Re: Zuletzt gesehener Film

9586
iHaveCNit: Gretel und Hänsel (2020)
28.07.2020


Da ich ein wenig freie Zeit hatte, habe ich mich dann doch noch dazu entschieden von den Kinostarts vom 9.7.2020 den auch erschienenen „Gretel und Hänsel“ anzusehen, der nach dem ersten Trailer auch auf meiner Liste stand, weil zum einen Sophia Lillis nach „Sharp Objects“ sowie den beiden „IT“-Filmen hier einmal in einen Film alleine auf den Schultern tragen darf und die im Trailer dargebotene Optik auf jeden Fall einen Blick im Kino wert war.

Im Zeitalter der Pestilenz wird die junge Gretel von Ihrer Mutter vor die Tür gesetzt, als es für Sie und ihren Bruder Hänsel keine Möglichkeit mehr für Obdach gibt. So streifen sie ein wenig ziellos und hungernd durch die Wälder, bis sie auf ein Haus treffen, das einer geheimnisvollen Hexe gehört. Während die Hexe ihre eigenen Pläne mit den beiden hat, kommt Gretel dem dunklen Geheimnis der Hexe langsam auf die Spur.

Der Film ist mit 87 Minuten schon sehr kompakt gehalten. Der Sohn von Psycho-Legende Anthony Perkins – Osgood Perkins hat hier eine etwas unausgewogene Mischung aus Coming-Of-Age und schaurigem morbiden Märchen geschaffen, indem die von Sophia Lillis gespielte Gretel und die Hexe sehr stark im Vordergrund stehen, wohingegen der kleine Hänsel ein wenig an den Rand gedrückt wird und kaum Profil bekommt. In der Charakterisierung einer Jungfrau in Nöten spricht man gerne von einer „Damsel in Distress“- in diesem Film könnte man auch sagen „Hänsel in Distress“. So ganz wollte im sich ergebenden Kammerspiel im Wald die ganz große Spannung einstellen, aber zumindest war die audiovisuelle Umsetzung des Films mit großartigen Kameraeinstellungen und auch der Musik auf jeden Fall etwas, wofür sich der Film schon gelohnt hat.

„Gretel und Hänsel“ - My First Look – 6/10 Punkte.
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9587
iHaveCNit: Auf der Couch in Tunis (2020)
05.08.2020

Zeit für eine kleine Therapiesitzung im Kino. Eingeladen hatten hier die Regisseurin Manele Labidi und die iranische Schauspielerin Golshifteh Farahani mit ihrem Film „Auf der Couch in Tunis“. Die Therapiesitzung selbst war sehr charmant und amüsant, aber auch ein wenig oberflächlich und handzahm.

Selma kehrt nach ihrem Psychologiestudium kurz nach der tunesischen Revolution in die Heimat zurück um dort eine eigene Praxis zu eröffnen. Doch sie muss schnell feststellen, dass viele Hürden auf soziokultureller, religiöser und auch bürokratischer Seite zu nehmen sind.

Man spürt sehr viel Herzblut in diesem Film, der sehr gut, scharf und authentisch die soziokulturellen, religiösen und bürokratischen Gegebenheiten der tunesischen Gesellschaft zum Zeitpunkt nach der tunesischen Revolution darstellt. Dabei wirft uns die Regisseurin Labidi erstmal wie einen Fisch ins Wasser, der sich Schritt für Schritt an die Gegebenheiten rantastet. Hierfür verfolgen wir die von Golshifteh Farahani großartig gespielte Selma, die anhand vieler kleiner, ambivalenter und skurriler Nebencharaktere viel von den gesellschaftlichen und individuellen psychologischen Problemen kennenlernt. Dabei muss ich aber feststellen, dass die relativ kurze Laufzeit des Films und die Vielzahl an Charakteren und Nebenschauplätzen dazu führt, dass der Film viele Themen nur oberflächlich und etwas handzahm anreißt und der Film auch gerne hätte länger sein können um dem ganzen den notwendigen Raum zu geben.

