Re: Bond 27 XXL - Mods sind schneller als Amazon

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GUNBARREL

Die Gunbarrel öffnet sich auf das Mittelmeer vor der Küste Siziliens. Das Waser glitzert und funkelt in der Sonne und weit vor der Küste dümpelt eine schneeweisse Jacht mit dem Namen 'Del Castello'. Ein Boot der Küstenwache, vollgepackt mit bewaffneten Beamten, hält direkt darauf zu und wir sehen das entschlossene Gesicht einer Kommandantin (gespielt von irgendeiner italienischen TV-Darstellerin). Die Küstenwache entert die Jacht förmlich, wo sie schon vom vierköpfigen, ausschliesslich männlichen Bordpersonal und zwei Herren erwartet werden – ein DICKER (Salvatore Esposito) und ein DÜNNER (Luca Marinelli). Die Kommandantin klatscht den beiden ihren Durchsuchungsbefehl förmlich ins Gesicht. "Gebrüder Enzo und Giovanni, hiermit durchsuche ich Ihr Boot wegen dringenden Verdachts auf Waffenschmuggel, illegalen Waffenbesitz, Rauschgifthandel und Geldwäsche". Die Gebrüder feixen nur und erklären, dass sie das Schiff gerne durchsuchen dürfe, die beiden aber nichts zu verbergen hätten.

In einer raschen Montage filzen die Beamten sämtliche sechs Männer an Bord, durchsuchen Kabinen, die Brücke, das Logbuch und sogar die Bar. Einer nach dem anderen melden sie, nichts gefunden zu haben – die Brüder feixen, die Kommandantin kocht. Es tue ihnen leid für den Irrtum, schleimen Enzo und Giovanni. Der Küstenwache bleibt nichts anderes übrig, als abzuziehen. Als sich das Polizeiboot entfernt, holt einer der Handlanger die zuvor verstauten Pistolen aus einem Versteck im Dielenboden und verteilt sie wieder an seine Kollegen. Der dünne Enzo steigt die Treppe zum obersten Deck hoch, während der dicke Giovanni in entgegengesetzter Richtung in den Tiefen der Jacht verschwindet. Wir schneiden auf die davonfahrende Kommandantin, die wie zu sich selbst sagt: "Die beiden Schweine haben gewusst, dass wir kommen! Aber wie?" Ihr Adjutant zuckt mit den Schultern. "Oder aber dieser Engländer hat sich geirrt" – "Vielleicht", murmelt die Kommandantin nachdenklich. "Und wo steckt der Kerl überhaupt?"

Auf dem untersten Deck des Schiffs öffnet Giovanni per Knopfdruck eine Geheimtür in der Vertäfelung, und betritt den versteckten Raum. Die Tür gleitet hinter ihm zu. In der Mitte sitzt JAMES BOND (Leo Suter) im kurzärmligen Hemd, mit dünnen Stricken an einen Stuhl gefesselt. Seine Nase blutet und die Lippe ist aufgeplatzt. Aufmerksame Beobachter erkennen im Hintergrund Kisten mit Maschinenpistolen, Granaten, Torpedos und Bargeld. "Zurück zu Ihnen, Mister…" Giovanni wirft einen Blick in Bonds Brieftasche, die neben seiner Walther CCP auf einem Tisch liegt. "…Mark Hazard. Ich hoffe, Sie haben sich nicht die Lunge aus dem Leib geschrien, als Ihre Freunde eben da waren. Dieser Raum ist nämlich absolut schalldicht". Er kommt bedrohlich auf Bond zu. "Wo waren wir? Ach ja! Sie waren dabei, mir zu berichten, für wen Sie arbeiten!" Beim letzten Teil platziert er eine rechte Gerade in Bonds Gesicht. 007 gibt ein unterdrücktes Stöhnen von sich, fasst sich aber schnell wieder und hält Giovannis Blick stand. "Nicht sehr gesprächig, was?", schnauzt der Dicke, rollt die Ärmel hoch und nimmt ein Messer vom Tisch, mit dem er auf Bond zu und um ihn herum geht. Hinter Bond stehend lässt er die Klinge ein paar Mal um dessen Kopf kreisen. "Dann werden wir wohl etwas nachhelfen müssen".

