Habe mir die Lecter-Trilogie (Rising zählt für mich nicht dazu) im Zuge der formidablen Silence of the Lambs-Blu-ray-VÖ von Criterion (btw. SO hat eine angemessene VÖ von Filmen dieses Formats qualitativ auszusehen!) in der letzten Woche einmal mehr zu Gemüte geführt und die Tendenz bleibt bestehen: Silence und Hannibal werden mit jeder Sichtung besser und besser während der Rote Drache immer gewöhnlicher und gewöhnlicher wird. Demmes Inszenierung ist atmosphärisch und eng an den Figuren (z.B. durch die vielen, ungewöhnlich nahen CloseUps) und erzeugt so auf brillant Art und Weise eine durchgängige Bedrohlichkeit. Die Darsteller sind durch die Bank grossartig und Shores Score ist das kongeniale Äquivalent zu Demmes Inszenierung. Oder um es in Kurzform mit den Worten unseres geschätztes Mods der Herzen zu sagen:
Casino Hille hat geschrieben:10/10. Wenn nicht hier, wo dann?
Hannibal begeistert mich kaum weniger, vor allem Scotts Mut seinen gänzlich eigenen Weg zu gehen und so dem Harris-Stoff einen vom großen Vorgängen vollkommen eigenständigen Blickwinkel zu gönnen. Der Kontrast zum quasidokumentarischen Stil von Demme könnte kaum größer sein, Scott schwelgt in edlen Bildern und erzeugt dennoch oder gerade deshalb eine kaum weniger bedrohliche Atmosphäre als sein Regie-Kollege. Auch wenn das finale Drittel die Perfektion (das einzige Wort, welches mir für die Florenz-Sequenz einfällt) nicht mehr ganz halten kann bringt Scott den Film bemerkenswert souverän nachhause, was angesichts des mäandernden und bizarren (unverfilmbaren?) Schlusses des Harris-Romans ebenfalls eine beachtliche Leistung ist. In Punkten sind das 9,5 / 10.
Ratners Roter Drache ist ein guter Film, der aber gerade im direkten Vergleich zu den Vorgängern in seiner Inszenierung sehr gewöhnlich wirkt. Die Entscheidung viele Dinge von Demmes Original aufzugreifen lässt den Film zwar sehr stimmig als Prequel zu Silence wirken, dafür entbehrt er aber auch einer eigenen Handschrift. Wirklich beeindruckt hat mich die Regie eigentlich nur beim Prolog, der den Film visuell sehr einfallsreich ins Rennen schickt (tolle Kamerafahrt von der Bühne ins Publikum, sehr bildliche Inszenierung als Graham Lecter auf die Schliche kommt) und eine ähnlich beklemmende und angsteinflössende Stimmung erzeugen kann wie Silence und Hannibal. Alles andere ist regelrecht „by-the-numbers“ und so leider „nur“ konventionelles Kinohandwerk ohne echte Inspiration. Wobei das schlechter klingt, als es ist, denn Ratners Regie ist zweckdienlich und hält Film, Handlung und Figuren jederzeit auf Kurs – das altbekannte Klagen auf vergleichsweise hohem Niveau. Wirklich beeindruckend ist dagegen die Besetzung und die Darstellerleistungen, von denen vor allem Fiennes Spiel als gequälte Seele herausragt (entsprechend ist seine Szene mit P.S.Hoffman einer der Höhepunkte des Films), wodurch der Film wirklich auf ein deutlich höheres Niveau gehoben wird. In Summe sind das dann 7,5 / 10.
Casino Hille hat geschrieben:in vielerlei Hinsicht muss sich Fosters Clarice als Frau nur mit ihrem Intellekt bewaffnet in einer chauvinistischen, maskulinen Welt behaupten (kein Wunder also, dass Metamorphose auch ein Schlüsselbegriff des Films ist), mit Lecter als einzigen, der sie als gleichberechtige Gegenüber akzeptiert.
Aber macht Lecter das denn wirklich? Spielt er nicht letztlich doch nur mit der ihm in jeder Hinsicht unterlegenen Starling? Er geht ja mehrfach auf ihren gewöhnlichen sozialen Hintergrund ein und nutzt dies gleichermaßen, um sie zu demütigen wie auch sich damit bewusst über ihr zu positionieren. Auch lässt er nie einen Zweifel aufkommen, wer intellektuell Meister und wer Schüler(in) ist. Keine Frage, Lecter findet Gefallen an Clarice, gerade auch an ihrem Intellekt, ob er sie aber wirklich als gleichberechtigt ansieht, da habe ich dann doch meine Zweifel. Vielleicht am ehesten als „so gut wie möglich gleichberechtigt“, da in der Weltanschauung von jemandem wie Hannibal wohl am Ende doch nur Platz für ein echtes Genie ist.