„Auf der Couch in Tunis“ - My First Look – 7/10 Punkte.
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9588
iHaveCNit: Irresistible – Unwiderstehlich (2020)
07.08.2020

Der politische Wahlkampf in den vereinigten Staaten ist an und für sich schon eine Welt für sich. Ein paar Monate vor der Wahl bekommen wir nun eine Politsatire des ehemaligen TV-Show-Moderator und Satirikers Jon Stewart geliefert, in dem er sich voll und ganz dem amerikanischen Wahlkampf widmet – und damit einen sehr amüsanten und charmanten Einblick liefert.

Gary Zimmer ist politischer Wahlkampfberater für die Demokraten. Nach dem Wahlverlust der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten sind sowohl er als auch sein Team und die Partei in einem Loch und gefrustet. Da kommt ein virales Youtube-Video aus einem kleinen ländlichen Ort, Deerlaken in Wisconsin gerade recht. Der Veteran Jack Hastings hat eine flammende Rede gehalten, so dass Zimmer in ihm einen passenden demokratischen Kandidaten für die kommende Bürgermeisterwahl im Ort gefunden hat. Zimmer reist nach Deerlaken, wo der Wahlkampf so große Wellen schlägt, bis sich sogar Zimmers republikanische Konkurrentin Faith Brewster in den Wahlkampf einmischt.

Jon Stewart hat mit „Irresistible“ so etwas geschaffen wie „US-Wahlkampf in a Nutshell“. Dabei seziert er schon relativ überschaubar, wie Wahlkampf funktioniert, wie absurd und skurril dieser in Ansätzen ist und wie fern dieser tatsächlich von den eigentlichen Befindlichkeiten der Menschen ist. Darüberhinaus liefert der Film auch ein wenig einen „Kampf der Kulturen“, wenn der aus der politischen Großstadt Washington stammende Zimmer sich erst einmal mit den lokalen Gegebenheiten arrangieren muss und quasi in eine komplett andere Welt eintaucht. Da macht auch der gute Steve Carrell eine wunderbare Figur, genau wie auch der Rest der Besetzung wie eine Rose Byrne, ein Chris Cooper und eine Mackenzie Davis. Inszenatorisch bleibt der Film sehr konventionell und bewegt sich nur an wenigen Stellen in eine Richtung, in die sich zum Beispiel ein Adam McKay in „The Big Short“ und „Vice“ gewagt hat. Der Film bleibt hier definitiv in einer eher massentauglicheren Richtung, die mehr charmant, amüsant und unterhaltsam bleibt und weniger bissiger ist als hier definitiv auch Potential da gewesen wäre. Die Dramaturige des Films selbst wirkt etwas holprig, sprunghaft und hektisch für seine knapp 100 Minuten, liefert aber vor allem am Ende eine ganz interessante Auflösung.

„Irresistible – Unwiderstehlich“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9589
AnatolGogol hat geschrieben: 2. Januar 2020 09:06 First Man – Aufbruch zum Mond (Damien Chazelle)
Schwerfällige Mixtur aus Drama und Mondfahrt-Rekonstruktion, bei welcher Chazelle das Kunststück gelingt einen welthistorischen Meilenstein weitgehend zu trivialisieren. Denn weder weiss er der Armstrong-Figur wirklich relevantes zu entlocken, noch schafft er es dem ersten Mondflug die filmische Bedeutung zuzugestehen, die dieser verdient gehabt hätte ...
So plätschert der Film ziemlich inhalts- und ideenlos über seine Laufzeit.
5 / 10
Und ich leihe mir mal wieder eine Review von Anatol, der ich dieses Mal nur zT zustimme.

Chazelle macht ziemlich viel richtig, dass der Film eben keine Neill Armstrong Biografie ist, sondern vom ersten Mondfahrtprogramm handelt. Dabei fiebert man bei den diversen Testflügen richtig mit. Gerade der Anfang ist unheimlich stark umgesetzt und hat mich echt umgehauen.

In der Folge finde ich es durchs gelungen umgesetzt wie sich die Truppe von waghalsigen Pionieren langsam zum Ziel vortastet, inklusive Tragödien und Rivalität.
Denn die Person Armstrong interessiert mich ohnehin nur wenig.

Der tatsächliche Mondflug bekommt dann aber für mich zu wenig Raum und ist dann urplötzlich viel zu persönlich auf Armstrong fixiert. Schade.

