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von UNIVERSAL EXPORTS
Agent
Hier eine neue Kritik von mir – weil ich selbst mal eine Abwechslung vom bisherigen räsonierenden essayhaften Stil haben wollte, diesmal als Live-Ticker. Los gehts!
0:00:46 --- Ich liebe den Einstieg auf der Insel. Exotik, ein sinister wirkender Zwerg, eine schöne Frau, ein Killer, ein Irrgarten, ein Versteckspiel, das sich als Training entpuppt, James Bond taucht nicht wirklich auf. Jemand ist ihm auf den Fersen, das wissen wir. Ähnlich wie in FRWL, gefällt mir hier aber besser. Das leicht Bizarre, fast Surreale und Comichafte – sehr schön.
0:08:30 --- Nach knapp acht Minuten PTS das Titellied. Ich liebe es nicht besonders, zu rockig für den eher actionarmen Film. Die träumerischen, verwehten Streicher, die später immer wieder das Titelthema variieren, finde ich viel, viel gelungener.
0:13:30 --- klassischer Einstieg. Briefing bei M, die goldene Kugel, Moneypenny. Dann Beirut, von dem man praktisch nichts sieht, nur eine eher durchschnittlich aussehende Tänzerin. „Er hat ihm hinten große Loch gemacht.“ „Der Ärmste.“ – kleiner Schmunzler. Eine Mini-Prügelei, bei der man als Bonus kurz im Spiegel das Filmteam sieht.
0:20:44 --- Macao, es wird wieder exotisch, alles so schön bunt hier. Treffen bei Lasar, Bond in einer Art Kolonial-Tropen-Anzug, der auch fürs Casino geeignet wäre, viel zu warm für Südostasien. Als kurz darauf Miss Anders im Casino auftaucht, erklingt erstmals das Titelthema als melancholische Streicherversion, die ich so sehr liebe. Ansonsten: Starke Leistung, die Dame unerkannt bis zum Peninsula-Hotel zu verfolgen. Und das, obwohl das Dummerle Goodnight dazwischenfunkt. Mir fällt auf, dass Bonds Jackettinnenfutter geblümt ist.
0:28:46 --- Frau Anders bedroht ihn mit einer Wasserpistole (?).Bonds gleichmütiger Gesichtsausdruck, kurz im Spiegel zu sehen, als er aus Anders‘ Dusche geht, ist zum Kichern. Dann überwältigt er sie fix und dreht er ihr dem Arm um. Passt nicht ganz zu Moore, aber zur Dramaturgie, wie ich finde. Ein kurzer Gewaltausbruch in einem ansonsten bisher sehr ruhig fließenden Film.
0:39:23 --- Observation vor dem Bottom’s Up (das gibt’s wohl wirklich und ist heute ein kleiner Bond-Wallfahrtsort), Attentat, ab ins Polizeiauto, aufs Boot, Flucht auf das Schiffswrack, das sich originellerweise als MI6-Stützpunkt entpuppt. Indes verschwindet Scaramanga auf seiner Dschunke. Action kann man das alles nicht unbedingt nennen, eher ein wenig Spannung, aber die Geschichte nimmt nun an Tempo auf.
0:45:30 --- Auch bei den folgenden Szenen in Bangkok mit Hasch-Misch, Hai Fat und dem dritten Nippel gibt es keine Action, das Flair und die Schauplätze finde ich allerdings richtig toll. Roger ist noch sichtlich gut trainiert. Allerdings fällt mir auf, wie überflüssig etwa die Figur des Lieutenant Hip ist. Sie hätte ersatzlos gestrichen werden können.
0:55:00 --- Nach einer knappen Stunde nun endlich die erste größere Actionszene des Films in Hai Fats Schule, dann die Klopperei mit den Mädchen, dann eine Verfolgung durch die Klongs. Sheriff Pepper taucht wieder auf. Offensichtlich wollten die Produzenten den Film mit möglichst vielen Humorelementen würzen, das hat ihm nicht unbedingt gutgetan. Etwas unschön übrigens auch die Szene, in der Roger den kleinen Jungen wieder ins Wasser schmeißt, obwohl der ihm geholfen hat. Naja, MI6-Leute sind eben nicht die Caritas.