Dabei ist die Kamera um Bond herumgeschwenkt und zeigt, dass sich der Strick, der das linke Fussgelenk festhält, in einem Nagel verfangen hat, der aus dem Stuhlbein ragt. Das Seil ist schon fast durchgescheuert. Mit der rechten Hand kommt Bond derweil knapp an seine linke und es gelingt ihm mit den Fingerspitzen, seine Rolex Submariner aus den frühen 70ern zu erreichen. Als Giovanni das Messer hebt, zieht er an der Krone und die Löcher im Ziffernblatt färben sich rot. Das Messer wird aus der Hand des Schurken gerissen, wirbelt in die Tiefe und bleibt mit einem *ping* an Bonds Uhr kleben. Die Sekunden der Verwirrung nutzt er, um mit einem kräftigen Ruck seinen linken Fuss zu befreien, gegen den Boden zu stemmen und den Stuhl damit herumzuwirbeln, so dass er Giovanni gegenübersitzt. Der Dicke gewinnt seine Fassung zurück und stürmt auf Bond zu, wird aber von einem Tritt in die Magengegend zurückgefedert. Blindlings gelingt es Bond, das an seinem linken Handgelenk klebende Messer durch den Strick der rechten Hand zu fädeln, und diese zu befreien. Giovanni stürzt sich erneut auf den sitzenden Bond und versucht, an das Messer hinter dessen Rücken zu gelingen. Sie ringen miteinander, und Bond kann den massigen Kerl schliesslich zurückdrängen, indem er mit der nun freien rechten nach dessen Augen piekst. Er schaltet die Magnetuhr wieder ab, fängt sogleich mit derselben Hand knapp das fallende Messer auf und säbelt nun an den Stricken des rechten Beins, als Giovanni erneut angreift. Der Dicke kickt dem gebückt sitzenden 007 das Messer aus der Hand, gerade, als dieser den rechten Fuss befreit. Der Stuhl ist jetzt nur noch an Bonds linker Hand befestigt. Er richtet sich auf und schwingt den linken Arm mitsamt Stuhl über seinen Kopf und zertrümmert ihn an Giovannis Schädel. Der Schuft taumelt benommen rückwärts und nur noch ein Stück Holz baumelt an Bonds Hand. Aber Giovanni ist jetzt nahe beim Foltertisch mit Bonds Habseligkeiten, begreift rasch und greift geistesgegenwärtig nach der Walther, während Bond instinktiv nach dem weggetretenen Messer Ausschau hält. Als Giovanni nach der Pistole greift, zieht Bond erneut an seiner Rolex und pflückt das herbeigewirbelte Messer von der Uhr. Giovanni zielt, doch 007 ist schneller und trifft dessen Herz mit einem meisterhaften Messerwurf. Für einen Moment versucht Giovanni noch, abzudrücken, dann gibt sein massiger Körper nach und kracht mit einem Heidenlärm auf den Boden. Bond lauscht kurz, und als nichts zu hören ist kann er endlich verschnaufen. "Tatsächlich: Absolut schalldicht!"

Er kommt wieder zu Atem, schneidet sich den restlichen Stuhl vom Handgelenk, wischt sich mit einem herumliegenden Tuch das Blut vom Gesicht, steckt die Brieftasche ein und prüft die Walther. Erst dann öffnet er die Geheimtür und späht vorsichtig auf den Gang. Nichts zu sehen. Er schleicht ein Deck nach oben an die frische Luft und erblickt zwei Wachen, die gelangweilt plaudern und schliesslich ihre Zigaretten wegschmeissen und patrouillieren gehen. Als der eine an der Öffnung, hinter der sich Bond versteckt, vorbeigegangen und der andere am Heck verschwunden ist, nimmt er die nächste Treppe in Angriff, als ihm etwas auffällt: Direkt neben der Jacht dümpelt ein kleines Wasserflugzeug ohne sichtbare Insassen. Unverständlichen Stimmen folgend schleicht Bond weiter nach oben und späht über die Kante des höchsten Decks. In einem gläsernen Aufbau befindet sich die Kommandobrücke, die nach hinten zu einer schicken Terrasse mit Whirlpool und Sitzlounge geöffnet ist. Auf dem Polster sitzt lässig der Pilot des Flugzeugs, ein BLONDER (Wyatt Russell) mit Sonnenbrille und Dreitagebart. Enzo gesellt sich gerade mit zwei Drinks zu ihm und spricht:

"…brauchen wir dann doch eine Art, nennen wir es Vertrauensbeweis von Ihnen. Hier". Er legt dem Blonden ein grosses gedrucktes Foto hin. "Dieser Kerl hat uns um fünfzig Millionen beschissen und ist abgehauen. Nicht sehr freundlich, was? Finden Sie ihn, dann kommen wir ins Geschäft". Der Blonde studiert das Foto über den Rand seiner Sonnenbrille und sagt: "Ich brauche ein bisschen mehr als das". Enzo nickt. "Ein Geschäftsfreund behauptet, ihn in Marrakesch gesehen zu haben. Wir haben ihn gebeten, sich umzuhören. Es gibt da unten einen Waffenhändler, der mit der Polisario-Front Geschäfte macht. Der veranstaltet jede Woche eine Art Flohmarkt in der Westsahara und unser Mann wurde dort beim Einkaufen gesichtet. Waffen und Munition, kleine Menge, vermutlich für den Eigenbedarf" – "Damit kann ich arbeiten", sagt der Blonde und hebt sein Glas. "Trinken wir darauf". Bond ist so aufs Lauschen fixiert, dass er den Wachmann nicht bemerkt, bis er dessen Pistole im Genick hat. Eine Sekunde später ist seine eigene Waffe weg.

Hinter vorgehaltener Waffe und sichtlich genervt über die neuerliche Gefangennahme wird Bond dem verdutzten Enzo vorgeführt. "Capitano, der Gefangene hat versucht, zu fliehen", sagt der Wachmann überflüssigerweise und legt Bonds Walther auf den Tisch direkt vor dem Blonden, der sie neugierig beäugt. Enzo sagt: "Aber wie konnte das passieren? War mein Bruder nicht bei ihm?" – "Ich fürchte ihr Bruder ist…", meldet der Wachmann zögerlich. Enzo begreift, steht auf und bleibt mit flackernden Augen vor Bond stehen. "Du elender Hund! Na warte, dich werden wir kielholen, sobald wir alle Informationen aus dir rausgeholt haben!" Der Wachmann bewacht Bond geduldig, der Blonde mustert immer noch interessiert die Walther, Enzo bohrt seinen Zeigefinger in Bonds Brust. "Du wirst noch darum betteln, zu sterben! Verstehst du? Bet…"