So bleiben aus meiner Sicht gute
7/10
übrig.
Ich bin mehr, als ich scheine
In mir steckt alle Kraft und Stärke der Welt

Re: Zuletzt gesehener Film

9590
Irgendetwas zwischen Anatols 5 und Revokeds 7 wäre wohl auch für mich die richtige Wertung. Nach La La Land wirkte das wie ein laues Lüftchen von Chazelle. Allzu viel weiss ich von dem Film gar nicht mehr, ausser dass er milde unterhaltsam und optisch irgendwie sehr glatt und "grau" war.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9591
Ich gehe da sogar noch einen Punkt weiter runter als Anatol. :D First Man war ein ziemlich enttäuschender Film, der überhaupt kein eigenes Sujet zu bieten hat. Ryan Gosling ist in der Rolle als Armstrong vollkommen fehlbesetzt, die tragische Note des Charakters bekommt er überhaupt nicht in sein Coolness-Image eingebaut. Grundsätzlich mag ich die Idee, den Mondflug nicht als "welthistorischen Meilenstein" aufzuziehen (wie Anatol es nennt), sondern ihn auf eine beklemmende Nahtoderfahrung zuzuspitzen, bloß gelingen will das nicht, weil die immer gleichen Aufnahmen von in enge Blechbüchsen gesperrte Männer sich schnell abnutzen und Armstrong als Figur dermaßen unterentwickelt bleibt, dass er mir vollkommen egal war. Der interessanteste Aspekt des Films (Wie kann ein Mann sein Leben in die Händen von Maschinen legen, wenn seine Tochter trotz ihrer Zwangsabhängigkeit von Maschinen nicht gerettet werden konnte?) wird angedeutet, aber nie ernsthaft behandelt und das Ehedrama mit Claire Foy ist aus dem Hollywood-Einmaleins entliehen. Einzig der bärenstarke Soundtrack von Justin Hurwitz begeisterte mich und ich habe ihn mir sogar auf CD geholt, höre einzelne Tracks regelmäßig beim Joggen (etwa "The Landing").

Schade, bislang konnte Chazelle an den fast schon genialen Whiplash nicht mehr anschließen…
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Re: Zuletzt gesehener Film

9592
Casino Hille hat geschrieben: 10. August 2020 09:56 Schade, bislang konnte Chazelle an den fast schon genialen Whiplash nicht mehr anschließen…
Den habe ich nicht mal gesehen, aber La La Land ist ein betörender Film und wird locker in meiner Top 10 der Dekade zu finden sein wenn ich die Top 50 dann endlich abschliesse. Ein totaler Rausch, der Film.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9593
"La La Land" ist gut, aber kein Überfilm in meinen Augen. Dann lieber "Les parapluies de Cherbourg", von dem "La La Land" ein später Verwandter ist. Oder sagen wir es so: Mir hat "La La Land" schon gefallen, aber ich hatte bislang nicht den Drang, ihn nochmal zu sehen.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9594
iHaveCNit: Der Göttliche Andere (2020)
13.08.2020


Da ein Teil der für mich aus dieser Kinowoche interessanten Filme nur sehr begrenzt veröffentlicht werden und auch ein paar Klassiker die kommenden Tage in meiner Planung stehen, hatte ich etwas Freiraum. Freiraum, bei dem ich mich für einen Film entscheiden konnte. Und da habe ich mich für „Der Göttliche Andere“ entschieden. Die deutsch-italienische romantische Komödie hat eine sehr interessante und witzige Grundidee, die mich sehr gut unterhalten hat.

Gregory ist Journalist und darf obwohl er Atheist ist nach Rom und den Vatikan reisen um über das Konklave zu berichten. Durch Zufall trifft er auf die junge Maria, die ihm im Anschluss nicht mehr aus dem Kopf geht und er sich in sie verliebt. Doch sie steht kurz davor, sich als Ordensschwester zu verpflichten. Gregory versucht daraufhin immer wieder Maria seine Liebe zu gestehen, doch es scheint ihn eine größere Macht immer wieder davon abhalten zu wollen.

