2
von GoldenEagle
Agent
Die stilistische Veränderung ist zunächst in dem jeweiligen Charakter und dessen Aussehen begründet.
Moore ist mehr der aristokratische, ironische Charakter, der Eleganz ausstrahlt, wie es bspw. Dalton so nicht könnte.
Bei einem Bonddarsteller wird das Äußere hoch gewichtet, was auch eine entsprechende Verhaltensweise verbindet. Moore würde ich den knallharten Killertyp und einem damit verbundenen Instinkt nicht wirklich abnehmen. Dalton schon eher.
Brosnan strahlt eine andere Eleganz als Moore aus, lässt aber durch seine, manchmal "weichere" und zudem schönere Ausstrahlung ein Töten konstruierter, stellenweise unglaubwürdiger erscheinen, obwohl er andererseits aus sich herauszugehen scheint und damit dem alles gelingenden Filmhelden die notwendige Glaubwürdigkeit eines Agenten mit der Lizenz zum Töten verleiht. Brosnan versteht es, die Haltung Bonds gegenüber dem Bösen umzusetzen: Ein Gegner muss dann legitim sterben, wenn Bond erkennt, dass es wirklich nicht anders geht. Leidet Bond, besonders unter körperlichen Schmerzen, wird auch der Charakter Brosnan ernsthafter, der Schönling ist zwar nach wie vor gut anzusehen, beginnt aber in der besonderen Situation aus sich herauszugehen, womit er selbst das Publikum in eine verständliche und gefühlsmäßig nachvollziehbare Situation versetzt und von sich überzeugt. Was vorher konstruierter wirkt, ist nun packender, schneller und suggeriert Spannung (Es wird für den Schönling unbequem und gefährlich. Er muss handeln. Wird er es schaffen? - Ein Restzweifel ist doppeldeutig und für den Verlauf der Handlung sinnvoll vorhanden).
Und Craig?
Craig sieht gut aus, wirkt aber nicht, als müsse er jemanden überzeugen, dass er den Abzug im entscheidenen Moment zögerlich bediente. Es hat eher den Anschein, als würde er diesen etwas schneller ziehen, als alle anderen Bonddarsteller zusammen (ungeachtet dessen, dass er in CR noch am Anfang seiner Karriere steht und teilweise weniger routiniert und mit mehr Selbstzweifel behaftet ist, als der spätere Bondcharakter).
Durch die vielen vormals unterschiedlichen Darstellungsweisen, hebt sich Craigs Bond durch eine rauhere, kühlere und manchmal durch eine Art ab, die altbekanntes in sich ironisch betrachtet. Bestes Beispiel ist die Frage nach der Zubereitung seines (altbekannten) Getränks, was er lapidar mit "Sehe ich so aus, als ob mich das interessiert", beantwortet. Spätestens jetzt merkt man die Andersartigkeit und was dem Publikum in diesem Moment zwar ein Gelächter entlockt, aber durch die Verwunderung auch etwas aufstoßen lässt, wie ein zu schnell konsumierter Martini.
Craig müsste, vergleichsweise zu Brosnan, das Publikum überzeugen, dass er auch im Stande ist, Gefühle zu zeigen. Ein Rohling, der nur durch die Wand geht, wäre auf Dauer kein sinnvoller Bond. Wie uns alle, prägt uns das Leben.
Das hervorragende an dem Charakter, wie Craig ihn verkörpert, ist die Art, wie ein Charakter durch die gegebenen Situationen geschliffen wird und ihn sogar menschlicher und sympathischer erscheinen lässt. Ebenfalls wie Brosnan wird er gezielter, überzeugender, jedoch zu Brosnan absolut konträr. Brosnan wird vom Schönling zu einem überzeugenden, handelnden Killer, Craig von einem überzeugenden Killer zu einem Mensch mit sympathischen, "schönen" Eigenschaften (Gefühle zeigen, gezielt ernsthafter, menschlicher, vernünftiger, selbstreflektierter, aber dennoch gefährlich...).
Manchmal wirkt es so, als müsse er als Mann, der seine Gefühle erkennt, erst damit zurecht kommen, auch seine Kräfte entscheidend zu kontrollieren. Rache lässt ihn fühlen, aber ihn auch kraftvoll um sich schlagen, womit er erst lernen muss, diese sinnvoll in Einklang zu bringen. Dieses traut man ihm aber zu, was ebenfalls für den nächsten Teil von "QoS" entscheidend ist.
Diese "Schwäche" die Bond (durch-) lebt, ist treffend über eine verwundbare Stelle realisiert worden - die Beziehung zu einer Frau. Das regt aber auch seine Selbstfindung an, was sich nachhaltig positiv auswirken dürfte.
Auch wirkt er zunächst egoistisch, ungehobelter, was man an dem Einbruch in Ms Wohnung sieht. Er lernt, was es heißt, in seine Schranken gewiesen zu werden, was er weder gewöhnt ist, noch für möglich hält (dennoch ein Vertrauen oder Respekt zu einer ihm vorgesetzten Person entwickelt und hierdurch lernt).
Craig ist vielseitig und trifft wohl auch den Zeitgeist. Er stahlt eine "Coolness" aus, eine Härte, sieht dazu jedoch gut aus und ist lernfähig. Er ist nicht der plumpe Schläger und Mörder, sondern der sich entwickelnde immer intelligenter werdende Agent, mit dem man mitleiden, mitfühlen kann und dennoch den heutigen notwendigen Anteil an Action erleben kann.
Gefühle bei Männern sind ohnehin im sozialwissenschaftlichen Gespräch und Craig als ein kantiger männlicher Charakter, verkörpert zudem den schwierigen Spagat zwischen männlichen Rollenklischee, Gefühle nach Außen tragen, sie vielleicht aber doch lieber nach innen zu "fressen", um seiner Härte keine Verwundbarkeit zu ermöglichen (was die nach innen gekehrte Haltung, die eigenen Gefühle mit sich selbst aus zu machen, eher kontraproduktiv erscheinen lässt und zur Verschlechterung beiträgt; bspw. Rache als scheinbar einzige Möglichkeit).
Craig bringt also schon einiges mit, das in dieser Rolle von Vorteil ist, oder auf ihn zugeschnitten werden kann. Er trifft zunächst bei dem Publikum auf ungewohnte Haltungen, manchmal sogar Abneigung, kann aber das Blatt wenden, je mehr man sich mit ihm und dem dargestellten Charakter beschäftigt.
Er lässt darüber hinaus das gesamte Bondszenario moderner erscheinen, was nicht zuletzt auch mit dem Produktionsteam verbunden zu sein scheint.
Ciao,
GE
Film: "Die Hälfte von allem ist Glück, James. Und die andere Hälfte? Schicksal." (006/Alec Travelyan und James Bond 007, aus: "GoldenEye", 1995)
Roman: "Wen die Götter vernichten wollen, den liefern sie zuerst der Langeweile aus." (007 in: "Liebesgrüße aus Moskau", 1957)