Dann geschieht alles gleichzeitig: Bond verpasst Enzo einen Kopfstoss. Der Blonde schnappt sich die Walther und erschiesst den Wachmann. Das restliche Bordpersonal schreckt auf und sucht mit gezückten Pistolen den Weg nach oben. Bond und Enzo ringen miteinander in Richtung der Kommandobrücke. Als der nächste Handlanger die Treppe hochstürmt fängt er sich ebenfalls eine Kugel des Blonden ein und purzelt rückwärts wieder herunter, wobei er einen seiner Kameraden mit in die Tiefe reisst. Enzo und 007 prügeln sich durch das Steuerhaus. Die beiden verbliebenen Handlanger greifen nicht mehr blindlings an, sondern nehmen den Blonden, der hinter den Sitzpolstern in Deckung gegangen ist, gezielt unter Beschuss. Einer lenkt ihn mit Pistolenfeuer ab, der andere ist um das Heck herumgegangen und auf die Reling des Promenadendecks geklettert, um sich von dort nach oben zu hangeln und den Blonden von hinten zu überraschen. Da legt Bond, mit Enzo ringend, einen Hebel um und setzt das Schiff in Gang. Der Ruck bringt alle an Bord aus dem Gleichgewicht und lässt den Kletterer mit einem Schrei ins Meer stürzen, während Bond und Enzo wieder aufs Aussendeck purzeln. Der Gangster ringt 007 mit einem Fusstritt nieder, stürmt an die Brücke zurück und greift sich einen Harpunenpfeil aus einem Regal mit Angelausrüstung, ehe er die Bremse zieht. Diesmal werden alle durch den Ruck nach vorne geschleudert, in Bonds Fall in Richtung Steuerhaus und auf Enzo zu, der ihn mit ausgestrecktem Pfeil erwartet. Es gelingt ihm gerade noch, sich an der Dachkante des Häuschens festzuhalten, wobei seine Füsse nach vorne schwingen und er dem Schurken einen Tritt gegen den Kiefer verpassen kann. Der Harpunenpfeil wirbelt davon. Derweil ist der letzte Handlanger aufs Oberdeck gestürmt, aber sowohl er als auch der Blonde sind durch die Bremsung gestrauchelt und ringen jetzt um die herrenlose Walther. Bond, der jetzt von hinten von Enzo umklammert und gewürgt wird, beschleunigt die Jacht mit dem Hebel wieder auf volle Kraft und befreit sich dann mit einem Ellbogenstoss nach hinten. Er gewinnt die Oberhand und drückt Enzo auf das Steuerrad, was das Schiff Schlangenlinien fahren lässt. Wir sehen, dass es auf eine aus dem Wasser ragende Felsformation zusteuert, ehe es das Riff auch schon rammt und mit erhobenem Bug zwischen zwei Felsen stecken bleibt. Erneut purzeln alle vier Männer nach vorne, und danach, durch die Neigung der festgekeilten Jacht, wieder nach hinten. Am schlimmsten erwischt es den Handlanger, der zuerst mit dem Kopf gegen die Glaskante der Kommandobrücke knallt, und danach rückwärts in den Whirlpool fällt, wo er reglos treibt.

Die drei Überlebenden kommen stöhnend zu sich. Bond sucht seine Sinne zusammen und erkennt, dass das Oberdeck und die Kommandobrücke verwüstet sind. Links von Enzo liegt das Steuerrad, rechts der umgekippte Kapitänsstuhl und rundherum sind Glasscherben verstreut. Hinter Enzo liegt einer der Harpunenpfeile. Als der Gangster ebenfalls wieder zu sich kommt, sich mit wut- und schmerzverzerrtem Gesicht aufrichtet und Bond anknurrt, zieht dieser geistesgegenwärtig die Krone an seiner Uhr. Der Pfeil hinter Enzo fängt an, zu vibrieren und dreht sich wie eine Kompassnadel, rutscht Zentimeter für Zentimeter über das zersplitterte Deck und gerät schliesslich vollends in den Radius des Magnetfelds, wodurch er losflitzt wie von einem Bogen abgeschossen und sich direkt zwischen Enzos Schulterblätter bohrt. Der dünne Bruder geht ebenso zu Boden wie vor ihm der dicke und bleibt reglos mit dem Gesicht nach unten liegen.

