Die Filme des Nicolas Winding Refn

1
Ein Regisseur, der 2011 meine Sichtweise zu Filmen komplett verändert hat und ein Liebe neu entfachte. Das Neo-Noir-Meisterwerk Drive gehört mit zu dem besten was ich je gesehen habe. Großartig gespielt und voller intensiver Momente. Absolut meisterlich und auch Only God forgives hat sowas, doch schwächelt er im Gesamtbild etwas. Mehr aber bei den Review.

Refn ist ein großartiger Regisseur und hat das Potenzial ein ganz großer zu werden. Selten hab ich jemanden so stark gesehen, was den Umgang mit Farben, Lichtern und Bildern angeht. Ganz groß.

Filmografie:

1996: Pusher
1999: Bleeder
2003: Fear X
2004: Pusher II
2005: Pusher 3
2007: Agatha Christie Marple: Nemesis
2009: Bronson
2009: Walhalla Rising (Valhalla Rising)
2011: Drive
2013: Only God Forgives

Only God Forgives Review:

Ich mochte ja Drive sehr, sehr gerne. Für mich einer der herausragendsten Filme der vergangenen Kinojahre. Stilmäßig absolut beeindruckend und voll Retro. Zwei seiner Stärken. Ryan Gosling und der Rest vom Cast wäre die dritte. Das Zusammenspiel all dieser Dinge unterlegt von großartigem Soundtrack war einfach wunderbar. Deshalb waren die Erwartungen an Only God Forgives, der zweiten Zusammenarbeit von Gosling und Regisseur Winding Refn sehr hoch. Ganz erfüllen konnte der Film sie leider nicht.

Der Amerikaner Julian (Gosling) betreibt einen Boxklub in Bangkok. Drogenhandel, Gewalt und Verbrechen sind auch "Teil" seinen Boxklubs. Als Julian's Bruder Billy einen großen Fehler macht, droht alles zu eskalieren. Julian wird von Tagträumerein geplagt und ahnt nicht, dass seine Mutter Crystal, gespielt von Kristin Scott Thomas, auf dem weg nach Bangkok ist. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr droht die Situation zu eskalieren.

Der Look und der Soundtrack sind wieder einmal eine klasse für sich. Es mag nicht jedermanns Geschmack sein aber beeindruckend ist das ganze trotzdem. Ich wurde förmlich eingefangen. Die Darsteller sind allesamt großartig doch gerade Kristin Scott Thomas sticht da heraus. Ihr abartig böses Overacting passt so dermaßen und macht einem echt ein unwohles Gefühl. Definitiv keine Figur denen man Sympathien schenkt. Ihre Szenen sind intensiv böse und mit solch einer schockierenden Boshaftigkeit gespielt, Respekt. Die Gewaltdarstellung hier ist ähnlich intensiv und extrem wie schon bei Drive, wobei ich es dort im Vergleich besser fand. Gerade im Zusammenspiel mit dem Rest des Films.

Viele der Bilder und Aufnahmen im Film sind so beeindruckend gefilmt, so beklemmend und teilweise echt packend obwohl kaum was passiert. Blicke, kurze Bewegungen und Lichtspiele, das alles weiß Regisseur Refn super zu kombinieren. Nur ist es manchmal etwas "zu viel" was er mit der Handlung machen will, sodass so manch einer seine Probleme mit dem folgen der Geschichte haben wird. Sowohl was das folgen inhaltlich angeht als auch die Folgen die der Film bei einem hat. Harter Tobak. Ich zumindest hatte bei meiner ersten Sichtung einige Schwierigkeiten den Sinn des ganzen zu verstehen. Die Qualität habe ich aber nie in Frage gestellt.

Wer Drive mochte sollte sehr, sehr Vorsichtig sein denn diese Filme könnten nicht unterschiedlicher sein. Only God Forgives ist definitiv kein Unterhaltungsfilm oder so. Hier muss man bereit sein in eine düstere und dreckige Welt einzutauchen, einer vielleicht schwierigen und brutalen Handlung folgen zu können und sich darauf einlassen am Ende mit offenem Mund da zu sitzen weil man sprachlos ist. Nicht negativ gemeint aber dieser Film hat mich echt gespalten. Die Qualitäten sind definitiv vorhanden. Ich finde es nur sehr schwer, den Film nach einer Sichtung so richtig zu beurteilen und möchte ihn daher eigentlich nicht bewerten aber irgendwie doch. Selten hat mich ein Film so beeindruckt aber auch sprachlos zurück gelassen.

