Re: Die Zeit nach MR - Richtungswechsel oder alles beim Alte

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danielcc hat geschrieben:Ich würde die Erdung nicht nur ggü den beiden direkten Vorgängern sehen. Auch im Vergleich zu TMWTGG, LALD oder natürlich der Spectre Quadrologie ist das für mich offensichtlich.
Das ist es für mich nicht. Gerade TMWTGG ist für mich eigentlich deutlich geerdeter. Was nicht positiv gemeint ist. Mag sein, dass der eigentliche Auftrag in TMWTGG etwas "größer" ist, doch da diese Mission komplett in den Hintergrund gerückt wird, spielt das für mich keine Rolle. An großartige Gadgets kann ich mich in TMWTGG auch nicht erinnern, irgendetwas spektakuläres war da nicht dabei, oder irre ich mich da? Die Verfolgungsjagd in TMWTGG ist abgesehen von dem "Schraubensprung" eher weniger spektakulär als die Skiverfolgung in FYEO.

Bei OHMSS kann ich auch kaum etwas sehen, was da abgehobener sein soll. Gut, Blofeld will die Erde mit einem Virus bedrohen, dass ist schon ne Nummer größer. Doch Bonds Mission ist es nicht, das zu verhindern, sondern Blofeld einfach zu fassen, ganz egal was der gerade vorhat. Die Virusstory wurde nur hinzugefügt, um das ganze etwas dramatischer zu gestalten, ist letztendlich aber völlig belanglos, weil sie an Bonds Auftrag überhaupt nichts ändert. Und auch ansonsten gibt es nichts, was an OHMSS wirklich over the top ist. Keine Gadgets, zumindest keine in Aktion, wenn ich mich nicht irre, keine vollkommen übertriebenen Actionszenen, stattdessen auch noch richtige Recherchearbeit auf Seiten Bonds.
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Re: Die Zeit nach MR - Richtungswechsel oder alles beim Alte

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dernamenlose hat geschrieben:
Bei OHMSS kann ich auch kaum etwas sehen, was da abgehobener sein soll. Gut, Blofeld will die Erde mit einem Virus bedrohen, dass ist schon ne Nummer größer. Doch Bonds Mission ist es nicht, das zu verhindern, sondern Blofeld einfach zu fassen, ganz egal was der gerade vorhat. Die Virusstory wurde nur hinzugefügt, um das ganze etwas dramatischer zu gestalten, ist letztendlich aber völlig belanglos, weil sie an Bonds Auftrag überhaupt nichts ändert.
Ein klassischer "MacGuffin" eben. ;-)
#London2025

"Wo man lacht, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen lachen immer wieder."

Re: Die Zeit nach MR - Richtungswechsel oder alles beim Alte

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Leute, da gehts ja heiß her ;-)
Wir müssen akzeptieren lernen, dass zwei Leute dasselbe subjektiv völlig verschieden wahrnehmen können. Auch ich bin einer der wenigen, die DAF in meine Top5 des Bondrankings platzieren ...

DonRedhorse trifft es nach meinem Empfinden auf den Punkt: Zwischen TMWTGG und TSWLM ist ein Umbruch zu erkennen. Ich sehe in der Bondreihe übrigens mehrere solcher Brüche

1. nach TB - hier wird erstmals davon Abstand genommen, Fleming-Romane zu verfilmen (fortwährend wurden lediglich die Romantitel und einzelne Elemente der Romane übernommen - Ausnahme: OHMSS)
2. nach OHMSS - hier wurden vermehrt Elemente aus amerikanischen Filmen aufgegriffen und Bond war vermehrt in den USA (womöglich wollte man Bond vermehrt dem amerikanischen Zuschauer nahebringen?
3. nach TMWTGG - der Comedy-Bond aus DAF und TMWTGG hat ausgedient, nun wurden Meer und Weltall erobert ;-)
4. nach MR - Starwars und größenwahnsinnige Weltvernichter nebst irrealem Beißer wurden wieder abgeschüttelt und Bond wendet sich fortan bodenständigeren Problemen zu
5. nach AVTAK - Beendigung der Ära "Quasselbond": Die Roger-Moore-Ära, die viele herrliche Dialoge und viel viel Humor enthielt (manchmal auch ein wenig zu viel) ging zu Ende. Ich glaube, kein Bond hat soviel (mit seinen Gegenspielern) gelabert wie Roger Moore ;-)
Man könnte hier sogar die Zäsur vom klassischen Bond zum modernen Bond sehen, ich setze sie aber nach den Dalton Filmen
6. nach LTK - Zäsur von den Bond-Klassikern hin zu dem modernen Bond
7. nach DAD - Ende des Action-Bonds
8. seit CR - die Story von James Bond

Habe ich was vergessen? Letztlich halte ich die entscheidendste Zäsur nach Timothy Dalton, aber auch die Zäsur nach Pierce Brosnan finde ich sehr bedeutsam.