Der Blonde ist mittlerweile ebenfalls wieder auf den Beinen und sieht erstaunlich heilgeblieben aus. Bond sammelt seine Walther auf und geht auf ihn zu. "Felix Leiter, du kommst ja ganz schön herum in der Welt. Bist du etwa nicht mehr Führungsoffizier in der Karibik?" Leiter antwortet sarkastisch: "Dir auch einen guten Morgen, James. Nein, dort drüben ging es in den letzten Jahren drunter und drüber. Ich hatte mir eigentlich etwas Ruhigeres erhofft". Er blickt um sich. "Aber das war wohl nichts". Bond sagt: "Jedenfalls danke für dein Einspringen eben. Ich habe zuerst meinen Augen nicht getraut, als ich dich erkannt habe, aber du kamst sehr gelegen" – "Und ich wollte schon sagen. Du wirst auf deine alten Tage doch nicht etwa schwach? Kein hübsches Mädchen in Sicht, stattdessen eine Knarre an der Schläfe und dein guter alter Onkel Sam muss all seine hart geschmiedeten Pläne über den Haufen schmeissen und dich raushauen". Bond grinst. "Was soll ich sagen: Auch auf unserer Seite des Atlantiks kann es drunter und drüber gehen. Aber sag mal, was machst du überhaupt hier?" Leiter deutet auf den Horizont. "Ein andermal. Deine Freunde kommen zurück". Bond sieht das Boot der Küstenwache, das vom Kampf alarmiert und mit Sirenen wieder auf sie zusteuert. "Hast du einen Fluchtplan?", fragt er. Leiter deutet auf das Wasserflugzeug, das nun ein ganzes Stück entfernt liegt. "Keine Engländer auf der Passagierliste. Sorry, James". Er holt sich seinen Aktenkoffer aus den Trümmern, steckt das Foto, das Enzo ihm gegeben hat ein und holt stattdessen einen kleinen, schwarzen Rucksack hervor und etwas das aussieht, wie ein vierbeiniger Tritthocker. "Das würdest du mir nicht antun", ruft Bond mit halb gespielter Empörung. "Nicht deinem alten Freund". Leiter zieht den Rucksack an, setzt sich auf die Reling und fängt an, den Hocker an seine Füsse zu schnallen. "Ich fürchte doch. Ich operiere nach einem sehr strikten Zeitplan und habe wirklich keine Zeit, diplomatische Scherben zusammenzukehren. Aber du bist bestimmt ganz ausgezeichnet darin". Bond deutet auf Leiters Gerätschaften. "Jetzt mal ehrlich. Was ist das? Und noch wichtiger: Warum hat Langley es, aber wir nicht?" Leiter stöpselt einen Schlauch, der aus seinem Rucksack führt, an den Tritthocker. "Hast du etwa noch nie von einem Flyboard Air gehört? Benutzt ihr Briten noch Pferd und Wagen?" Er winkt. "Auf Wiedersehen, James. Ruf mich an, wenn du mal nach Texas kommst". Mit diesen Worten schwingt er sich rücklings von der Reling. Bond beobachtet staunend, wie er durch die nach unten gerichteten Gasturbinen seines Flyboards in der Schwebe bleibt und leicht nach vorne geneigt in Richtung seines Flugzeugs los düst. Dann reisst Bond sich los und hantiert mit einem leichten Seufzer an seiner Brieftasche. Er dreht das Innere nach aussen, wodurch eine Art versteckte Brieftasche zum Vorschein kommt und schüttelt ein kleines Büchlein hervor: ein Diplomatenpass. Als Nächstes entlädt er seine Waffe klar ersichtlich auf der demolierten Bartheke und geht die wenigen heilgebliebenen Flaschen durch, bis er mit anerkennendem Blick bei einem Gin stehen bleibt, der für Product Placement zahlt.

Die strenge Kommandantin und ihr Team stürmen ein zweites Mal die Jacht. Als sie auf dem verwüsteten Oberdeck ankommen, brüllen sie Bond mit vorgehaltenen Waffen an, doch der steht seelenruhig da, weit genug von seiner entladenen Pistole entfernt, mit erhobenen Händen und in der einen davon deutlich seinen Diplomatenpass zeigend. Die Kommandantin erkennt ihn und befiehlt ihren Männern, die Waffen runterzunehmen. "Sie!", ruft sie erstaunt. "Was zum Henker ist hier passiert?" Bond nimmt vorsichtig seine Hände runter. "Das ist eine wirklich lange Geschichte, Signorina, und ich werde sie ganz bestimmt nicht mit trockener Kehle erzählen. Darf ich? Wir sind doch unter Freunden". Er greift nach dem Cocktailshaker, mit dem er bis zur Ankunft der Polizeitruppe hantiert hatte. "Möchte etwa noch jemand einen Drink?"

TITELSEQUENZ
We'll always have Marburg

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Die Titelsequenz verblasst und in einer Nahaufnahme kommt eine Metallkette zum Vorschein, die um das Schloss eines Garagentors gebunden ist. Von rechts kommt ein Bolzenschneider ins Bild und mit einem kräftigen Hauruck ist die Kette geknackt. Der Bolzenschneider fällt zu Boden. Zwei Hände greifen unten an das Garagentor und mit einem Mal schieben sie dieses nach oben. Wir schneiden ins Innere und filmen auf das sich öffnende Tor. Vier große, kräftige Gestalten sind als Silhouetten zu sehen. Eine von ihnen greift an der Wand im Innern der Garage entlang und findet einen Lichtschalter. Mit etwas Flackern erhellt sich die Garage und wir erkennen die vier Männer eindeutig als Latino-Schlägertypen. Zwei von ihnen sind bewaffnet, einer nur im Unterhemd gekleidet. Ein Schnitt versetzt uns in ihren Point of View. Die Garage ist: vollkommen leer. „Das Geld“, blafft einer der Männer auf Spanisch (die folgenden Sätze sind alle untertitelt), „wo ist es hin?“ Alle vier schauen sich untereinander an. „Er wird doch nicht…“, flüstert einer von ihnen andächtig. „Er hat!“, schimpft ein anderer und zeigt auf einen einzelnen Geldschein, der noch am Boden liegt, „wir müssen Tío anrufen, er soll ihn am Flughafen abfangen.“ Einer der Vier, der noch nichts gesagt hat, schüttelt in Anbetracht der gewaltigen Leere vor sich den Kopf: „Das ganze Geld! Dafür bräuchte er mindestens 20 Taschen.“

Cut. Wir sehen eine Tasche auf das Abgabeband eines Flughafens knallen. Sie setzt sich in Bewegung, vor ihr ist eine Reihe weiterer identischer Taschen zu erkennen. Ein MEXIKANER (Gael García Bernal) lächelt gut gelaunt den Mann am Schalter an: „Das war die Letzte“ sagt er (ebenfalls auf Spanisch und für uns untertitelt). Jetzt wird er gebeten, noch ein Formular zu unterschreiben. Er bittet um einen Stift und kritzelt ein paar Schmierereien auf das Papier. Während der Flughafen-Angestellte das Formular prüft, steckt der Dieb den Kugelschreiber in seine Hosentasche, lächelt unentwegt und bedankt sich eifrig. Da er die Koffer nun abgegeben hat, kann er durch den Sicherheitscheck gehen. Anhand einer Ansage per Lautsprecher erfahren wir, dass wir uns am Flughafen von Mexico City befinden. Hinter dem Sicherheitscheck befinden sich einige kleine Geschäfte, darunter auch ein Kaffeestand. Er schaut auf die Uhr, dann auf eine Anzeige mit den Flügen. Ein paar Minuten bis zum Boarding hat er noch. Er stellt sich am Kaffeestand in der Schlange an und lässt den Blick schweifen. Etwa 15 Meter entfernt bleibt ein Mann im Anzug schlagartig stehen und fixiert ihn.