Ich liebe Drive und finde Only God Forgives besonders und gut. Dennoch sind beides keine einfachen Unterhaltungsfilme sondern Filme mit Anspruch. Filme die beeindrucken, wenn man bereit ist sich auf sie einzulassen. Ich weiß aber nicht einmal ob ich es als Arthouse bezeichnen würde aber in die Richtung geht es eher. Definitiv KEIN Mainstream. Für Only God Forgives gibt es:

7,5/10

Reviews zu Drive und anderen kommen bald nach. ;)

Re: Nicolas Winding Refn

3
iHaveCNit: Drive (2012)

Wenn es um einen Film wie „Drive“ von Nicolas Winding Refn geht, frage ich mich, wie ich eine Review zu diesem Film beginnen soll. Warum schaue ich mir diesen Film gerade jetzt an ? Im Heimkino möchte ich „The Neon Demon“ nachholen und meine Erstsichtung von „Drive“ liegt jetzt auch einige Zeit zurück. Dieses Jahr habe ich auch „Bronson“ von NWR im „First Look“ gehabt, der mich extrem positiv überrascht hat.

Doch worum geht es in „Drive“ ? Wir haben einen namenlosen „Driver“, der als KFZ-Mechaniker und Stuntfahrer arbeitet und nachts bei diversen Raubzügen als unabhängiger Fluchtwagenfahrer sich ein wenig dazu verdient. Er verliebt sich mit der Zeit in seine Nachbarin Irene, deren krimineller Ehemann kurz darauf aus dem Knast kommt und sich mit einem Raubzug von seinen Schulden reinwaschen möchte. Alles läuft aus dem Ruder – für den „Driver“ geht es jetzt um alles oder nichts.

Die Meinungen zu „Drive“ gehen von „Meisterwerk“ und „absolut langweilig“ auseinander. Die Wahrheit bei „Drive“ liegt für mich irgendwo dazwischen im oberen Bereich. Wie so oft ist es ein Problem der Erwartungshaltung, die mit dem Trailer anfängt. Durch den Trailer wird ein rasanter Actionthriller suggeriert, der irgendwo zwischen „The Transporter“ und den „Fast & Furious“-Filmen angesiedelt sein soll. Somit wird der übliche Mainstream-Zuschauer eher gelangweilt den Film wahrnehmen, wohingegen der Film für Hardcore-Cineasten ein Fest ist. Die klassische Geschichte eines Typen, der im Gangstermilieu mitmischt und quasi aussteigen will, doch der letzte Coup ihm die Tour verhageln soll ist genretechnisch sehr gewöhnlich und so in der Art schon häufig genug da gewesen. Der Film ist für mich kein „Actionthriller“ - es ist mehr ein Crimedrama, in dem der Charakter des „Driver“ im Fokus des Films steht. Der „Driver“ ist ohne wenn und aber die Rolle von Ryan Gosling, der hier sehr dezent, reduziert und zurückhaltend spielt, aber den Drang nach Freiheit, Liebe sehr greifbar macht – genauso wie sein inneres Feuer, das anfängt zu lodern, als die ganze Situation aus dem Ruder läuft – Da passt ein Skorpion, der nur wartet, im richtigen Moment mit dem Stachel zuzuschlagen, perfekt auf den Charakter von Gosling. Kein Wunder, dass diese Jacke wie die Faust aufs Auge passt. Dagegen sind die anderen Figuren großartig besetzt, müssen sich aber in jeder Hinsicht hinter Gosling anstellen. Der Film wird sehr ruhig und entschleunigt erzählt. Man möchte fast meinen, dass der Name des Films im Film definitiv nicht Programm ist – ihm quasi der „Drive“ fehlt. Doch der Film hebt sich durch viele stilistisch perfekte Einzelmomente aus der Masse ab, egal ob es das Schauspiel von Gosling, die Inszenierung Refns oder auch der 80er-Jahre-Synthiepop-Soundtrack ist, die das Nachtleben von LA einzigartig inszenieren, wie es schon in anderen Filmen wie „Collateral“ ; „Heat“ und „Nightcrawler“ getan wurde.

„Drive“ ist für mich ein großes Stück Kino, aber aus meinen genannten Kritikpunkten kein Meisterwerk, das mich von Beginn an fesseln konnte, aber letztendlich gut gespielt und inszeniert wurde. Mein Favorit aus der Filmografie von NWR bleibt daher „Bronson“ - trotz gleicher Punktzahl.