„Der Göttliche Andere“ ist mit seinen knapp 90 Minuten relativ kurz, kompakt und auf jeden Fall sehr kuzweilig. Amüsant und sehr charmant werden hier die Regeln und Strukturen von romantischen Komödien sowohl ausgespielt als auch auseinander genommen. Ganz witzig hierbei ist vor allem die Idee, dass viele kleine Zufälle passieren, die Gregory und Maria von ihrem Glück abhalten wollen, die vor allem auf den anderen Mann zurückzuführen sind, dem sich Maria eigentlich verpflichtet hat – Gott selbst. Das führt zu sehr vielen witzigen und skurrilen Situationen in denen auch mit dem Medium Film durch das Durchbrechen der 4. Wand gearbeitet wird. An dieser Stelle ist es für mich wichtig mal darzulegen, wie ich allgemein zum schwierigen Thema „Gott“ und „Glaube“ stehe, um auch den Film für mich selbst zu interpretieren, was zweifelsohne damit definitiv möglich ist. Seit meiner Geburt bin ich evangelisch, größtenteils jedoch aktuell eher Atheist und Agnostiker, aber während des Religionsunterrichts habe ich mich auch mit den Lehren Ludwig Feuerbachs auseinandergesetzt, für den vereinfacht gesagt Gott in jedem von uns steckt und Gott die reflektierte Perfektion von uns selbst darstellt. Wann immer wir zu Gott beten – in Stationen der Trauer und wichtiger Lebensentscheidungen als auch großen Herausforderungen und auch der allgemeinen Kraft im Alltag – dann wissen wir dass Gott uns beisteht, weil er all das selbst bereits geschafft hat. Ist es dann auch nicht so, dass wir in Gott uns selbst hinein reflektieren, wie wir diese Situationen bereits gemeistert haben – ein wenig Optimismus und der Glaube an uns selbst. Genau damit lässt sich der Film auch für mich interpretieren, vor allem wenn es um den Charakter des relativ unsympathischen, beziehungsunfähigen TV-Journalist Gregory geht, der durch die ganzen Hindernisse und Rückschläge immer mehr zu sich selbst findet und gewisse problematische Charakterzüge fallen lässt als eine Art Prüfung, die ihm gestellt wird. Der Charakter wird von Callum Turner relativ gut gespielt, vielleicht etwas hölzern, was aber nicht großartig negativ auffällt. Ihm gegenüber spielt Matilda De Angelis die junge Maria großartig und sehr positiv einnehmend. Für Sie ist es genau wie für Gregory auch eine Reise in die Selbstfindung, wenn durch eine zufällige Begegnung auch der bisher fest geplante Lebensweg auch infrage gestellt wird. Die Chemie von beiden wirkt manchmal etwas holprig, ist aber auch den Situationen selbst geschuldet Darüberhinaus wird das Dou von einer skurrilen Auswahl an Nebencharakteren verstärkt, die alle mal mehr und mal weniger schablonenhaft skizziert sind und ein wenig mehr Feinschliff hätten vertragen können. Großartig ist, wie der Film auch Ideen nicht einfach nur so fallen lässt, sondern auch später wieder aufnimmt um einen Bogen zu schlagen. Da hat jemand auf jeden Fall ein klares und gut durchdachtes Konzept auf die Beine gestellt. Nicht zu vergessen die großartigen Aufnahmen von Rom, die mir irgendwie Lust machen, einmal die Stadt von der Nähe kennenlernen zu wollen.

„Der Göttliche Andere“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9595
Ich habe gestern mit einem Kumpel Guadagninos Remake von Argentos Suspiria nachgeholt. Guadagnino hat zuvor mit Call Me By Your Name einen der besten Filme der letzten Jahre gedreht, trotzdem war es von unserer Seite eher Interesse als Erwartungen an den Film.

Den Argento-Film habe ich einmal gesehen und nicht mehr in allen Details auf dem Schirm, aber es scheint mir dass Guadagnino einerseits ein klares Remake gedreht, andererseits dem Film auch eine neue Handschrift verpasst hat, was die Neuauflage schon mal weitgehend rechtfertigt. Der Film war selber war wie erwartet interessant - und wohl auch eher interessant als wirklich begeisternd. Insgesamt wohl zu lang und mit zu vielen Metaebenen und Subplots ausstaffiert. Während wir noch dabei waren, den motivischen Hintergrund des Deutschen Herbstes und seinen Zusammenhang zur Horrorhandlung zu entschlüsseln wurde schon die Handlungsebene um das Verschwinden des Psychiaters Frau im zweiten Weltkrieg aufgefahren, und so weiter. Das war alles ziemlich viel Handlungs- und Metahandlungsstoff, vor allem für eine Erstsichtung, und konnte sich daher wohl nicht alles im vom Regisseur intendierten Masse entfalten.