Ihre Blicke treffen sich. Der Mexikaner scheint sein Gegenüber zu erkennen, erstmals friert sein Lächeln leicht ein. Wir verstehen, dass der Mann im Anzug der von den Gangstern alarmierte Tío ist. Tío greift in seine Jackett-Tasche und es zeichnet sich ab, dass er bewaffnet ist. Er deutet mit einem Kopfnicken auf eine Tür links hinter sich, der Herrentoilette. Der Mexikaner versteht. Er entfernt sich aus der Schlange, geht mit etwas Abstand an Tío vorbei und verschwindet auf dem Klo. Der Bewaffnete folgt ihm. Die Kamera bleibt einige Meter von der Tür entfernt. Als beide die Toilette betreten haben und nicht mehr zu sehen sind, fährt die Kamera in einer langsamen Bewegung auf die Tür zu, und zoomt immer weiter ran, bis nach 30 Sekunden nur noch das Männer-Zeichen auf dem Schild zu sehen ist. Da öffnet sich die Tür wieder und der Mexikaner kommt heraus. Er setzt sofort sein Grinsen wieder auf, fummelt sein Ticket aus der Jackentasche und betritt den Flieger.

Nach einem Schnitt sitzt er bereits auf seinem Platz, klappt enthusiastisch den kleinen Tisch am Sitz vor sich herunter, legt sein Handy dort ab und schaut aus dem Fenster. Er beobachtet auf dem Rollfeld, wie die Koffer angefahren kommen, die ins Flugzeug verladen werden. Dabei erspäht er hübsch beieinander aufgereiht exakt 21 gleich aussehende Taschen. In ihnen ist das gestohlene Geld. Selbst zufrieden wird sein Grinsen noch breiter. Das Flugzeug hebt nach einem weiteren Cut ab und wir schalten wieder in den Flughafen selbst. Dort legt der Bediener vom Kaffeestand gerade kurz seine Schürze ab und gibt sie einem Kollegen, um auf die Toilette zu verschwinden. Er geht durch die uns bekannte Tür und wäscht sich an einem Waschbecken kurz die Hände. Beim Blick in dem Spiegel erstarrt er: Unter einer der Kabinentüren hinter ihm läuft langsam Blut heraus. Er dreht sich um, stößt zaghaft die Tür auf und vor ihm auf dem Klo sitzt der tote Tío. Der Kugelschreiber, den der Mexikaner eingesteckt hatte, steckt in seiner Halsschlagader. Völlig angeekelt rennt der Barista heraus und schreit. Wir sehen daraufhin den Flughafen von außen und ein Alarm-Signal ertönt.
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Re: Bond 27 XXL - Mods sind schneller als Amazon

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Die Flughafensirene und der Schrei gehen nahtlos in das Geräusch eines Weckers über und wir befinden uns in einer einfachen, aber komfortabel eingerichteten Wohnung in Chelsea. James Bond schlägt die Augen auf und das Laken zurück, rollt sich seitlich aus dem Bett, landet auf allen vieren und macht direkt ein paar Liegestütze. Als nächstes sehen wir seine Silhouette hinter dem Milchglas der laufenden Dusche, dann wie er sich rasiert. Sein Gesicht sieht wieder einigermassen präsentabel aus. Während er seine Rasur abschliesst, sind das Klirren der Haustürschlüssel und danach Schritte im Eingangsbereich der Wohnung zu hören. "Mr. Bond? Sind Sie schon auf?", ruft eine Stimme mit starkem schottischem Akzent. Sich das Gesicht mit einem Handtuch reibend, begibt sich Bond in die Küche, wo seine Haushälterin MAY (Shirley Henderson) gerade die Einkaufstüten auspackt. "Sie sind ja ein früher Vogel. Und das an Ihrem freien Tag", kommentiert May und hält ihm ein Marmeladenglas hin. "Tiptree war aus, ich fürchte das hier muss für die nächste Woche genügen". Bond studiert das Marmeladenglas für eine Sekunde, dann stellt er es beiseite. "Harte Zeiten kommen auf uns zu". Er überfliegt die Titelseite der 'Times', die auf dem Tisch liegt. "Auf uns alle, wie es scheint". Hinter ihm ist May mit den Einkäufen zugange und fragt: "Was haben Sie heute überhaupt vor, so als freier Mann?". Bond überlegt. "Ich könnte den Bentley nach Essex fahren und auf den Landstrassen testen, wie er sich nach der Reparatur so macht. Vielleicht mit einem Zwischenstopp in einem guten Landgasthof". – "Sie mit Ihrer Raserei! Sie werden sich bei einem Unfall noch das Genick brechen!", knurrt May. "Oder ich könnte Ronnie – Assistant Commissioner Vallance – zum Mittagessen bei Scott's einladen. Danach vielleicht eine Runde Golf, wenn er den Nachmittag frei hat…" May schüttelt energisch den Kopf. "Und dann ziehen Sie wieder mit ihm um die Häuser bis tief in der Nacht. Sie müssen sich doch auch mal erholen". Ihr sonst so verschlossenes Gesicht leichtet auf. "Ich hab's: Rufen Sie diese junge Dame an. Die aus Camden. Wie hiess sie noch gleich? Sylvia! Sie wirkt anständig". Bond macht eine ernste Miene. "Ich glaube nicht, dass sie einen guten Einfluss auf mich hätte, May". Vertraulich raunt er ihr zu: "Sie spielt und trinkt!"