„Drive“ - „My Second Look“ - 9/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Nicolas Winding Refn

5
iHaveCNit: The Neon Demon (2016)

Nicolas Winding Refn ist ein regelrecht visueller Style-Fetischist, aus dessen Filmografie ich bisher nur „Bronson“ und „Drive“ gesehen habe. Dieser „visuelle Style-Fetischismus“ wird nun bei „The Neon Demon“ regelrecht auf die Spitze getrieben. Hauptschauplatz für seinen neuesten Film ist das Modellbusiness in Los Angeles.

Es geht um die junge Jesse, die als aufstrebendes Model nach LA zieht und nach ihrem ersten Shooting die Make-Up-Stylistin Ruby kennenlernt und von ihr mit den beiden Models Sarah und Gigi bekannt gemacht wird. Durch die junge, naive, unerfahrene Art und natürlicher Schönheit von Jesse erkennen Sarah und Gigi in Jesse eine Bedrohung, während Ruby eine Obsession zu ihr entwickelt.

Als was kann man nun den Film bezeichnen ? - Ich würde den Film als Psychothriller bezeichnen. Die visuellen Schauwerte des Films sind enorm und und entwickeln eine abnormale, bizarre Sogkraft. Die künstlerische Darstellung von Nekrophilie, Kannibalismus und der Obsession nach Perfektion sind anziehend und abstoßend zugleich – so dass einige Darstellungen extrem derb geworden sind.Viele Kameraeinstellungen sind richtige Kunstwerke, die für sich selbst ein Meisterwerk sind. Der Soundtrack von Cliff Martinez dazu sorgt für eine absolut übertriebene musikalische Untermalung, die den ganzen Film als audiovisuellen Rausch sehr herausfordernd und anstrengend werden lässt. Bei all dem ganzen Stil muss man sich fragen – wo steckt die Substanz des Films ? Das Modellbusiness weltweit strotzt nur so vor Oberflächlichkeit und einem abgefahrenen Konkurrenzkampf, der auch hier perfekt integriert wird und absolut unerbittlich gezeigt wird. So oberflächlich das Modellbusiness ist, so oberflächlich bleibt der Film und seine Charaktere auch – was die Wirkung des Films und seine Atmosphäre nur noch erschreckender und authentischer werden lässt. Leider drückt sich das auch im Hauptcharakter aus. Die junge, natürlich schöne, naive, unerfahrene und durch ihre Unsicherheit leicht arrogante Jesse muss sich als Hauptprotagonistin leider hinter dem „Driver“ aus „Drive“, aber vor allem hinter „Charles Bronson“ aus „Bronson“ anstellen.

So bleibt ein audiovisueller, erschreckend derber und oberflächlicher Rausch zurück, der trotz emotionaler Distanz noch lange nachhallen kann.

„The Neon Demon“ - „My First Look“ - 8/10 Punkte
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Nicolas Winding Refn

6
iHaveCNit: Only God Forgives (2013)

Es gibt genug polarisierende Regisseure – der Däne Nicolas Winding Refn ist einer davon. „Ist das Kunst oder kann das weg ?“ ist da eine essentielle Frage, die sich jeder selbst beantworten muss. Ausgehend davon, dass ich bis auf die Pusher-Trilogie, Fear X und Bleeder nun alle wichtigen Filme von NWR gesehen habe: Das Charaktercrimedrama „Drive“, der esoterische Gewaltreigen „Walhalla Rising“, den von Schönheit und metaphorischer Oberflächlichkeit zerfressenen „The Neon Demon“, den Strudel aus Gewalt und Gegengewalt in Gewand eines biografischen Films über einen britischen Schwerverbrecher „Bronson“ und nun der metaphorische Strudel aus Gewalt „Only God Forgives“, in dem die Frage im Raum steht: „Geht es hier um Vergeltung oder Vergebung ?“

Julian hat eine hässliche Vergangenheit, zusammen mit seinem Bruder Billy betreibt er in Bangkok einen Thai-Box-Club, in dem sein Bruder auch nicht legalen Geschäften nachgeht. Als dieser bei seinen nächtlichen Streifzügen eine minderjährige Prostituierte tötet, tritt ein mysteriöser Cop auf den Plan, der für den Tod von Billy sorgt. Angetrieben von seiner Mutter Crystal macht sich Julian auf einen Pfad der Rache.

Wer sich auf einen Film von NWR einlässt, muss sich zwangsläufig von den klassischen Mainstream-Vorstellungen von Kino und Film im Allgemeinen lösen. Ausgehend davon war zumindest „Drive“ der bisher massentauglichste Refn. Wie auch in „Drive“ arbeitet Refn auch in „Only God Forgives“ wieder mit Ryan Gosling zusammen. Und ich muss ehrlich sagen, auch wenn „Drive“ der massenkompatiblere und zugänglichere Film ist, gefällt mir „Only God Forgives“ doch noch eine Ecke besser – auch wenn natürlich mein Lieblingsfilm von NWR „Bronson“ mit Tom Hardy bleibt.

