zweieinhalb-Stunden-Fassung bereits mit dem Makel des qualitativen Fiaskos ins Rennen ging und so zum (erneuten) Scheitern verurteilt war. Streng genommen war der Fall aber bereits nach der Premiere verloren, da die paar Tage Boxoffice der Originalfassung bereits katastrophal liefen unter dem Eindruck des Kritiker-Bashings.
Hier stellt sich die Frage, warum die Kritiker so heftig auf den Film reagierten und noch dazu auf eben jene Fassung, die heute gemeinhin als künstlerisch äusserst amitionierter und wertvoller Film angesehen wird. Ein wichtiger Punkt hierbei ist sicherlich, dass HG die perfekte Gelegenheit war mit den Auswüchsen des New Hollywood abzurechnen. Praktisch alle Wunderkinder des New Hollywood mussten gegen Ende der 70er heftige kommerzielle und teilweise auch kritische Rückschläge hinnehmen, welche nicht zuletzt auch durch egomanisches und wenn man so will grössenwahnsinniges Handeln der Regisseure bedingt war. Auch das grösste Wunderkind, Coppola, war mit Apo Now auf dem besten Wege die gleiche Bauchlandung hinzulegen, bekam aber überraschenderweise dann doch noch die Kurve (nur um zwei Jahre später mit „One from the Heart“ dann aber doch grandios abzustürzen). Warum eigentlich? Denn nach der Papierform ähneln sich Apo Now und HG in erstaunlichem Maße: beides eher sperrige Filme mit wenig massenkompatiblen Inhalten, beide Filme erwarben sich bereits während laufender Produktion Berüchtigkeit durch diverse produktionstechnische Exzesse und Katastrophen. Hier wie da schwang ein egomanischer Regisseur das Zepter, der sich von niemanden reinreden liess – und schon gar nicht von der Presse. Und in beiden Fällen wurde massenhaft Geld „verbrannt“ für die Erfüllung der Vision des Regisseurs. Warum zum Teufel also wurde nicht bereits Apo Now zum finalen Sargnagel des New Hollywood?
Der Hauptgrund war vermutlich die deutlich clevere VÖ-Politik bei Apo Now. Denn statt den Film in Hollywood einer bereits die Messer wetzenden Kritikerherde uraufzuführen wählte man stattdessen den Weg zum Filmfestival Cannes, bei welchem der Film geradezu hymnisch aufgenommen wurde. Wie wir spätestens seit Tarantino wissen: „In Frankreich wissen wir die Regsseure zu schätzen“, das gemeinhin als besonders künstlerisch-affin geltende Croissette-Publikum erwies sich als das perfekte Sprungbrett für den Film, welcher mit solchen Vorschuß-Lorbeeren dann auch beim eigentlichen Kinostart Monate später sich kommerziell behaupten konnte. Im Gegensatz dazu musste HG mit der Bürde der kritischen Vernichtung ins Boxoffice-Rennen gehen und ging entsprechend unter. Ein weiterer Punkt, warum die Kritik gegenüber dem fraglos auch nicht weniger exzessiv und manisch agierenden Coppola dann doch ein bisschen mehr Gnade walten liess war vermutlich auch, dass er im Gegensatz zu Kollege Cimino nicht nur „das Geld anderer Leute“ mit vollen Händen rauswarf, sondern auch seine eigene finanzielle Existenz aufs Spiel setzte, da er zur Aufrechterhaltung der sündhaft teuren Produktion auf den Philippinen im wahrsten Sinne des Wortes Haus und Hof verpfändete. Der bereits erwähnte Star-Faktor von Brando mag ein weiterer Grund für den kommerziellen Erfolg von Apo Now gewesen. Und letztlich trug genau dieser Erfolg auch dazu bei, dass nachdem Coppola gerade so nochmal davon gekommen war (trotz all der Exzesse) man es Cimino und seinen Film dann doppelt und dreifach hat spüren lassen, dass die Zeit der ausschweifenden Regieeskapaden des New Hollywood endgültig vorbei war – die Anstaltsleitung nahm den Irren das Zepter nach einem Jahrzehnt wieder aus der Hand.