Nun zur Frage, ob es nach MR einen Richtungswechsel gab. Ich finde schon. Bonds Einsätze verloren immer mehr an Bodenhaftung, thematisierten Weltuntergangsszenarien (bzw. Weltvernichtungsszenarien) und führten letztlich bei MR sogar ins Weltall. Dann kam FYEO, bei dem es sich um einen soliden Agentenfilm handelte (ähnlich wie FRWL oder TB). Größenwahnsinnige Superschurken á la Auric Goldfinger, Karl Stromberg oder Hugo Drax hatten ausgedient. Stattdessen stand der Erwerb des ATAC-Systems im Mittelpunkt (ähnlich wie die Lector in FRWL), nicht das Verhindern des Vernichtens der gesamten Menschheit. Also ja, ein solider Agentenfilm. Zugleich aber bleibt der Roger-Moore-Humor erhalten (alles andere würde zu Roger Moores Interpretation von James Bond auch nicht passen). Ich denke hier nur an die herrlich-witzige Verfolgungsjagd in der Ente. Ob nun Bibi hätte sein müssen, lasse ich an dieser Stelle mal unkommentiert.

Genau an dieser Stelle, so verstehe ich die Diskussion, kommt es auch zu unterschiedlichen Ansichten. Einige sagen, comedyhafte Elemente sind doch noch immer enthalten. Andere wiederum erkennen, dass die Hintergrundthematik nach einem Weltraumaufenthalt wieder mehr an BODENHAFTUNG :mrgreen: gewonnen hat. Ich persönlich sehe hier einen Richtungswechsel, da ich die letztgenannte Tatsache für nicht unbedeutend halte. Übrigens bleibt die Hintergrundgeschichte von OP auch relativ solide, wenngleich der bekannte Moore-Humor hier (für manchen fast schon ins Unerträgliche) gesteigert wurde. Mir gefällt OP sehr gut, aber der Film ist zweifelsohne Roger Moores DAF ;-) Also gut: Von der Story bleibt auch OP solide und entspricht dem Richtungswechsel, zugleich aber mit viel mehr Moore-Humor als FYEO (es wurde also ein Schritt zurück gewagt).

AVTAK bleibt von der Thematik solide, ebenso die beiden Dalton-Streifen. Ich hätte mir übrigens AVTAK sehr gut als ersten Dalton-Film vorstellen können. Von der Story und der Umsetzung (auch von der Brutalität) hätte dies gepasst. Aber das ist nun sehr subjektiv.

Die Brosnan-Filme entwickelten sich schließlich wieder vermehrt hin zum irrealen Bond (zwar anders, als in TSWLM oder MR, aber dennoch irreal - besonders DAD). Dann kam der fulminante Bruch und wir erleben gerade den sehr bodenständigen Craig-Bond, der uns zeigt, welcher Mensch und welche Geschichte hinter James Bond steht.
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Re: Die Zeit nach MR - Richtungswechsel oder alles beim Alte

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Schöner Beitrag. Stimme dir auch zu, dass es nicht nur FYEO ist sondern eigentlich zu einem gewissen stückweit alle Glen Filme bis hin zu LTK die diesen Stil haben.
Ja kleinere Anpassungen der Richtung und in der Umsetzung gibt es darüber hinaus bei Bond immer wieder. Manchmal ist das bewusst, manchmal eher unbewusst, und oft sind es einfach die Leute hinter der Kamera die andere Schwerpunkte gesetzt haben oder einen anderen Stil pflegten. Nicht von ungefähr ist es ja FYEO, der wohl den heftigsten Crew-Wechsel hatte: Kein Ken Adam, kein John Barry, erstmals John Glen hinter der Kamera und man wollte bewusst die fantastischen Storys von Christopher Wood nicht mehr so dass erstmals auch MG Wilson am Drehbuch schrieb.
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