Allein letztes Jahr hat mir mit „Nocturnal Animals“ mal wieder gezeigt, wie sehr mir metaphorische und stilistische Filme gefallen. Ähnlich aber doch auch durch die offensichtliche Ausgangslage der Geschichte geht es wie im ersten Absatz erwähnt um die Frage nach „Vergeltung oder Vergebung“.
Kameraarbeit, Schnitte, Licht – die Ästethik ist einfach nur grandios und zeigt mit welchem künstlerischen Anspruch ein Refn an die Sache herangeht – auch wenn er natürlich gerne alle Formen der Gewalt wertschätzt und regelrecht in seiner extrem konsequenten Art optisch zelebriert.
Man könnte sich wie immer bei Refn an dem ruhigen Erzähltempo stören oder auch daran, ob dies oder das jetzt wirklich hätte gezeigt werden müssen, doch die Inszenierung, gepaart mit dem tollen Score von Cliff Martinez erzeugt einen hypnotischen Sog, dem man sich, sofern man sich mit dem Film auseinandersetzen möchte, nur extrem schwer entziehen kann. Metaphorisch gibt es im Film auch einiges, worüber man nachdenken kann. Egal ob es darum geht, welche Rolle der Cop oder die Mutter einnehmen, welche Rolle die Fixierung auf die Hände von Julian hat und mit welcher Backstory wir hier konfrontiert werden. Das lässt schon einiges an Interpretationsspielraum zu, bei einem Film, der lange nachhallt.

„Only God Forgives“ - My First Look – 9/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Nicolas Winding Refn

8
vodkamartini hat geschrieben:Der hat mich bisher irgendwie nie gereizt. Kritiken sind obendrein für gewöhnlich eher mau.
Die waren sogar teils richtig schlecht, aber es ist ein Film der auch so manchen Filmfan richtig begeistert. 9/10 mindestens, aber 10 sind bei diesem starken Film auch kein Fehler

Re: Nicolas Winding Refn

13
Die Diskussion, ob jetzt z.B. beim Gespann Gosling/Refn entweder "Drive" oder "Only God Forgives" der bessere Film ist, hängt wohl auch beim Zuschauer davon ab, mit welcher Gewichtung er an den Film herangeht.

"Drive" ist in der Substanz ein massenkompatibles Crimedrama, das nicht vollständig Refns Stil unterliegt.

"Only God Forgives" ist weniger massenkompatibel, aber für Hardcore-Cineasten durch den härter druchdringenden Stil Refns und der metaphorischen Symbolik, die in Drive wenn überhaupt nur oberflächlich vorhanden ist.

Ich habe in ergänzender Recherche zu "Only God Forgives" ja gelesen, dass er damals in Cannes ja richtig schlecht angekommen sein muss und auch sonst von Kritikerseite schlecht wegkommt, die zuvor "Drive" regelrecht abgefeiert haben. Journalisten scheinen ja richtig sprunghaft zu sein und auf jeden Zug aufzuspringen. Im ersten Moment die Freude über einen massenkompatiblen Film und dann die gleiche Erwartungshaltung bei einem weniger massenkompatiblen Film mit stärkerem künstlerischen Anspruch, die ja sonst eigentlich regelrecht abgefeiert werden. Das ist doch sehr inkonsequent !
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Nicolas Winding Refn

14
Ich finde schon das Refn by Drive ordentlich zuschlägt, was seinen Stil angeht. Geradd die Lichtspielereien, der Neo-Noir Look und die Inszenierung sind was besonderes und definitiv nicht massentauglich. Habe da fast nur negatives mitbekommen als ich im Kino saß. Auch Freunde fanden den Film müde und zäh. Ich finde ihn großartig. Und der Soundtrack erst.. wow. Muss den mal wieder sichten!!!

Re: Nicolas Winding Refn

15
@009
Sehe ich auch so.
Ich finde weder, dass Refns Stil bei "Drive" nicht so richtig "durchschlägt", noch dass er auf Massenkompatibilität ausgerichtet ist. Das Etikett passt hier imo nicht. Was ist dann Marvel, F & F, Harry Potter, Panem, alles mit The Rock, Cruise usw. und unser geliebter James? Kindergarten?
http://www.vodkasreviews.de


https://www.ofdb.de/autor/reviews/45039/