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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
James Bond 007 - Man lebt nur zweimal
"Feuerball" hatte es vorgegeben, in "Man lebt nur zweimal" setzten die Produzenten Albert R. Broccoli und Harry Saltzman zwei Jahre später 1967 ihren Weg fort: James Bond sollte nicht einfach nur länger ein Geheimagent sein, er musste ein Superheld werden, die Bedrohungen waren Weltuntergangsszenarien geworden. Und so wird aus einer Unterwasserschlacht ein regelrechtes Schlachtfeld, aus einem praktischen Atemgerät ein Ein-Mann-Kampfhubschrauber und aus zwei Atombomben ein möglicher Ausbruch eines dritten Weltkrieges. Auf der Höhe der Zeit lag die Produktion damit, doch waren die Dreharbeiten durch die Location Japan, an dem man die Privatsphäre der Stars nicht respektierte und die Sets regelrecht verwüstete sowie durch viele komplizierte Stunts eine wahre Belastungsprobe für alle Beteiligten. Ein Umstand, der sich auch im Resultat widerspiegelt?
Anders als für die Macher des Filmes ist für das Abenteuer selbst Japan ein unglaublicher Gewinn, sorgt es doch für eine leicht mysteriöse und romantische Atmosphäre, die so für die Bond-Reihe neuartig und aufregend ist. Gelungen daher, dass der Film auch sehr viel von der Kultur Japans zeigt und diese nicht einfach nur am Rande abgehandelt wird. Noch besser, dass dadurch auch John Barry einen seiner grandiosesten Soundtracks abzuliefern vermochte, der viel von der Spannung und Exotik des Ortes beibehält. "Man lebt nur zweimal" hat daher ohnehin immer seine stärksten Momente, wenn er sich die Zeit nimmt, diese Eindrücke auf den Zuschauer wirken zu lassen. Die ausführliche Hochzeitsszene im Mittelteil, die Szenen beim Ninja-Training, das Sumoringen, das Anwesen von dem von Tetsuro Tamba gespielten Tiger Tanaka. So ist dieser Bond wohl der erste, der auch völlig ohne Ton interessant wäre und eindrucksvoll eine Stimmung entfaltet, die dann Ken Adam mit seinen monumentalen und einmaligen Bauten noch kongenial ins Unermessliche steigert. Optisch ist das fünfte Bond-Abenteuer sicher das verblüffendste, schönste und vielfältigste.
Dafür offenbaren sich mehrere inhaltliche Schwächen. Dabei trifft Regisseur Lewis Gilbert in diesem Fall gar keine Schuld. Auch, wenn er nicht ganz an die Raffinesse seines Vorgängers Terence Young anknüpfen kann, ist seine Inszenierung deutlich über den Standards des 60er-Jahre-Kinos. Das Drehbuch von Roald Dahl ist hingegen leider reichlich misslungen. Während die ersten 20 Minuten zu unnötig kompliziert die Exposition verzögern, ist auch im späteren Verlauf das Verhältnis aus Entwicklung und Stillstand nie richtig ausbalanciert. Die Actionszenen kommen zu oft aus dem Nichts, die Beziehungen einiger Charaktere unter einander werden nie ganz deutlich und anders als in den Vorgängern fehlt es hier auch viel zu lange an einem vernünftigen Gegenspieler. Außerdem missfällt, dass "Man lebt nur zweimal" kaum noch ein echter Thriller ist, sondern zu seicht und brav von Statten geht. Insgesamt erscheint einem das Spektakel daher oft als harmlos, was für einen Actionfilm den Todesstoß bedeutet. Harmlos ist witzigerweise ein Vorwurf, dem man auch dem weiblichen Cast machen kann. Karin Dor ist als verschlagene Helga Brandt noch recht passabel, doch die beiden Japanerinnen Mie Hama und Akiko Wakabayashi spielen unterdurchschnittlich und lassen den Sex-Appeal des Vorgängers erheblich vermissen.
Sean Connery hingegen schafft das Unglaubliche und liefert als Macho-Geheimagent seine nächste grandiose Leistung ab. Sein vorzügliches Spiel hält den Zuschauer lange bei Laune, auch wenn er insgesamt ein wenig unter dem größten Schwachpunkt dieses Filmes leidet: der Routine. Obwohl erst der fünfte Bond, wirkt "Man lebt nur zweimal" stellenweise, als würde er zum x-ten Mal dieselbe Handlung auf dieselbe Art und Weise erzählen. Daran mag es wohl auch liegen, dass trotz der aufwendigen und stark gefilmten Actionszenen nie so richtig Begeisterung für das Geschehen aufflammt. Unterhaltsam ist das alles, doch es nimmt einen nicht mehr so mit, wie es die vorherigen Teile noch so grandios taten. Dafür ist das Schlussdrittel aber umso überzeugender. Das Vulkan-Set raubt einem regelrecht den Atem, doch was Gilbert dann daraus macht, ist umso famoser. Der Showdown ist eine waschechte Kriegsschlacht zwischen Ninjas und Soldaten, ein unerwartetes Crescendo voller Bombast. Das diese dabei nicht so verpufft wie die meisten vorherigen ist dann natürlich noch Donald Pleasance zu verdanken. Konnte der fürchterlich blasse Teru Shimada als Mr. Osato im Vorfeld den Job des Schergen nicht gerecht werden, ist Pleasance als Ernst Stavro Blofeld endlich der ersehnte Gegenspieler, der mit seinem größenwahnsinnigen Auftreten ein wenig Feuer in die Sause bringt. Und wenn James am Ende mit einer Dame im Arm den harterkämpften Sieg feiert und uns die Macher noch einen amüsanten "britischen" Schlusslacher der besten Sorte präsentieren, kann ihnen für die paar Längen und Unstimmigkeiten der letzten zwei Stunden auch wirklich niemand mehr böse sein. Oder?
Fazit: "James Bond 007 - Man lebt nur zweimal" hat sicher nicht mehr die filmische Qualität seiner Vorgänger und Lewis Gilbert ist als Regisseur längst nicht so perfekt für die Reihe, wie Young und Hamilton es gewesen sind. Das wahre Problem ist aber die Routine. Echte Innovation ist Mangelware und irgendwie wird man das Gefühl nicht los, das alles schon tausendfach gesehen zu haben. Mit Connery als Fels in der Brandung und dem atmosphärisch gelungenen Aufbau durch Ken Adam und John Berry weiß man sich aber glücklicherweise lange genug durch die einfallslose Handlung zu helfen, bis man dann in der letzten halben Stunde doch noch mal mit einem exorbitantem Showdown entschädigt wird, der einen schlagartig wünschen lässt, sich direkt im Anschluss erneut mit Superagent James Bond in geheime Mission zu begeben. Schade, dass Connery das damals selbst allerdings anders sah und bereits während der Dreharbeiten ankündigte, im nächsten Sequel zur Reihe nicht mehr mitspielen zu wollen. Doch auch wenn besonders er für den Spaß der Filme ein unheimlich wichtiger Bestandteil war, zweifelte niemand daran, an einer alten Weisheit festzuhalten:
James Bond Will Return!
7/10
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Let the sheep out, kid.