Ähnlich wie die beiden hochgelobten aber aus meiner Sicht schwachen jüngeren Horrorfilme Mother! (der ja im Prinzip auch schon eine Art Remake war) und Hereditary trägt auch Susupiria - zumindest am Ende - gar sehr dick auf mit Schockbildern von rituellem Gemetzel und satanistischem Pipapo, das die Vorbilder der 60er und 70er - die ja trotzdem Horrorfilme waren - in diesem übertriebenen Ausmass nicht nötig hatten. Wobei das bei Suspiria besser zum Rest ausbalanciert ist als bei den beiden Negativbeispielen. Überhaupt gibt Guadagninos Inszenierung hier oft alles mit sehr komplexen und kunstvollen Schnittfolgen, Parallelmontagen und Bildchoreographien, was dem Film seine interessantesten Szenen verliehen hat und ihm eine interessante Ebene gibt. Da war haufenweise gutes Zeug dabei, nur als Gesamtpaket wollte es sich nicht immer so richtig entfalten.

Für mich im Moment also etwas um die 6 oder 7 Punkte, und damit schon mal viel besser als Argentos Mother of Tears...
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Re: Zuletzt gesehener Film

9596
Das Original von Argento ist dem Remake von Guadagnino dermaßen weit überlegen, dass sich für mich der Vergleich beinahe verbietet. Dabei kann Guadagnino solchen Stoffen auch viel Neues und Eigenes abgewinnen: Sein bislang bester Film, "A Bigger Splash", ist bekanntlich ein loses Remake von "Der Swimmingpool", und eine meisterhafte moderne Neuinterpretation des Originals und in vielerlei Hinsicht auch der bessere Film. Bei "Suspiria" ist ihm das in meinen Augen überhaupt nicht gelungen. Wäre mit schwachen 6 Punkten dabei.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9597
Hätte ich bei Ankündigung eines Suspiria-Remakes auch nie gedacht, dass ausgerechnet ich hier im Forum derjenige sein werde, der den Film verteidigt. :) Mir hat der Film ganz prima gefallen, gerade weil er sich so stark vom Original abgrenzt und sein ganz eigenes Ding durchzieht. Lediglich das Finale fiel ein klein wenig ab, aber davor war es ein zwar nicht unbedingt kurzweiliger, aber sehr anregender und interessanter Bildersturm. 8,5 Punkte und damit (zumindest nach einer Sichtung) irgendwo auf dem Niveau des Originals würde ich ihn ansiedeln. Zudem passt der Film ja auch viel besser als Abschluss der 3 Mütter-Trilogie als Mutter of Dings.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Zuletzt gesehener Film

9598
AnatolGogol hat geschrieben: 19. August 2020 10:30 Zudem passt der Film ja auch viel besser als Abschluss der 3 Mütter-Trilogie als Mutter of Dings.
Ja, die Träne ist eine Sauerei und der mit Abstand schwächste Film, den ich von Argento kenne.

Beim Remake konnte ich übrigens wissend nicken wenn Swintons Psychiater das Tagebuch des ersten Mädchens durchgeht und da allerhand Zeug von den Drei Müttern usw. zu sehen ist und dem Kollegen nach dem Film hochnäsig von diesem Easter Egg berichten (wobei es ja nicht wirklich ein Easter Egg ist, vor allem da die verschiedenen Mütter später auch noch im Dialog aufgegriffen werden). Verwirrend war aber etwas, dass eine der Mütter offenbar Tenebraeus oder so ähnlich heisst. Ist das in den Originalen auch schon so? Das hat nichts mit dem Argento-Film Tenebrae zu tun, der ja nicht Teil dieser Hexen-Mythologie ist?
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Re: Zuletzt gesehener Film

9599
iHaveCNit: Wege des Lebens – The Roads Not Taken (2020)
19.08.2020


Wenn ich an Filme mit Charakteren denke, die an Alzheimer und Demenz erkrankt sind, kommen mir sehr schnell die Til-Schweiger-Tragikomödie und der Zuschauermagnet „Honig im Kopf“ als auch die für Julianne Moore oscarprämierte Literaturverfilmung „Still Alice“ in den Sinn. Aktuell ist mit „Wege des Lebens - The Roads Not Taken“ von Sally Potter auch ein intimes Drama in den Kinos, dass vielleicht etwas kurz und oberflächlich ist, aber im Kern vor allem von seinem Darstellerdou Javier Bardem und Elle Fanning getragen wird.