Bond stellt eine Kupferpfanne auf den Herd und macht sich am Eierkarton zu schaffen. "Quatsch!", protestiert May. "Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Rufen Sie sie an, ich mache Ihnen in der Zwischenzeit ein ordentliches Frühstück". Bond fängt an, Eier in einer Schüssel aufzuschlagen und sie kräftig mit einer Gabel zu verrühren. "Machen Sie mir bitte lieber einen guten Kaffee, May. Ich kümmere mich schon um das Frühstück". – "Seien Sie nicht albern! Ich kann das auch. Ich sollte mittlerweile wissen, wie Sie ihr Rührei haben möchten". Aber Bond lässt bereits etwas Butter im Topf zergehen, gibt die Eier dazu und rührt mit einem kleinen Schneebesen um. Dazu erklärt er: "Meine Liebe May, es gibt Dinge, deren Genuss unzertrennlich mit dem Ritual der handeigenen Zubereitung verknüpft ist, ganz sicher zumindest in den eigenen vier Wänden. Das kann ein extra blutiges Rumpsteak vom Grill sein, ein trockener Martini mit Lillet Blanc, oder…" Er nimmt den Topf vom Herd und hält ihn May unter die Nase. "…ein gutes, hausgemachtes Rührei 'James Bond', wie ich es in New York gelernt habe. Nur noch kurz mit etwas Butter weiterrühren, fein gehackter Schnittlauch darüber und schon haben wir ein wunderbares Frühstück". May kommentiert staubtrocken: "An Ihnen ist ein grosser Koch verlorengegangen. Was machen Sie überhaupt noch in der Exportbranche?" Noch bevor Bond etwas entgegnen kann, klingelt sein Smartphone. Auf dem Display steht 'UE-Bereitschaftsdienst, HQ-1 für 007'. Er seufzt. "Sieht aus, als gäbe es doch kein Frühstück. Ich werde dringend im Büro gebraucht". May ist empört. "An Ihrem freien Tag? Was für ein Saftladen! Sie sollten definitiv die Branche wechseln". Bond verlässt die Küche und sagt: "Ich frühstücke im Büro etwas Kleines. Verstauen Sie bitte einfach die Einkäufe und schliessen Sie dann ab". May betrachtet die zurückgelassene Kupferpfanne und ruft ihm hinterher: "Soll ich das Rührei nicht für Sie einpacken?"

"Ja Sir. Er wird sicher jeden Moment eintreffen. Natürlich schicke ich ihn gleich hoch, Sir". LOELIA PONSONBY (Daisy Edgar-Jones) legt den Hörer auf, als 007 das Büro betritt. "Da sind sie ja, James. M liegt mir schon seit einer Stunde in den Ohren, dass ich Sie hochschicken soll". Ein missmutiger Bond entledigt sich seines Mantels und stellt eine Tupperdose mit Rührei, die er unter dem Arm getragen hat, auf seinen Schreibtisch. "Was ist denn hier überhaupt los, was nicht warten kann? Ist die Kaffeemaschine an der Downing Street ausgestiegen?", fragt er. "Ich weiss nur, dass es etwas für einen 00-Agenten ist", meint Ponsonby. Bond: "Und gibt es davon etwa keine anderen im Haus? Was ist mit 003?" – "Immer noch verdeckt in Russland" – "008?" – "Mit den Koreanern an einer Sache in Singapur dran" – "005?" Bond beantwortet sich seine letzte Frage selber, indem er eine Verbindungstür aufstösst und den Kopf ins Nebenzimmer streckt, wo 005 (Matt McCooey) gerade damit beschäftigt ist, ein buntes Blechschild mit der Aufschrift 'Habana Cuba' an die Wand zu hängen. "Ah, James. Schau dir mal mein kleines Souvenir an. Hübsch, nicht wahr?" Er zwinkert vielsagend. "Miss Stephenson aus der Abteilung Analytik will es nachher unbedingt anschauen kommen". Bond hat keine Worte dafür und schliesst die Tür kommentarlos. "Geben Sie M Bescheid, dass ich gleich bei ihm bin", sagt er zu Ponsonby.

