0 0 7 hat geschrieben: 11. April 2019 11:10Dieser persönliche Touch der Craig-Filme ist mir inzwischen zu viel und passt für mich nicht zu James Bond.
Dann stellt sich aber die Frage, was die Filme/die Reihe stattdessen erzählen soll(en). Die Wahrheit ist nämlich auch: Es wird immer schwieriger, der James-Bond-Reihe und ihrer Hauptfigur eine echte Relevanz für das heutige Kino abzugewinnen. Was Judi Dench in GE zu Bond gesagt hat, lässt sich problemlos auf die Filme als Ganzes oder meinetwegen als popkulturelles Phänomen übertragen: Sie sind ein Relikt des Kalten Krieges. In den 60er oder 70er Jahren war das etwas anderes. Die Bondfilme haben das Publikum an fremde Orte auf Mutter Erde geführt, die man so auf der großen Leinwand erstmal nur selten so authentisch sah (den Höhepunkt erreichte dies in den zwei Reisebonds von Louis Gilbert Ende der 1970er), und haben mit ihrer simplen West-Moral dem Zeitgeist der Generation Kubakrise entsprochen, später dann auch die Entspannungspolitik und die langsame Ost-West-Annäherung einbauen können. James Bond als Kunstfigur war eine Geburt des Kalten Krieges und seit dieser so nicht mehr exisitiert, hat die Reihe ein Identitätsproblem, das in den letzten Jahren mit den extremen stilistischen Umdeutungen der früher sehr eng gestrickten Filme immer deutlicher wurde. Eine so starke Heterogenität wie zwischen DAD, CR, QOS und SF gab es in der Bondreihe vorab noch nie und das hat seine Gründe ohne jede nötige Interpretation in der stark veränderten Welt. Welche Rolle spielt James Bond und das, wofür er steht, noch in Zeiten von Edward Snowden, #metoo, Donald Trump, Brexit etc.? Dieser Frage sind die Macher bislang gerne ausgewichen. In GE stellte man die Frage wie erwähnt noch selbst, und beantwortete sie in der gesamten Brosnan-Ära mit einer Flucht ins Klassische, in ein extremes Abarbeiten der Check-Liste und etablierte Strukturen, wobei moderne Probleme à la Ölknappheit und den neuen Medien lediglich die alten Themen des Kalten Krieges ersetzten. Eine echte Modernisierung fand nicht statt und sie ist auch eigentlich unmöglich, denn um James Bond in die heutige Zeit zu übertragen, muss man ihn aufgeben, da diese Figur zu sehr in ihrer Zeit verankert ist.
Martin Campbell, Marc Forster und Sam Mendes haben das ökonomisch einzig vernünftige getan: Statt weiterhin nur den Background des eisernen Vorhangs durch Dispute des 21. Jahrhunderts auszutauschen, haben sie die Reihe extrem umgekrempelt und sind weg von den immer gleichen Filmstrukturen gegangen. Sie haben James Bond einen Hintergrund, eine Geschichte und damit einen Charakter gegeben, ihn weggeholt von seiner sehr eindimensionalen, zweckdienlichen Anlage in frühreren Filmen. In dem man keine "Man on a Mission" Geschichten erzählt, in denen wenig Spielraum herrscht (außer eben die Mission immer geringfügig zu erneuern), haben sie sich entschlossen, den Charakter James Bond zu definieren und seine Geschichten zu erzählen. Er ist also nicht mehr länger Teilnehmer des Abenteuers, sondern der zentrale Ausgangspunkt des Abenteuers. Sie haben damit einen Weg gefunden, eine heutige Generation von Kinogängern langfristig an 007 zu binden. Rückständige Elemente wie die Q-Gadgets oder der Machismo-Frauenverschleiß sind in CR und QOS bestenfalls lästige Pflichterfüllungen, und wurden in SP über Nostalgie-Empfinden verkauft. Sie sind zulange Teil des Franchise, um sie zu streichen und da sie aber gleichzeitig nicht mehr zeitgemäß sind, verkauft man sie als nostalgisch und liefert dem Publikum gleich die Entschuldigung für diese Szenen mit. In meinen Augen ist Bond seit Martin Campbell den einzigen Schritt gegangen, den er irgendwann ohnehin hätte gehen müssen, um nicht völlig in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden - und diesen Schritt wird er auch noch eine ganze Zeit lang weiter gehen. Eine Rückkehr zum "Man on a Mission" Prinzip wäre langfristig der Tod der Filme. Irgendwann wird es vielleicht eine Welle geben, die diese Art Kino wieder möglich macht, aber ich sehe die noch lange nicht kommen.