Molly sollte eigentlich einen für ihren Beruf wichtigen Vortrag halten, doch dann kommt etwas dazwischen. Ihr Vater Leo, den sie einige Zeit nicht gesehen hat ist geistig verwirrt und benötigt für wichtige Termine außerhalb seiner vier Wände eine Begleitperson. Während Molly einen Zugang zu ihrem Vater sucht, scheint sich Leo in Scheinwelten zu verlieren, die mit früheren Lebensstationen zu tun haben.

Eine Person hat mir einmal über Demenz erzählt, dass man sich diese Krankheit wie ein Bücherregal vorstellen kann. Während das Regal selbst der Körper mit seinen Grundfunktionen ist, wird das Regal im Laufe des Lebens mit vielen Erfahrungen, Erlebnissen und Erlerntem in Form von Büchern gefüllt. Bei Demenz fallen im Laufe der Zeit viele dieser Bücher aus dem Regal – und selbst wenn man Bücher lange Zeit im Regal hatte, kann man sich nicht mehr sicher sein, den Inhalt zu kennen. Und so kommt es, dass der Film sich mit insgesamt 3 Büchern auseinandersetzt, die miteinander verwoben werden. Sowohl die Handlung im Hier und Jetzt als auch 2 weitere Szenarien werden hier miteinander kombiniert, bei denen wir uns nicht sicher sein können, ob Teile des Inhalts tatsächlich so passiert sind oder ob sie dem verwirrten Geist entstammen. Genau das versucht Regisseurin Sally Potter in ihrem Film darzustellen, der in weniger als 90 Minuten leider für die thematische Aufbereitung ein wenig zu kurz ist und vieles nur anreißt und nicht die mögliche Tiefe erreicht. In Nebenrollen sehen wir zum Beispiel Laura Linney und Salma Hayek, aber der Kern des Films sind vor allem das Vater-Tochter-Duo aus Elle Fanning und Javier Bardem, das dem sehr intimen und bodenständigen Film sehr gut tut, von dem ich gerne eine längere Version mit wesentlich mehr Tiefgang und emotionaler Bindung gesehen hätte.

„Wege des Lebens – The Roads Not Taken“ - My First Look – 7/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9600
GoldenProjectile hat geschrieben: 19. August 2020 20:46 Verwirrend war aber etwas, dass eine der Mütter offenbar Tenebraeus oder so ähnlich heisst. Ist das in den Originalen auch schon so? Das hat nichts mit dem Argento-Film Tenebrae zu tun, der ja nicht Teil dieser Hexen-Mythologie ist?
Du meinst Mater Tenebrarum, die Mutter der Dunkelheit, welcher die Antagonisten-Rolle in Inferno, dem Mittelteil von Argentos Trilogie, zufällt. Tenebrae bzw. Tenebre heisst halt Dunkelheit, der gleichnamige Film hat inhaltlich aber nix mit dem Hexen-Zeug zu tun. Allerdings dürfte sich Argento beim Titel wahrscheinlich schon selbst inspiriert haben. :)
GoldenProjectile hat geschrieben: 19. August 2020 20:46 Ja, die Träne ist eine Sauerei und der mit Abstand schwächste Film, den ich von Argento kenne.
Es kann durchaus auch ein Segen sein, wenn man nicht alle Filme des silbernen Herren kennt. :D Persönlich würde ich den TV-mäßigen The Card Player, den Revolutions-Klamauk Le cinque giornate, den digital-dilettantischen Dracula und den grotesken Il Fantasme dell'opera noch unter dem Tränendrücker ansiedeln. Vor allem bei letzterem ist es angesichts der prunkvollen Ausstattung, den teilweise wunderschönen Bildern und Morricones geandiosem Score eine echte Tragödie, dass da so ein schlechter Film bei rauskam.
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