M (Idris Elba) studiert gerade eine Akte, als Bond eintrifft. "007. Setzen Sie sich", brummt er und lässt Bond einen Moment warten, während er die Seite zu Ende liest. Dann setzt er einen Haken darunter und blickt seinem Agenten in die Augen. "Am besten ich komme gleich zur Sache. Station J hat sich aus Tokio gemeldet. Vor zwei Tagen kamen dort sechs Halunken in einem ausgesprochen dubiosen Lokal ums Leben. Alles deutet auf eine Schiesserei zwischen Gangstern der Yakuza hin". Bond nickt, scheint aber wenig überzeugt, dass er für diese Sache zitiert wurde. "Ich verstehe. Aber wie betrifft uns das, Sir?" – "Einer der Toten war in Wirklichkeit ein Informant für Station J". M steht von seinem Schreibtisch aus, und blickt vom Fenster aus auf den Regent's Park. "J arbeitet mit dem japanischen Nachrichtendienst zusammen, um die Geldwäscherei der Yakuza auszuhebeln. Ein wohlwollender Akt für die internationale Zusammenarbeit, aber auch eine Notwendigkeit, weil zu viele schmutzige Transaktionen über unsere Firmen in Japan abgewickelt werden". Bond sagt: "Und Sie denken, dass unser Mann in diesem Bandenkrieg aufgeflogen sein könnte?" M dreht sich vom Fenster um. "Das sollen Sie ja gerade herausfinden", erklärt er. "Ist er enttarnt, oder nicht? Vielleicht wusste man schon vorher über ihn Bescheid. In dem Fall hätte es eine gezielte Hinrichtung sein können. Die anderen Opfer könnten als Warnung ermordet worden sein, weil sie unseren Mann unbewusst eingeschleust hatten. Oder vielleicht waren sie nur Kollateralschäden. Vielleicht hatten wir auch Glück, und es besteht keine Verbindungen zwischen der Schiesserei und unsere Mann". Er setzt sich wieder an seinen Schreibtisch. "Setzen Sie sich mit Station J in Verbindung, 007. Hören Sie sich in Tokio um. Wir sollten besser Bescheid wissen, wie es um unsere Ermittlungen steht. Ausserdem gibt es noch eine Informantin, eine gewisse Kiko Onishi. Sie arbeitet als Kellnerin in einem Restaurant, das als wahres Yakuza-Nest gilt. Sie muss notfalls extrahiert und in Sicherheit gebracht werden. Mit den üblichen Methoden".

Bond kann sich die Bemerkung nicht verkneifen: "Na, das klingt ja einfach genug". M's Blick durchbohrt ihn. "Sie fragen sich, warum ich Ihrem Erholungstag ein so abruptes Ende gesetzt habe, nicht wahr?" Bond, der trotz allem keine grosse Affäre daraus machen will, hält es für das Klügste, nicht direkt zu antworten. Also fährt M fort: "Die Geschichte in Italien ist zu einem halbwegs zufriedenstellenden Ende gekommen. Nur der Botschafter in Rom und der Konsul in Neapel waren die ganze letzte Nacht auf den Beinen. Und der Verteidigungsminister, wie wir beide wissen nicht der geduldigste Mann im Königreich, hat sich furchtbar aufgeregt". Bond sagt: "Nun, ich habe meinen Bericht ja schon auf dem Rückflug getippt. Ich glaube ich erwähnte den Amerikaner, der ebenfalls involviert war". – "Richtig, der ominöse Amerikaner. Dumm nur, dass Langley alles abstreitet". M seufzt. "Alles, was ich sage, ist: Dieser Sache hätte von Anfang an mehr Diskretion gutgetan. Nehmen Sie zum Beispiel mal 005. Niemand hat auch nur mitbekommen, dass er einen Fuss auf Kuba gesetzt hat". Bond murmelt: "Ausser Miss Stephenson aus der Abteilung Analytik". M ignoriert ihn. Also meint Bond versöhnlich: "Nun, Sir, dann werde ich am besten rasch bei Q vorbeischauen. Es muss doch noch ein paar vergiftete Essstäbchen oder etwas in der Art geben, die ich mitnehmen kann". M schüttelt den Kopf. "Ich fürchte dafür bleibt keine Zeit, 007. Ihr Flug ab Heathrow geht in…" Er blickt auf die Uhr "…Siebzig Minuten. Viel Erfolg, Bond". Damit widmet er sich wieder dem Aktenstudium. Erst als Bond die Tür fast erreich hat, ruft er: "007?" Bond bleibt stehen und dreht sich um. "Sir?" M blickt ihn wieder direkt an und sagt: "Diese Yakuza-Leute sind üble Burschen. Und die Frau, Kiko, ist praktisch eine Zivilistin. Was ich sagen will: Botschafter kriegen in jeder anderen Nacht genug Schlaf. Wenn ich Gefahr wittere, schicke ich lieber den besten Mann". Bond zieht die Augenbrauen hoch. "Den besten Mann?" M setzt ein 'bilden-Sie-sich-nichts-darauf-ein'-Gesicht auf. "Ich bin ja selber nicht mehr im aktiven Dienst, nicht wahr?" Beide verkneifen sich ein Lächeln, dann nickt Bond und schliesst die rote Ledertür hinter sich.