1:02:45 --- Es folgt die RomCom-Sequenz des Films: Ein romantisches Dinner, Goodnight zickt leicht herum, Miss Anders plötzlich im Zimmer, Versteckspiel im Schrank, Ausquetschen, Schäferstündchen, Goodnight zickt noch mehr herum. Irgendwie finde ich das alles ziemlich cool, Roger agiert souverän. Britt Ekland (Goodnight) ist übrigens zwei Jahre älter als Maud Adams (Andrea Anders) – würde mans denken?
1:12:20 --- Das Gangsterliebchen haucht sein Leben aus, ein sattsam bekannter Handlungszug, an dieser Stelle aber ziemlich überraschend. Bond und Scaramanga treffen erstmals aufeinander, sehr spät für einen Bondfilm. Die verkorkste Aktion, in der Goodnight versucht, ein Ortungsgerät im Auto von Scaramanga anzubringen, offenbart ihren ganzen Dilettantismus. Aber nun: Die zweite große Actionszene des Films mit der Autoverfolgung und Sheriff Pepper („Sie sind der Geheimagent – der englische Geheimagent aus England!“). Während des spektakulären Schraubensprungs schnell stumm schalten, dann funktioniert die Szene super!
1:24:19 --- Draußen Verwirrung mit Bond und Pepper vor der Garage, die Polizei kommt dazu. Drinnen fummeln Scaramanga und Schnick Schnack am Auto herum und verpassen ihm Flügel. Wegen der schönen Kontraste zwischen schnell und langsam, hell und dunkel behagt mir die Sequenz. Meine Lieblingsszene darin: Goodnight gelingt es, den Kofferraum zu öffnen, und sieht ungläubig die südostasiatische Landschaft weit unter sich dahingleiten. Auch unbezahlbar: Ms irrer Blick, als ihm Bond von der vermasselten Operation berichtet.
1:30:52 --- Es geht aufs Finale zu: Bond fliegt zur Insel, wird dort von Scaramanga gleichzeitig gefangengenommen und zum Essen eingeladen. Christopher Lee ist großartig. Das Bösartige und sein leichter Wahnsinn sind nur kleinen Gesten (Schreckschusspistole) und Äußerungen („Nein, er fliegt nicht wieder weg“) zu entnehmen. Mit sichtlicher Freude sprengt er Bonds Flugzeug in die Luft. Kommt super!
1:40:30 --- Tödliche Themen beim Gourmet-Essen, die Rahmenbedingungen des Duells werden besprochen.
1:42:14 --- Da! Beim Standbild im richtigen Frame sieht man Bond ähnlich wie vor der PTS mit dem Gewehrlauf auf die Kamera schießen. Ein archetypischer Bond-Moment. Das Duell ist nicht unspannend, vor allem, weil man immer noch rätselt, welche Rolle Schnick Schnack denn nun wirklich spielt. Im Grunde bringt er ja beide Duellanten ständig aus dem Takt. Wie Bond es letztlich schafft, Scaramanga zu täuschen und zu töten, hat mich damals beim ersten Sehen (naja, mit 14) wirklich geflasht.
1:51:58 --- Goodnight verdient sich endgültig die Krone als Bond-Dummchen schlechthin, als sie Krah ins Helium schmeißt und quasi mit ihrem Hintern die Anlage in die Luft sprengt. Als alles am Ende explodiert, bedaure ich das jedes Mal. Noch nie fand ich ein Hideaway eines Schurken so stilvoll und cool.
1:56:14 --- Letzter, nicht ganz ernstzunehmender Kampf mit Schnick Schnack. Es ist richtig, ihn nicht sterben zu lassen, das sähe äußerst gemein aus. Ein schöner Schlussgag mit dem Telefon, als M seinen üblichen Glückwunschanruf macht und Bond gleichzeitig mit Goodnight knutscht: „Da ist was hochgekommen.“
FAZIT: Mag man Suspense, etwas Komik, buntes Treiben und kontemplative Musik, ist der Film richtig. Die Schauwerte und die tolle Musik machen für mich vieles wett. Was allerdings hätte ein Hitchcock aus der Story gemacht! Mit Sympathiepünktchen für Roger Moore: 8 von 10 Solarzellen.
"Schnickschnack! Tabasco!"