Soweit die Fakten und der Versuch, das Scheitern von HG nachzuvollziehen. Bleibt die Frage: war dieses Scheitern tatsächlich unausweichlich? Ich behaupte ja, zumindest in der tatsächlichen Produktionskonstellation. Das von Arthur Krim geleitete UA hatte sich bis Mitte der 70er Jahre quasi als Hort der Glückseligkeit für Filmemacher und Stars etabliert und genoss vor allem auch in der kritischen Rezeption allerhöchste Anerkennung. Nicht umsonst gewann man mit Einer folg über das Kuckucksnest, Rocky und Annie Hall dreimal in Folge den Oscar für den besten Film. All das endete mit der Übernahme von UA durch den Versicherungskonzern Transamerica, welcher vor allem drastische Veränderungen in der Entscheidungshoheit von UA mit sich brachte. Arthur Krim war nicht gewillt in dieser für ihn inakzeptabelen Situation weiter für das Studio zuarbeiten und verliess das Unternehmen mit seiner gesamten Führungscrew, um daraufhin Orion Pictures zu gründen. Nicht nur das, der Abschied von Krim sorgte auch dafür, dass ein Grossteil der namhaften Stars und Filmemacher UA den Rücken zuwandten, um stattdessen künftig lieber zusammen weiter mit Krim zu arbeiten. Transamerica hatte also das erfolgreichste Filmstudio gekauft, nur um Monate später nur noch einen Trümmerhaufen zu besitzen. Um dies zu beheben wurden zwei - auch für den weiteren Verlauf von HG elementare – Entscheidungen getroffen: die vakanten Führungspositionen wurden intern durch Executives der zweiten Reihe mit wenig bis keiner echter Produktionserfahrung ersetzt und um der negativen Berichterstattung rund um den Abgang Krims entgegenzuwirken wollte man mit allen Mitteln Prestigeprojekte auf den Weg bringen. Und genau in dieser Gemengelage nahm das produktionstechnische und kommerzielle HG-Fiasko seinen Lauf.
Ciminos Deer Hunter war zwar noch nicht einmal offiziell gestartet, war aber innerhalb der Filmindustrie bereits der heisseste Tipp auf das nächste große Ding. Auch UA war begeistert von dem Film und wollte unbedingt ein Prestigeprojekt mit Cimino auf den Weg bringen. Cimino machte den Deal mit UA, um sein langjähriges Wunschprojekt um den Johnson County War zu verfilmen. Das zunächst ausgegebene Budget war nur eine Zahl auf dem Papier, welche von beiden Seiten von Anfang an nur als Ausgangspunkt angesehen wurde. Cimino merkte rasch (wenn er es nicht eh von Anfang an gewusst hatte), dass das für die Produktion verantwortliche UA-Management weder über die notwendige Erfahrung verfügte, noch wirklich entscheidungsstark war. Dies nutzte er weidlich aus und setzte praktisch alle seine Ideen kompromislos um. Alle Vermittlungsversuche scheiterten monatelang, bis auch die Presse von dem völlig aus dem Ruder laufenden Dreh Wind kam. UA musste nun handeln und setzte CImino die Pistole auf die Brust und drohte damit, ihm den Final Cut zu entziehen sowie das Recht auf den Dreh von Pro- und Epilog. Nach langem Hin und Her gab Cimino dann doch bei und dreht den Rest des Films weitgehend nach Drehplan. Was folgte war ein endloser, schmerzhafter Schnittprozess, bei welchem Cimino ein dreiviertel Jahr rund um die Uhr versuchte aus den Unmengen an gedrehtem Material seine Vision zu destillieren. Das Endresultat war die bekannte dreieinhalb Stunden Fassung und den Rest der Geschichte kennen wir bereits.
Wenn man all dies in Betracht zieht, dann kann man tatsächlich zu dem Schluß kommen, dass es weniger inhaltliche Probleme waren, die den Film floppen liessen als mehr die Begleitumstände. Die Kritik watschte HG in erster Linie für seine exzessive Enstehungsgeschichte ab, die angebrachte inhaltliche Kritik diente eher als Vorwand für eine lange geplante Generalabrechnung mit dem Film und einer ganzen Epoche/ Generation an Filmemachern. Die Tatsache, dass der Film heute praktisch komplett konträr wahrgenommen wird bekräfttigt diese These. Von daher: unter dem neuen UA-Management war HG zum Scheitern verurteilt. Das ganze Szenario hat schon die Ausmaße einer klassischen Tragödie, in welcher die Götter von Anfang an den Lauf der Ereignisse festgelegt haben, vor denen es kein entrinnen gibt. Jedoch sehe ich auch eine gute Chance, dass HG in seiner bekannten Form durchaus kommerziell gut hätte laufen können, wenn die Geschichte um Transamerica und Arthur Krim anders gelaufen wäre. Nicht unmöglich, dass ohne die Übernahme von UA durch den Versicherungskonzern und unter der bewährten Führung von Arthur Krim HG am Ende gute Einspielergebnisse erzielt hätte und vielleicht sogar das Rennen um einen weiteren Goldjungen gemacht hätte. Aber wie sagte schon Lothar Matthäus so treffend: „Wäre, wäre, Fahrradkette“.

Mache ich gerne, aber wie geht das?Samedi hat geschrieben: 6. August 2020 23:53 @Anatol (oder Hille):
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