Szenenwechsel nach Marokko. Wir sehen einen Establishing Shot von Rabat, dann ein Vorzimmer in irgendeinem Bürogebäude. Auf einem Besucherstuhl sitzt lässig ein AMERIKANER (Balthazar Getty) um die 50, der gut, aber auch gerissen aussieht. Er wartet und zwinkert immer wieder schamlos der Sekretärin zu, die schüchtern wegschaut. Als ihre Gegensprechanlage summt, sagt sie: "Sie können jetzt reingehen, Mr. Pullman". Der Amerikaner betritt den Konferenzraum mit Panorama auf die Stadt. Am Tischende sitzt ein marokkanischer Geschäftsmann, ein zweiter sitzt diskret hinter ihm, mit einem Aktenkoffer auf den Knien. "Salam Aleikum", sagt der erste Geschäftsmann. "Howdy", antwortet der Amerikaner. Der Geschäftsmann macht eine einladende Handbewegung. "So treffen wir uns endlich, Mr. Pullman. Ich bin Omar Al-Fassi. Bitte setzen Sie sich". Der Amerikaner hat sich längst hingesetzt. "Mein Beileid wegen Ihres Bruders, Mr. Al-Fassi. Ich bin zwar erst nach dem Unfall zur Firma gestossen, aber es ist doch eine sehr bedauerliche Angelegenheit, die uns alle sehr belastet". Er beäugt neugierig den zweiten Mann, aber Al-Fassi macht keine Anstalten, ihn vorzustellen. Stattdessen blättert er in seinen Akten, offenbar ein Polizeibericht, und sagt: "Ich hätte da aber noch ein paar Fragen, was meinen Bruder betrifft". Der Amerikaner lächelt ein falsches Lächeln. "Ich weiss nicht, wie ich Ihnen noch behilflich sein kann, Mr. Al-Fassi. Wie ich sagte, das war vor meiner Zeit. Meine Aufgabe als Geschäftsführer ist es, solche tragischen Vorfälle in Zukunft um jeden Preis zu vermeiden". Al-Fassi runzelt die Stirn. "Mr. Pullman", sagt er. "Die Firma, die Sie leiten ist ein innovatives Unternehmen, in das tüchtige und ehrliche Männer über die Jahre hinweg eine Menge Arbeit und Herzblut gesteckt haben. Mein Bruder hatte mir wiederholt angeboten, als Partner mit einzusteigen. Manchmal bereue ich es, sein Angebot ausgeschlagen zu haben. Aber meine eigene Karriere hat mich doch zu sehr in Beschlag genommen". Der Amerikaner nickt übertrieben verständnisvoll. Al-Fassi fährt fort, deutlich lauter: "Und um ehrlich mit Ihnen zu sein, eine Frage hält mich nachts wach. Erklären Sie mir doch bitte mal von Mann zu Mann: Wie kann es sein, dass mein Bruder, sein Juniorpartner, der Finanzdirektor, der Vorsitzende des Verwaltungsrats und mein Neffe allesamt innerhalb von wenigen Wochen tragisch ums Leben kommen? Könnte es dafür einen anderen Grund geben, ausser dass die Firma verständlicherweise in eine tiefe Krise geschlittert ist und als Notlösung weit unter ihrem Wert verkauft werden musste, woraufhin Sie erschienen sind und ein Schnäppchen gemacht haben?"

Der Amerikaner lächelt eisig. "Ich weiss nicht, worauf Sie hinauswollen, Mr. Al-Fassi. Falls das eine Anschuldigung sein soll, erwarte ich eine Entschuldigung. Ich bin lediglich ein Geschäftsmann, der die Chance gesehen hat, das Unternehmen zu retten". – "Mr. Pullman". Al-Fassi ist nun ziemlich laut. "Ich mag Sie nicht. Ich mag keine Ausländer, die hierher kommen mit ihrem schmutzigen Geld und ihren schmierigen Anzügen, um anständige Familienunternehmen mit ihren krummen Geschäften auszubeuten. Ich mag keine angeblichen Zufälle, bei denen nacheinander fünf Menschen sterben, wodurch plötzlich wie durch ein Wunder SIE auftauchen, um zu profitieren. Also tun Sie mir einen Gefallen, und ersparen Sie uns Ihre einstudierten Floskeln!" Er deutet auf den Mann neben sich. "Mr. Hadji ist Anwalt für Arbeits- und Wirtschaftsrecht und stammt aus einer Polizeifamilie. Ich werde keine Kosten scheuen, um Gerechtigkeit für meinen Bruder zu finden. Mr. Hadji wird Sie und ihre Machenschaften gründlich untersuchen, und ich bin mir sicher, es wird nicht lange dauern, bis er Dreck an ihren Händen findet. Das ist so sicher wie der Ruf des Muezzins". Al-Fassi lässt seine Worte wirken, doch der Amerikaner bleibt unbeeindruckt, blickt auf seine Uhr und sagt nur: "Lustig, der Muezzin hätte nämlich schon vor zehn Minuten rufen sollen".

Verdutzt dreht Al-Fassi den Kopf zum Fenster. Die Schärfe verlagert sich auf das schweigende Minarett im Stadtbild, dann wieder auf Al-Fassi. Er dreht den Kopf zurück, nur hat er jetzt einen rot leuchtenden Punkt auf der Stirn. Der Amerikaner fährt mit dem Zeigefinger über die Tischplatte und zieht den Punkt so zu sich heran, dass Al-Fassi ihn sieht. Dann wandert er auf eine Handbewegung des Amerikaners hin wieder zurück auf Al-Fassis Stirn. "Was wollen Sie von mir?", stösst er heiser hervor. Der Amerikaner legt ein Papier auf den Tisch. "Ihre Signatur unter der Erklärung, die den Tod Ihres Bruders offiziell als Betriebsunfall verbucht. Und die besagt, dass Sie keine weiteren Nachfragen mehr zu diesem Thema stellen". Er schaut wieder auf die Uhr. "Ich möchte heute noch nach Marrakesch zurückfahren. Sie haben zwanzig Sekunden Bedenkzeit, nachher können Sie Ihren Bruder im Paradies bei den Jungfrauen besuchen". Halb zitternd vor Angst, halb kochend vor Wut krakelt Al-Fassi seine Unterschrift auf das Blatt und schiebt es dem Amerikaner zu. Endlose Sekunden vergehen, dann schnippt der Amerikaner mit den Fingern und der rote Punkt löst sich in Luft auf. Al-Fassi atmet keuchend auf. "Sie haben Glück, dass ich an zweite Chancen glaube", sagt der Amerikaner und steht auf, um zu gehen. "Ich glaube aber auch daran, dass man für zweite Chancen ein strenges Exempel statuieren muss. Lassen Sie sich das eine Warnung sein". Der Amerikaner schnippt erneut mit den Fingern. Eine Sekunde später zerspringt das Fenster und der Anwalt Hadji fällt mausetot von seinem Stuhl. "Auf Wiedersehen, Mr. Al-Fassi", sagt der Amerikaner an der Tür. "Hoffentlich sehen wir uns nicht so bald wieder. Um Ihretwillen".
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.